Wenn Erich Walter nicht weit von seinem Haus in Dingolshausen entfernt die Volkach entlangläuft, verzieht es ihm das Gesicht. "Das tut weh", sagt er mit Blick auf das Naturidyll, das sich seinem Auge hier bietet. Mehrere Meter tief hat sich der Bach an dieser Stelle über viele Jahre hinweg in die Erde gegraben. Bäume säumen das Ufer. Der Boden ist jetzt, Ende April, von grünen und weiß blühenden Pflanzen übersät. Es riecht intensiv nach Bärlauch.
Dies alles verursacht Walter kein Unbehagen. Was ihn stört, sind die unübersehbaren Spuren, die Biber hier in jüngerer Vergangenheit hinterlassen haben. Die von ihnen gefällten Bäume liegen teils kreuz und quer über dem Bach oder am Ufer entlang. Andere Bäume, darunter mächtige mit einem Stammdurchmesser von gut einem halben Meter, zeigen die typischen Bissspuren des am und im Wasser lebenden Nagetiers. Die Rinde ist kreisrund abgenagt, teilweise auch schon einiges vom Stammholz. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Bäume absterben und irgendwann umfallen werden.
Vier Biberreviere auf engem Raum
Walter und seine Frau Sigrid Fessel-Walter haben entlang der Volkach, bis auf Höhe der Brücke im Bereich Mahlholz auf Gerolzhöfer Gemarkung, vier Biberreviere ausgemacht. Auf der etwa einen Kilometer langen Strecke sind immer wieder kleine oder etwas größere Biberdämme zu sehen, die das Wasser anstauen. Auch die drei Fischweiher beim Dingolshäuser Sportplatz sind von Bibern besiedelt, berichtet das Ehepaar.
Die beiden fürchten, dass die Biber über kurz oder lang immer mehr vitale Bäume entlang des Volkach-Baches zu Fall bringen. "Wer die Natur liebt, den kann das nicht kaltlassen", sagt Erich Walter. Und seine Frau fragt sich, wie sich dieses "Naturkleinod", der Auwald, den sie hier vor der Haustür erkennt, schützen lässt – schützen lässt vor dem bekanntlich gesetzlich streng geschützten Biber.
Um einen Auwald im klassischen Sinn handle es sich hier entlang der Volkach nicht, stellt Philipp Keller, der Leiter der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Schweinfurt, beim Ortstermin zunächst einmal fest. Ein solcher wäre durch ein deutlich feuchteres Umfeld gekennzeichnet, das auch daher rührt, dass Uferbereiche regelmäßig überschwemmt werden, was einem Eldorado für Wasservögel, Amphibien und Pflanzen gleichkomme.
Begleitgehölz am steilen Bachufer
Einen solchen Auwald, der nicht selten das Werk von Bibern ist, die Wasserläufe aufstauen, gebe es an dieser Stelle, wo die Volkach ein tiefes Bachbett mit steilem Ufer hat, nicht. Nichtsdestotrotz sei das Uferbegleitgehölz der Volkach, von dem der Fachmann spricht, aus Sicht des Naturschutzes sehr wertvoll und besitze ebenfalls den Status eines Biotops, macht Keller klar.
Ihm bereitet das vom Biber verursachte Totholz grundsätzlich keine Schmerzen. Im Gegenteil. Anders, als sein Name es meint, stecke im Totholz nämlich unheimlich viel Leben. Es sei der Lebensraum für viele Insekten und Organismen und insgesamt ein sehr dynamischer Lebensraum, meint Keller. Und der Biber trage als Holzfäller maßgeblich dazu bei, solche Lebensräume zu schaffen.
Insoweit haben Keller und sein Mitarbeiter Jonas Braun, der sich ebenfalls vor Ort ein Bild der Lage macht, keine Sorgen, dass der Biber entlang der Volkach Kahlschlag betreibt. Den Begleitwald komplett zu roden, dazu wäre der Biber auch gar nicht in der Lage, beruhigt Keller. Dort, wo Bäume wegfallen, würde immer auch Jungwuchs nachkommen. "Nur anfangs sieht's brachial aus", gesteht Keller.
Biber arbeitet im Sinne des Naturschutzes
Das Auslichten vom Begleitwäldern und -gehölzen sei aus Sicht des Naturschutzes begrüßenswert. Lichte Wälder, sagt Keller, zählen nach Erkenntnissen des Landesamts für Umwelt zu den artenreichsten Wäldern überhaupt. "Das Beste für den Lebensraum wäre es, wenn der Biber hier frei agieren könnte", stellt Braun fest.
Für die Vertreter der Naturschutzbehörde zählen, trotz der immer wieder zu hörenden Konflikte unter anderem mit Landwirten und Pächtern von Teichen, vor allem die positiven Leistungen des Bibers. Dieser sorge durch das Aufstauen des Wassers an Bächen und Flüssen dafür, dass sich der Wasserhaushalt vor Ort verbessere. Dies käme dem Grundwasserbestand in Zeiten des Klimawandels deutlich zugute und auch angrenzende Feldfrüchte würden profitieren.
Und auch bei Hochwasser würden speziell die Dämme der Biber Vorteile bringen. Diese bremsten das Wasser und sorgten dafür, dass sich das über das Ufer tretende Wasser gleichmäßiger ausbreiten kann, etwa in vorhandene Senken. Diese Aussage dürfte Reinhard Geißler interessieren. Dieser bewohnt die Volkachsmühle am anderen Ortsrand von Dingolshausen, von Michelau kommend. Dort haben sich Biber schon länger breit gemacht. Der Bachlauf ist dort Ende der 1990er-Jahre renaturiert worden.
Bestimmte Pflanzen sind verschwunden
Auch in Geißler, der selbst Mitglied des Bund Naturschutzes ist, regen sich neben seiner Befürchtung, Biber könnten Hochwasserschäden begünstigen, Zweifel, ob es immer gut ist, Biber ungebremst walten zu lassen. Etwas oberhalb der Volkachsmühle haben die Nager den Baumbestand schon vor Jahren deutlich gelichtet. Eine Folge davon sei laut Geißler, dass bestimmte Pflanzen, wie Anemonen und Bärlauch, dort verschwunden sind.
Die Naturschutzbehörde im Landratsamt geht davon aus, dass im Landkreis Schweinfurt alle geeigneten Gewässerbereiche von Bibern besiedelt sind. Kartiert sind nach deren Angaben rund 70 Biberreviere. Die Population gilt als stabil, das heißt die Zahl der Biber dürfte sich nicht weiter erhöhen. "Die Biber werden sich nicht unendlich ausbreiten", sagt Keller.
Zwangsläufig führt dies aber auch dazu, dass Biber um die begrenzt vorhandenen, geeigneten Reviere streiten müssen. Denn in ihrem zweiten Lebensjahr müssen Jungtiere den elterlichen Biberbau verlassen.