Als Markus Lanz Oberbürgermeister Sebastian Remelé Anfang März in seiner ZDF-Talksendung empfing, hatte die Stadt Schweinfurt kurz zuvor die niedrigsten Inzidenzwerte in ganz Deutschland zu verzeichnen. Gute drei Monate später machte Schweinfurt wiederum Schlagzeilen mit den höchsten Zahlen bundesweit. In nur 14 Wochen stiegt die 7-Tage-Inzidenz von 3,7 auf 331,3. Kaum eine Stadt hat so starke Schwankungen wie Schweinfurt zu vermelden. Doch welche Erklärung gibt es dafür und welche Ereignisse könnten die Zahlen beeinflusst haben?
Die Meldung des Robert Koch-Instituts vom 15. Februar 2021 liest sich wie ein Dokument aus einer anderen Zeit. Null Neuinfektionen in der Stadt, null Neuinfektionen im Landkreis Schweinfurt. Inzidenzwerte von 3,7 und 29,5. Sogar der Tagesschau war Schweinfurt damals eine Erwähnung wert. Die Schweinfurter Krankenhäuser hatten zu diesem Zeitpunkt nur wenige Corona-Patienten. Und zunächst blieben die Werte relativ konstant sehr niedrig. Doch was war damals anders als heute?
Derzeit greift im Raum Schweinfurt die Bundesnotbremse. Seit mehreren Wochen sorgt sie für harte Einschränkungen in Stadt und Landkreis Schweinfurt, was sowohl Handel, Freizeit, Schule, Gastronomie und Kultur betrifft. Allgemeinverfügungen sorgen auf kommunaler Ebene zu zusätzlichen Regelungen, die eine Ausbreitung des Infektionsgeschehens eindämmen sollen. Und, auch wenn eine Kausalität nicht belegbar ist, die Werte sinken nun nach und nach. Sodass der Landkreis kürzlich sogar wieder einige Einschränkungen aufheben konnte. Wenn die strengen Maßnahmen nun also tatsächlich ihre Wirkung entfalten, dann mit erheblicher Zeitverzögerung.
Im Februar sprach das Landratsamt von "erfreulicher Tendenz"
Als die Inzidenzwerte Mitte Februar extrem niedrig waren, galten ebenfalls harte Einschränkungen in Stadt und Landkreis Schweinfurt. Doch wegen der sinkenden Zahlen sah die bayerische Staatsregierung erste Lockerungen vor. So konnten Ende Februar zahlreiche Schüler in den Präsenzunterricht zurückkehren. In Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen fand wieder ein eingeschränkter Regelbetrieb statt. Auch Angebote der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung waren wieder möglich. Damals sprach das Landratsamt Schweinfurt von einer "erfreulichen Tendenz". Zwischenzeitlich hatte das Impfzentrum am Volksfestplatz seinen Betrieb aufgenommen und man hatte am 19. Februar zunächst nur einen bestätigten Fall einer Mutationsvariante des Coronavirus vorzuweisen. Dass nur Wochen später die Mutationen den Großteil aller Infektionen ausmachen würde, war damals nicht absehbar.
Doch zunächst blieb es bei guten Nachrichten. Anfang März etwa war das Kreisaltenheim Werneck wieder "coronafrei", nachdem die Einrichtung seit Dezember 2020 mit einem akuten Ausbruchsgeschehen zu kämpfen hatte. Wenig später nahm die Impfstelle in der Stadthalle Gerolzhofen ihren Betrieb auf. Doch die Freude währte nur kurz, da durch einen bundesweiten Stopp alle Termine für den Impfstoff Astrazeneca kurzfristig abgesagt werden mussten. Insgesamt blieb das Thema Impfen im Raum Schweinfurt bis heute ein viel diskutiertes, da immer wieder Lieferengpässen zu einem Mangel an Impfdosen führen.
Von Mitte bis Ende März stiegen die Inzidenzwerte dann wieder wieder so stark, dass etwa im Einzelhandel verschärftere Regeln eingeführt wurden. Es folgte über Ostern ein Wechselbad der Gefühle und damit eine erneut starke Schwankung. Denn Anfang April waren die Inzidenzwerte in der Stadt Schweinfurt von 114,2 sinkflugartig wieder auf 52,4 und dann 41,2 gefallen. Was nicht zuletzt die Hoffnung genährt hatte, die Läden wieder öffnen zu dürfen. Einzelne Händler hatten gar in Vorfreude schon die Öffnung auf ihrer Facebookseite angekündigt. Auch im Kreis war der Wert plötzlich wieder gefallen, von 61,5 auf 32,9.
Was war über Ostern geschehen?
Doch auch hier währte die Freude nur kurz. Denn technischen Probleme bei der Übermittlung der Zahlen an das Robert-Koch-Institut (RKI) hatten zu kurzzeitig stark gesunkenen Sieben-Tage-Inzidenzen für Stadt und Landkreis Schweinfurt über das Osterwochenende geführt. Ohnehin stand der April im Zeichen verzögert übermittelter Fallzahlen. So führte aufgrund von Softwareproblemen ein Meldeverzug des Gesundheitsamtes dazu, dass die Werte wochenlang zu niedrig vom RKI veröffentlicht wurden. Jedoch waren die Werte auch unvollständig noch zu hoch, um von Lockerungen profitieren zu können.
Letztlich bewegten sich die Werte andauernd weiter auf einem hohen Niveau und fanden am 4. Mai im Stadtgebiet ihren traurigen Höhepunkt mit einer Inzidenz von 331,3.
Welche Erklärung gibt es für die Schwankungen in Schweinfurt?
Warum die Zahlen, abgesehen von technischen Fehlern, tatsächlich von einem in das andere Extrem umschlugen, wird wohl im Verborgenen bleiben. Einen Ansatzpunkt lieferte zuletzt jedoch Matthias Gehrig, kommissarischer Leiter des Gesundheitsamtes Schweinfurt. Demzufolge läge ein Problem in der Berechnung des Inzidenzwertes. Dieser käme anderen Gebietskörperschaften deutlich gelegener als etwa der Stadt Schweinfurt.
Hier hätten wenige Corona-Fälle angesichts der relativ geringen Schweinfurter Einwohnerzahl viel größere Auswirkungen auf die Inzidenz als in größeren Städten. Deshalb steige die Kurve in Schweinfurt viel schneller mal nach oben, rase aber auch schneller, wie im Februar, mal nach unten, da Anstieg und Sinkflug von verhältnismäßig wenigen Corona-Befunden abhingen.
Bei (ca.) 55.000 Einwohnern bedeutet das: Eine Woche lang täglich nur zehn(!) weitere Fälle – und der Inzidenzwert geht um ungefähr 130(!) Zähler nach oben.
Es braucht also nur kleine Änderungen in den Fallzahlen, um den Inzidenzwert deutlich zu verändern. Und dann ist der Inzidenzwert ja nicht nur abhängig davon, wieviele Tests durchgeführt werden und mit welcher Strategie getestet wird – er hängt auch noch vom Meldeverzug und technischen Problemen ab.
Anstatt etwas aus einer ziemlich fragwürdigen Datenbasis herauslesen zu wollen, hätte mich vielmehr interessiert, wo die Infektionen denn konkret entstehen – und weshalb sie von den Corona-Maßnahmen nicht verhindert werden konnten. Waren die Maßnahmen unzureichend, wurden sie nicht beachtet, …. ?
Aus meiner Sicht wurde das auch in der Berichterstattung sträflich vernachlässigt. Um Risiken vermeiden zu können, muss man sie erst mal kennen …
"Welche Erklärung gibt es für die Schwankungen in Schweinfurt? [...] Hier hätten wenige Corona-Fälle angesichts der relativ geringen Schweinfurter Einwohnerzahl viel größere Auswirkungen auf die Inzidenz als in größeren Städten."
19 kreisfreie dt. Städte haben eine geringere Einwohnezahl als SW, aber keine solchen Schwankungen! Da sie anders strukturiert sind! Das sind kleine Städte, die durch Eingemeindungen alle eine größere Fläche als SW erhielten! Während in SW Staatssekretär E. Lauerbach aus wahltaktischen Erwägungen die bereits vom Freistaat beschlossenen Eingemeindungen eigenmächtig stornierte und SW zum statistischen Exoten wurde!
Ein ganz extremes Beispiel:
Nach Leseart der offensichtlich unbelehrbaren Tagblatt-Redaktion hat London 9.700 Einwohner: das administrative London, die City of London: Bankenviertel und Wohnort mit nahezu 100% Migrationshintergrund. Nur ist man dort nicht so töricht, das als Londoner Wert anzusehen.