Dem Biber hängt ein positives Image an. Ihm eilt der Ruf des fleißigen Baumeisters voraus. Mit seiner großen Schwanzflosse und mächtigen Beißern wirkt er zudem irgendwie putzig, nicht zuletzt als Werbefigur. Die Menschen in Siegendorf lernen den Biber seit Monaten von einer anderen Seite kennen. Das im Wasser lebende Nagetier sorgt dort am Marbach für mächtig Probleme. Die betroffenen Einwohner des Ortsteils fühlen sich – wie auch die Marktgemeinde Oberschwarzach –mit ihren Sorgen im Stich gelassen.
Gemeindearbeiter Martin Dürrfuß und sein Kollege Karlheinz Lechner sind auf den Biber, der per Artenschutzgesetz streng geschützt ist, nicht sonderlich gut zu sprechen. Bürgermeister Manfred Schötz geht es genauso, als er beim Ortstermin in der Ortsmitte, dort, wo der rollierte Marbach die Staatsstraße in Richtung Altenschönbach unterquert, einen der Bereiche zeigt, wo der Biber haust.
Aus der Röhre, durch die der Bach fließt, mussten die Bauhofmitarbeiter schon mehrfach Äste, Geröll und sonstiges Material herausholen, mit dem der Biber das Wasser angestaut hat. Es war jedes Mal Schwerstarbeit und auch nicht ganz ungefährlich, denn in dem niedrigen Durchfluss ist an aufrechtes Stehen nicht zu denken. Die Männer des Bauhofs müssen dort tief gebückt im Wasser stehend die schweren Schuttwannen mit dem Material heraus wuchten.
Biber verbaut alles Material, was er findet
Doch damit nicht genug. Ein Stückchen bachaufwärts stehen Gebäude nicht nur direkt am Marbach, sondern sind stellenweise auch über dem Wasser errichtet. Unterhalb einer Holzlege verschwindet der Bach in einer Röhre. Und dort, im Untergrund, staut der Biber ebenfalls gerne das Wasser an, indem er das Rohr einfach mit allem blockiert, was in in der Umgebung an Baumaterial findet. Dazu zählen neben ein paar gefällten Obstbäumchen in einem Garten auch die Steine, mit denen das Bachbett vor dem Einlass in das Rohr ausgelegt war. Auf einer Strecke von etwa 70 Metern hat der Biber die Steine ausgebuddelt und zum Bauen verwendet.
Zudem hat das Tier die angrenzenden Böschungen mit Gängen unterhöhlt. Aus Sicht der Gemeinde droht deshalb nicht nur ein angrenzender Weg einzubrechen. Anwohner Alfons Zehner fürchtet um die Sicherheit seiner dort stehenden Nebengebäude, darunter eine Garage. "Irgendwann", sagt er, "stürzen die Wände ein."
Bürgermeister sieht große Kosten auf Gemeinde zukommen
Für Bürgermeister Schötz ist klar: "Der Biber muss weg innerhalb des Ortes." Die bereits angerichteten Schäden seien zu groß. Und niemand könne wissen, was der Biber noch alles anstellt. Am Ende drohten immense Sachschäden, womöglich würden sogar Menschen gefährdet. Wenngleich es vor kurzem bereits einen Ortstermin mit Vertretern der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes Schweinfurt gegeben hat, sieht Schötz viele Fragen ungeklärt.
Ihn beschäftigt es, wie die Gemeinde das Biberproblem vorschriftsgemäß aus der Welt schaffen kann. Zudem möchte er gerne wissen, wie weit die Gemeinde für die Regulierung der Schäden verantwortlich ist. Er sieht auf die Gemeinde am Ende Schadensersatzansprüche durch Betroffene zukommen.
Von der Hand zu weisen sind diese Befürchtungen nicht. Denn die Gemeinde ist für den Unterhalt des Marbaches, eines sogenannten Gewässers dritter Ordnung, rechtlich betrachtet zuständig. Und damit, so erklärt es Philipp Keller, der Leiter der Naturschutzbehörde in Schweinfurt, auf Nachfrage dieser Redaktion, müsse die Gemeinde auch präventiv tätig werden, um Schäden durch den Biber zu verhindern.
Ausgleichsfonds für Biberschäden greift nicht für Gebäude
Dies ist im Fall Siegendorf insbesondere deshalb wichtig, da der in Bayern vom Freistaat aufgestellte "Biberfonds" zum Ausgleich von Schäden, die Biber angerichtet haben, bei Gebäudeschäden grundsätzlich nicht greift, wie Bernd Hertlein als Mitarbeiter der Naturschutzbehörde ergänzt. Der pro Jahr mit 550.000 Euro für ganz Bayern nicht gerade üppig gefüllte Fonds deckt meist nur einen Teil der land-, forst- und teichwirtschaftlichen Schäden. So sieht es der Gesetzgeber vor.
Die dringende Empfehlung der Naturschutzbehörde lautet deshalb in diesem Fall: Die Gemeinde soll dafür sorgen, dass der Biber nicht mehr in den verrohrten Bereich des Marbachs gelangt, um dort aufzustauen. Am einfachsten ließe sich dies nach Ansicht der Naturschutzbehörde durch ein bibersicheres Gitter über die komplette Breite des Bachs bewerkstelligen, auf beiden Seiten des rollierten Abschnitts. Ein Gitter lässt sich nach Angaben von Hertlein so anbringen, dass einerseits kein Biber sich darunter durchgraben oder sonstwie durchschlüpfen kann. Zudem gebe es Konstruktionen, die auch bei Hochwasser die Gefahr eines zusätzlichen Aufstauens minimierten. Diese beiden Bedenken hegt nämlich die Gemeinde Oberschwarzach im Zusammenhang mit dem Anbringen eines Gitters.
Biber fühlt sich nur im tiefen Wasser wohl
"Ein solches Gitter hat aus unserer Sicht Priorität", macht Keller klar. Denn wenn sich in dem Bereich vor dem Rohreinlauf kein Wasser aufstaut, dann bietet sich dem Biber dort auch keine Möglichkeit, mit Ästen, Steinen oder – was ebenfalls schon vorkam – Zuckerrüben, die er auf benachbarten Feldern ausgegraben oder herausgezogen hat, seine Dämme zu bauen. Bei normalem Wasserstand im Bach könne der Biber dort nämlich nichts transportieren, dies gelingt ihm nur, wenn das Wasser durch das Aufstauen eine gewisse Tiefe hat
Ob der Biber in dem beschriebenen Bereich Gebäudefundamente tatsächlich bereits unterhöhlt hat, ist nach Aussage von Keller "nicht 100-prozentig sicher". Zudem sei nicht dokumentiert, in welchem Zustand sich das Bachbett und dessen Ränder vor dem ersten Auftreten des Bibers in diesem Sommer befanden.
Nach dem Einfangen darf der Biber erschossen werden
Unabhängig davon erkennt die Naturschutzbehörde in Siegendorf durchaus Handlungsbedarf, um unabhängig der notwendigen Prävention dem vorhandenen Problem Herr zu werden. Deshalb wurde der Gemeinde in diesem Fall eine Fangerlaubnis erteilt, verbunden mit der Genehmigung, den gefangenen Biber an einem sicheren Ort von einem Jäger erschießen zu lassen. Eine vom Landkreis bereitgestellte Lebendfalle ist in Siegendorf bereits aufgestellt worden.
Eine solche Entnahme per artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigung, wie es im Behördenjargon heißt, wird im Landkreis Schweinfurt laut Keller etwa drei- bis viermal gestattet, in Fällen, in denen Biber Schäden an Kläranlagen, Fischteichen oder Brücken anrichten oder anzurichten drohen.
Einen gefangenen Biber einfach an einer anderen Stelle des Gewässers auszusetzen funktioniere nicht nur deshalb nicht, weil das Tier womöglich schnell wieder in sein ursprüngliches Revier zurückfände. Laut Bernd Hertlein würde es, sobald ein Biber in ein fremdes Revier gelangt, dort zu heftigen Revierkämpfen kommen, die mit dem Tierschutzgedanken nicht vereinbar sind. Da sei der tödliche Schuss aus dem Gewehr des Jägers dann die angebrachtere Lösung.
Spuren deuten auf mehrere Tiere im Revier hin
Gesetzt den Fall, der Siegendorfer Biber würde verschwinden, ist natürlich noch lange nicht garantiert, dass sich dort nicht kurze Zeit später ein neuer Biber breit macht, wenn es nicht jetzt bereits, wie die Mitarbeiter des Bauhofs anhand der Spuren vermuten, mehrere Tiere in dem Revier sind.
Nach Angaben der Naturschutzbehörde sind im Landkreis Schweinfurt 68 Biberreviere kartiert (Stand: November 2021). Mittlerweile dürfte die Zahl sogar höher liegen, schätzt Keller. Seiner Ansicht nach sind Biber im Kreis nicht nur flächendeckend verbreitet, sondern die möglichen Siedlungsbereiche an den Gewässern seien auch ausgeschöpft, so dass er eine weitere Zunahme der Biber-Population nicht erwartet. Problematisch könne es dann werden, wenn die Jungtiere ihre Eltern-Reviere im zweiten Lebensjahr verlassen, um eigene Reviere zu finden – und dann erkennen müssen, dass es keine freien Siedlungsbereiche mehr gibt.
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