Am 1. September 1980 hat Norbert Völkl bei SKF in Schweinfurt seine Ausbildung begonnen – zum Maschinenschlosser, wie es damals hieß. Die schloss er erfolgreich ab, blieb bei SKF, machte eine Weiterbildung zum Industriemeister. "In der Arbeitnehmervertretung war ich von Anfang an engagiert", sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion, "zuerst in der Ausbildung, dann als Betriebsrat." Sie sollte ihn die meiste Zeit seines Berufslebens beschäftigen, und zwar an vorderster Stelle. In wenigen Tagen nun blickt Völkl auf 40 Jahre SKF zurück.
Acht Jahre lang, von 1989 bis 1997, war Völkl als Meister im Qualitätsservice auch in der Rolle des Vorgesetzten von 40 bis 50 Mitarbeitern. "Das war eine wertvolle Zeit", sagt er, "da habe ich viel über Führung und Verantwortung gelernt." In dieser Phase sei er auch von Betriebsratsseite teils kritisch beäugt worden. Drei Jahre lang war er Vorgesetzter und Betriebsrat – "ein Spagat". Ab 1997 fungierte er als freigestellter Betriebsrat und Stellvertreter des damaligen Betriebsratsvorsitzenden Ernst Lang. Nach dessen Ausscheiden 2006 wurde Völkl einstimmig zum Vorsitzenden gewählt. Seitdem führt er das 27-köpfige Gremium.
Als erste große Auseinandersetzung ist Völkl die vom März 1988 in Erinnerung, da war er noch Jugendvertreter. Es ging um möglichen Arbeitsplatzabbau, das Streichen außertariflicher Leistungen, der Samstag sollte als Regelarbeitstag kommen. "Die Mitarbeiter haben tagelang in der Kantine ausgeharrt", sagt Völkl. Dann 1993: Die große Krise der gesamten Schweinfurter Metallindustrie. Der komplette Industriestandort schien damals in Gefahr. "Sämtliche Betriebe und die ganze Region waren von den Folgen betroffen", erinnert sich Völkl.
"Immerzu wird umstrukturiert"
Die SKF-Entwicklung sei "schwer an bestimmten Ereignissen festzumachen", sagt der Betriebsratschef: "Solange ich weiß, wird immerzu umstrukturiert, das ist ein ständiger Prozess." Gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Vorsitzender war 2006/07 eine einschneidende Unternehmensentscheidung die Verlagerung der kleinen Kegelrollenlager (für die Automobilindustrie) in verschiedene Länder. Betroffen davon sei "fast das komplette Werk 3" gewesen, 500 bis 600 Beschäftigte.
Aber: Im Gegenzug bekam der Standort die Investition in die Großlagerfertigung für die Windindustrie. "Für den Betriebsrat war die Frage, kämpfst du dagegen, oder ziehst du mit", so Völkl. Die Entscheidung für die Verlagerung der Kegelrollenlager zugunsten der Großlager sei aus heutiger Sicht "absolut richtig" gewesen, sagt der Betriebsratschef. Die kleinen Lager wären heute eh nicht mehr da, und die Großlager seien der Grundstein für die weitere Investition in das weltweit leistungsfähigste Großlager-Testcenter gewesen.
Auf und Ab bei den Stellen
Ab 2006 legte der Standort bei guter Konjunktur um rund 500 auf knapp 4700 Beschäftigte zu. Dann kam 2008/09 die Finanz- und Wirtschaftskrise, "die alle kalt erwischt hat". Mit der Beschäftigung ging's wieder bergab. Heute zählt der SKF-Standort Schweinfurt knapp 4000 Mitarbeiter – aber auch ohne die 130 Beschäftigten der "SKF Linearsysteme" im Maintal. Die Firma wurde verkauft, sie heißt jetzt "Ewellix" und wolle 30 Mitarbeiter über Altersteilzeit und freiwillige Aufhebungsverträge loswerden, sagt Völkl. Weil "Ewellix" und SKF als Gemeinschaftsbetrieb laufen sei der SKF-Betriebsrat für sie weiter zuständig.
Zwei jeweils fünfjährige Beschäftigungssicherungen hat der Betriebsrat unter Völkl vereinbart. Die erste lief von 2013 bis 2018, die nächste soll 2022 beginnen. "Die haben wir vor Corona abgeschlossen", sagt Völkl, "sie hat aber Bestand." Er erinnert an die Vereinbarung zum sozialverträglichen Abbau von 284 Stellen im Angestelltenbereich. Die Altersteilzeitverträge müssten bis Ende 2020 abgeschlossen sein.
"Ich arbeite mit SKF-Stolz"
Trotz mancher Konfliktlagen und unterschiedlicher Interessen: "Solange ich in der Firma arbeite, tue ich das mit einem SKF-Stolz", sagt Völkl. Der speise sich aus der großen Solidarität der Kollegen und der Erfahrung, dass auch mit der Unternehmensleitung immer Wege gefunden würden, die den Beschäftigten nützen. "Betriebsbedingte Kündigungen haben wir bisher immer verhindern können." Auch das hat seine Gründe. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad "liegt über alle Köpfe" um die 80 Prozent, "im gewerblichen Bereich über 90 Prozent", so Völkl. SKF sei der meistorganisierte Schweinfurter Betrieb. Und: "Bei allen Themen haben wir die volle Unterstützung der IG Metall."
Die Arbeit bei SKF vergleicht der Betriebsratschef mit seinem Hobby Motorradfahren: "Da geht's auch auf und ab, es sind etliche Kurven im Berg – und hinter einigen liegt Sand. Damit muss man zurechtkommen." Bisher ist ihm das offensichtlich geglückt. Die Belegschaft steht hinter ihm, gleichzeitig betont Völkl sein gutes Verhältnis zur Konzernzentrale in Göteborg. Letztlich müsse die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens gesichert werden, um Arbeitnehmerinteressen zu wahren.
Investitionen müssen fließen
Ein Blick nach vorne: Die Digitalisierung sei für alle Unternehmen eine große Herausforderung und werde unterm Strich Arbeitsplätze kosten. Betriebsräte würden versuchen, diese Entwicklung abzufedern. Doch "solange Investitionen fließen, haben der Standort eine Chance und die Beschäftigten eine gute Zukunft". Am meisten vermisst Völkl gerade die großen Betriebsversammlungen, bei denen der Puls der Belegschaft zu fühlen wäre, die derzeit aber Corona verhindert. Jetzt kommuniziert er über Podcasts, das klappt auch. Echte Betriebsversammlungen wird Völkl sicher noch erleben. Er ist zwar schon 40 Jahre bei SKF, aber erst 56 – und hat wohl noch ein paar Jahre vor sich.
Eine gewisse Stärke des SKF-Betriebsrats sieht Völkl auch in personeller Kontinuität an seiner Spitze. Beim Blick auf vier Jahrzehnte kommt er auf zwei Betriebsratsvorsitzende – und 27 Geschäftsführer.