Bis um 19.30 Uhr der Vorhang aufgeht im Evangelischen Gemeindehaus, der Ausweichspielstätte des Theaters der Stadt Schweinfurt während der Sanierung, wird vor, hinter und neben den Kulissen erstmal ordentlich geschuftet.
Kurz vor 13 Uhr kommt der Kleintransporter. Inhalt: Alles, was für die Vorstellung des Stücks "Aus dem Nichts", ein Politthriller mit Bezug zum NSU-Komplex, gebraucht wird. Kulissen, Kostüme, Beleuchtung, Werkzeug, Kabel, Requisiten. Fast alles, um genau zu sein. Denn die Schauspieler und Schauspielerinnen für die Produktion des Euro-Studios Landgraf fahren extra. Sie kommen später, einige Stunden vor der Vorstellung.
Neun Leute sind im Einsatz, sagt Jochen Kuhn, der Technische Direktor. Für ihn und sein "saugeiles Team" (Kuhn) ist es immer wieder eine Überraschung, was sie alles aus dem Laster rein ins Theater bringen müssen. Irgendwie ein bisschen wie Geschenke auspacken. Man weiß vorher nicht genau, was drin ist – und muss dann vielleicht erstmal kurz überlegen, was das eigentlich ist. Ein Stück Wand? Ein Teil eines Regals? Aufbau für ein Bett?
Aufbauen, abbauen, ab zum nächsten Gastspielort
Alle beherrschen die hohe Kunst, immer präsent zu sein, aber nie im Weg zu stehen. Und einer weiß, was ist, und wo was hin muss: Bertram Kohlhofer, der genauso wie die Schauspieler mit dem Stück auf Tournee geht. Mehrmals hat er die Kulissen für "Aus dem Nichts" schon auf- und abgebaut sowie verladen für den nächsten Gastspielort. Für das Schweinfurter Theaterteam ist er ein alter Bekannter. "Einer muss wissen, wie es aussehen soll", sagt Jochen Kuhn.
Beim Ausladen denkt wahrscheinlich mancher wehmütig an das Schweinfurter Theater, das zurzeit saniert wird. Da war es nämlich einfacher: Alles konnte bequem hineingerollt werden, man war auch gleich in einem beheizten Raum. Hier im Gemeindehaus ist viel Muskelkraft gefragt. Auf die Bühne geht es über eine Treppe. "Bei Schnee und Regen ist das schon fies", sagt Kuhn. Aber so ist es halt. Und immerhin: Alles, was Rollen hat, wie zum Beispiel die Garderoben-Schränke, kommt über die Küche in den Saal.
Drei Phasen Vorbereitung, bis alles bereit ist für die Vorstellung
Und dann wird geschraubt, verbunden, aufgestellt. Drei Phasen hat die Vorbereitung, erklärt Jochen Kuhn: Kulissenaufbau, Lichtaufbau und Verkabelung, Einleuchten und Stimmung kontrollieren. Das Bühnenbild ist eine Art großer Bilderrahmen im Hintergrund, langsam sieht man, wie es am Abend aussehen wird.
Das Sofa kommt noch an seinem Platz, die Aktenordner und das Spielzeug, das in dem Stück über die NSU-Morde eine Rolle spielen wird, sind zum Schluss dran. Vorher kommt noch eine weiße Fläche auf den Boden. Hier wird in der Vorstellung Licht reflektiert, die passende Stimmung erzeugt. Mit Klebeband und einem zum Werkzeug umgebauten Schrubber machen sich zwei aus dem Team ans Werk.
Wie ein Uhrwerk funktioniert der Aufbau. Das liegt auch an einigen cleveren Ideen. So sind etwa die Bodenplatten durchnummeriert, damit gleich zu sehen ist, wie sie verlegt werden müssen. Auch zeigen Markierungen, wo oben und unten ist.
Mittlerweile ist ein weiteres Teammitglied im Einsatz: Jeannie. So heißt die hydraulische Hebebühne, mit der Roger Vanoni, Abteilungsleiter Licht und Ton, die Scheinwerfer einrichtet. Jeannie, der Name ist bei der Heldin der TV-Serie "Bezaubernde Jeannie" entliehen. Filmfigur und Hebebühne haben nämlich eines gemeinsam: Sie sind unersetzlich, können bei so gut wie jedem Problem helfen. Bei einem allerdings nicht. Roger Vanoni sagt den schönen Satz "ich könnte eine dritte Hand gebrauchen", als er mit den Scheinwerfern beschäftigt ist. Selbst Jeannie kann ihm diesen Wunsch nicht erfüllen.
Von Alten und von Jungen Meistern
Gerade für Tourneetheater, die so gut wie jeden Abend woanders auftreten, ist es wichtig, dass das Licht immer gleich ist. "Die Schauspieler müssen sich wohlfühlen auf der Bühne", sagt Jochen Kuhn. Deshalb soll es beim Licht möglichst wenig Unterschiede an den verschiedenen Spielorten geben. Auch dafür sorgt Bertram Kohlhofer.
Die Illusion muss perfekt sein - für das Publikum soll alles stimmen. Das Theatererlebnis steht und fällt auch damit, wie die Bühne aussieht, Licht und Ton wirken. Das ist allen, die hier auf der Bühne arbeiten, wichtig und ein Ansporn. Trotzdem ist jeder Vorstellungstag spannend, meint Jochen Kuhn. Klappt's? Alles da? Läuft alles pünktlich? Das sind die großen Fragen.
"Wir sind hier Botschafter für Schweinfurt", sagt Jochen Kuhn. Nicht nur fürs Publikum, auch für Schauspieler und Crews der Tourneetheater. Die Gäste sollen Schweinfurt in guter Erinnerung behalten. Freundlichkeit, Höflichkeit, Offenheit: für ihn die Basis des Miteinanders. Intendant Christof Wahlefeld sieht das genauso: "Es ist wichtig, dass wir einen guten Ruf haben." Schließlich ist die Theaterwelt eine kleine Welt.
"Das ist eine eingeschworene, homogene Truppe", sagt der Intendant über das Team, das wieder einmal für einen besonderen Abend sorgt. Und zwar lange, bevor das Publikum kommt. Und auch lange, nachdem das Publikum schon wieder weg ist. Gleich nach der Vorstellung wird abgebaut. Bertram Kohlhofer muss früh nach Erding, zum nächsten Gastspielort. Dort beginnt das Spiel von Neuem.
Das Theater Schweinfurt ist auch ein Ausbildungsbetrieb
Wie in fast jeder Branche ist auch am Theater Personalmangel ein Problem, sagt Intendant Christof Wahlefeld. In Schweinfurt wird daher auch ausgebildet, um Stellen besetzen zu können. Zu den "Alten Meistern", wie Jochen Kuhn sich und Roger Vanoni scherzhaft nennt, ist ein junger Meister gekommen. Lukas Gellenthien hat seinen Meister für Veranstaltungstechnik in der Tasche, Roman Gronert macht gerade eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker.
Für Jochen Kuhn ist seine Arbeit ein Hobby, das zum Beruf geworden ist. Bei der Celtis-Theatergruppe hat er in den 1980ern sozusagen Feuer gefangen, er war in München am Residenz-Theater, am Würzburger Theater und ist jetzt wieder in Schweinfurt. "Ich darf mir jeden Tag eine Vorstellung anschauen und werde noch dafür bezahlt." Hört sich wirklich nach einem Traumjob an.