
Über ein Jahr hat sie gebraucht, um schwanger zu werden. Die 33-Jährige muss Hormone nehmen. Es dauert ewig, bis es klappt. Die Freude ist groß. Bis sie um die sechste Woche im Oktober 2022 wahnsinnige Schmerzen im Unterleib bekommt. "Ich hatte solche Angst, dass ich einen Abgang habe", erzählt die Frau am Telefon.
Ihre Schwester drängt darauf, dass sie sofort zu ihrem Frauenarzt geht. Es klappt, obwohl die Praxis eigentlich schon zu ist. Aber der Arzt geht glücklicherweise trotzdem ans Telefon. Glücklicherweise, das Wort könnte man öfters verwenden in der Geschichte der jungen Frau. Denn es bleibt kompliziert, auch nach dem Arztbesuch.
Der Gynäkologe tippt auf Blinddarmentzündung. Er empfiehlt seiner Patientin nach Schweinfurt ins Leopoldina-Krankenhaus zu gehen, dort habe man Erfahrung mit Operationen an Schwangeren. Die junge Frau folgt seinem Rat. In der Notaufnahme kommt sie sofort dran. Sie hat Schmerzen, sie hat Angst. Wird sie überleben? Wird das Kind überleben?
Wegen Corona kann sie ihr Mann damals nicht die ganze Zeit begleiten
Erschwerend kommt hinzu, dass wegen der damals geltenden Corona-Bestimmungen ihr Mann nicht die ganze Zeit bei ihr sein kann. Sie weiß noch, dass sie in den Operationssaal gebracht werden soll, schafft es noch, ihrem Mann eine SMS zu schreiben: "Ich liebe Dich" steht darin. "Wenn das unser letztes Mal gewesen wäre", dieser Gedanke lässt sie immer noch schaudern.
Aber sie überlebt, ihr Kind auch. Das liegt an Dr. Maciej Grzywacz, Oberarzt in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der erkennt, was mit der Frau los ist. Zusätzlich zur normalen Schwangerschaft liegt eine Eileiter- Schwangerschaft vor, die zu einer massiven Blutung geführt hat. Drei Liter Blut hat die Frau im Bauchraum. "Der Arzt hat mir das Leben gerettet", sagt sie. "Ich weiß gar nicht, wie ich ihm danken soll."
Oberarzt entdeckt die Ursache: Zusätzlich zur regulären noch eine Eileiter-Schwangerschaft
Bei der Operation muss der befallene Eierstock entfernt werden. Die Infusionen und Medikamente lassen die werdende Mutter bangen. Sie macht sich Sorgen, dass das Kind, das in ihrer Gebärmutter liegt, Schaden nehmen könnte. Ihre erste Schwangerschaft will sie eigentlich genießen. Kann sie aber nicht wegen der großen Sorge. Außerdem ist da immer noch der Gedanke, dass sie Zwillinge hätte haben können.
Eine Sache ist aber sicher: Sie will auf jeden Fall im Leopoldina-Krankenhaus entbinden. Aus mehreren Gründen. Sie verbindet die Klinik mit ihrem Lebensretter, hat sich dort sehr gut aufgehoben gefühlt. Und falls bei der Geburt Komplikationen auftreten, das Kind Hilfe brauchen würde, wäre das Schweinfurter Haus als Perinatal-Zentrum gut aufgestellt.
Bis zum Happy End, dem Moment, in dem sie im Mai ein gesundes Mädchen in den Armen hält, denkt sich das Schicksal aber noch etwas für sie aus. 30 Stunden liegt sie in den Wehen. Die Geburt muss dann eingeleitet werden. Und alles ist auf einmal gut. Besonders freut sich die junge Mutter, dass Dr. Maciej Grzywacz sie besucht und schaut "wie es uns geht".
Jetzt, ein paar Monate nach der Geburt der Tochter, ist immer noch das Gefühl der Dankbarkeit groß. Und ein bisschen Erholung ist auch drin: Die Kleine schläft gut und ist sehr ruhig, sagt sie glückliche Mama.
Prof. Dr. Michael Weigel, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, freut sich mit seinem Team, dass die 33-Jährige alles gut überstanden hat – und ihr Kind auch. Ihr Zustand sei schon kritisch gewesen, allein durch den hohen Blutverlust. Dazu sei noch die psychische Belastung gekommen.
Allerdings: "Leben retten gehört manchmal zu unserem Beruf." Weigel erinnert sich an die Erleichterung der Frau, als sie ihre gesunde Tochter das erste Mal im Arm gehalten hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Eileiter-Schwangerschaft gleichzeitig neben einer Schwangerschaft in der Gebärmutter entsteht wie bei ihr, liege übrigens bei 1:30.000. " Etwa wie bei einem Fünfer im Lotto", weiß Weigel.
Hört man der jungen Frau zu, hat man allerdings den Eindruck, sie hat jetzt das Gefühl, einen Sechser im Lotto gewonnen zu haben.
Die junge Mutter hat sich entschieden, ihre Geschichte zu erzählen –aber ohne Namesnennung und Details zu ihrem Leben. Sie und ihr Mann sind sich noch nicht sicher, ob sie ihrer Tochter erzählen wollen, dass sie ein Zwillingsgeschwister hätte haben können. Die Information soll sie nicht im Internet finden.
In einem Perinatal-Zentrum zu entbinden ist definitiv jeder werdenden Mutter zu empfehlen, da selbst völlig komplikationslose Schwangerschaften (wie es hier ja leider nicht der Fall war) keine ebensolchen Geburten garantieren.
Der Vergleich mit dem Fünfer im Lotto hinkt allerdings, da die Wahrscheinlichkeit für einen solchen bei 1:60223 liegt.
Dass die Eltern ihre Tochter aber als Hauptgewinn erachten, kann ich gut nachvollziehen.