Zu Pandemiezeiten galt Schweinfurt in der Region als eine der Hochburgen für Gegnerinnen und Gegner der Corona-Maßnahmen. Regelmäßig zogen mehrere tausend Menschen bei offiziellen Demonstrationen oder als Teil unangemeldeter "Spaziergänge" durch Schweinfurt.
Mittlerweile hat das Interesse an den Aufzügen deutlich nachgelassen. Noch immer ziehen aber jeden Sonntag Demonstrierende durch die Schweinfurter Innenstadt. Ihre Forderungen haben sich zum Teil verändert. Ihren Auftritt sieht jedoch weiterhin nicht jeder gerne.
Palliativstation des St. Josef kritisiert Lautstärke der Sonntagsdemonstration
"Stellen Sie sich bitte einmal vor, sie begleiten Ihre Ehefrau oder Ihren Ehemann, Ihre Eltern [...], die gerade im Sterben liegen. Und dann läuft ein Aufmarsch mit Trommeln, Megafonansprachen und jeglichem Demonstrationsrummtata unter dem Fenster des Krankenzimmers vorbei", übt Ralf Holzinger, Stationsleiter der Palliativstation des Krankenhaus St. Josef, in einem offenen Brief Kritik an der Organisation der Demonstration.
Es gehe ihm dabei nicht einmal um die Inhalte, die die Demonstrierenden über Lautsprecher verbreiten, betont er. "Dies ist ein Ort, an dem Menschen versorgt und begleitet werden, deren schwere Erkrankung zum Tode führt und bei der keine Chancen auf medizinische Heilung mehr besteht" – diese Menschen jeden Sonntag einer derartigen Beschallung auszusetzen, sei nicht zumutbar, meint er. Seine Bitte an den Veranstalter: Die Laufroute der Demonstration ändern.
Doch wer steckt eigentlich hinter den Sonntagsdemonstrationen? Laut Ordnungsreferent Jan von Lackum wird die Veranstaltung seit dem 16. Januar 2022 jeden Sonntag bei der Stadt Schweinfurt angezeigt – allerdings unter immer wieder wechselnder Führung. Bislang seien "drei Anmelder mit unterschiedlichem `Durchhaltevermögen´" bekannt, so von Lackum.
Zunächst von "Der Basis" organisiert, jetzt von Stefan Hähnlein als Privatperson
Zu Beginn hatte noch die Partei "Die Basis" zu den Protesten aufgerufen. Seit etwa einem Jahr organisiert diese nun eine Privatperson: Stefan Hähnlein. Mit der "Basis" habe er nichts zu tun, sagt der 58-Jährige auf Nachfrage. Er wisse aber, dass immer wieder einige Anhängerinnen und Anhänger der Partei an seinem Aufzug teilnehmen.
"Demokratie funktioniert nur, wenn alle Meinungen zusammenkommen", sagt Hähnlein. Und betont: Zu verbergen habe man auf seiner Veranstaltung nichts. "Schauen Sie sich doch um, hier ist kein einziger Nazi", ist er sich sicher.
Eine Grenze ziehe er erst, wenn es zu Gewalt komme. "Wir werden immer friedlich bleiben. Denn damit können die nicht umgehen", sagt er und meint damit die Polizeikräfte. Eine Anspielung auf eine Reihe von Ausschreitungen im Rahmen der Corona-Demos 2022, die Schweinfurt bundesweit in die Schlagzeilen gebracht hatte.
Forderungen haben sich nach Corona ausgeweitet
Darauf, dass an den Sonntagsdemonstrationen "jeder mit seiner Meinung" teilnehmen dürfe, aber keinesfalls alle mit allen anwesenden Meinungen einverstanden seien, scheinen die rund 60 Demonstrierenden bei einem der jüngsten Aufzüge großen Wert zu legen. Dabei gehe es längst nicht mehr nur um Kritik an den Corona-Maßnahmen.
Die Gespräche reichen von Berichten über Angehörige, die nach der Corona-Impfung an "Turbo-Krebs" erkrankt seien, über Schlagwörter wie die "Klimalüge" bis hin zu der Befürchtung, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach könne einen "Klima-Lockdown" ausrufen.
Auch Forderungen nach einem Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine werden laut. "Diplomatie statt Waffen" sei sein Motto, sagt Hähnlein. "Wir wollen, dass die Folgen der Corona-Maßnahmen endlich richtig aufgeklärt werden", fordert eine der Anwesenden. "Wir haben keine echte Demokratie mehr, die Meinungsfreiheit wird immer weiter eingegrenzt", kritisiert ein anderer.
Das Mitteilungsbedürfnis scheint groß – man wolle endlich gehört werden. Mit Namen in der Öffentlichkeit erscheinen möchte von den Befragten dennoch niemand. Zu groß sei die Angst vor dem Bild, das die Gesellschaft von ihnen habe.
Der Stadt Schweinfurt sind Beschwerden des St. Josef bekannt
Ihre Inhalte verbreitet die Gruppe über Lautsprecher, die Hähnlein auf einem Auto montiert hat. Vor der Palliativstation des St. Josef ruft er den mitlaufenden Trommelnden zu: "Trommeln aus!" Das mache er bereits seit Längerem so; man habe ja schließlich ein Gewissen, sagt er. Die Lautsprecherdurchsagen stoppt er allerdings nicht.
Der Stadt Schweinfurt sei der Unmut aus den Reihen des St. Josef bekannt, bestätigt Ordnungsreferent Jan von Lackum: "Wir sind regelmäßig wegen der Beschwerde mit dem Veranstalter in Kontakt." Unternehmen könne die Stadt allerdings nichts, da die zulässige Lautstärkegrenze von 85 Dezibel nicht überschritten würde. Das hätten "stichprobenartige Kontrollen" gezeigt, so von Lackum.
Er verweist zudem auf die Kulanz des Veranstalters: "Auf freiwilliger Basis wurde in der Vergangenheit sowohl auf Höhe der Palliativstation als auch am St.-Josefs-Krankenhaus die Lautstärke deutlich reduziert." Eine weitere Herabsetzung der Schwelle sei nicht möglich.
"Bei allem Verständnis für die Belange der Palliativstation einschließlich ihrer Patienten und der Angehörigen ist eine stärkere Beschränkung der Lautstärke wegen des hohen Guts der Versammlungsfreiheit rechtlich nicht möglich. Die Versammlungen finden zudem zur Tagzeit statt", so von Lackum.
Vereinzelte Beschwerden beim Ordnungsamt und in den Sozialen Medien
Auch die Aufzugsstrecke unterliege der Versammlungsfreiheit. Eingreifen, die Route ändern oder den Aufzug beenden könne man erst, wenn etwa durch Krawalle Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit gefährdet würden. Erst dann könne per "Verbotsverfügung in ein bestehendes Grundrecht eingegriffen werden. Dies ist bei den aktuell stattfindenden Versammlungen nicht vorstellbar", so der Ordnungsreferent.
Wie die Aufzüge in der Schweinfurter Bevölkerung ankommen, sei indes nicht bekannt. Bislang seien diesbezüglich beim Ordnungsamt nur "ganz vereinzelt" Beschwerden eingegangen. "Gelegentliche Unmutsbekundungen in Social Media nehme ich wahr. Das ist aber weder repräsentativ, noch spielt es rechtlich eine Rolle. Eine Versammlung verfolgt ja das Ziel, Aufmerksamkeit zu erzeugen", so von Lackum.
Zudem sei die Größe bislang recht überschaubar: Die wöchentlich angemeldete Zahl von 200 Teilnehmenden werde so gut wie nie erreicht. Zur Zeit seien es meist um die 60. Hähnlein bleibt dennoch überzeugt: "Früher haben wir viele Mittelfinger bekommen, aber jetzt blicken die Leute langsam durch. Das motiviert uns, auf der Straße zu bleiben."
Wer durch seine Worte und durch sein Handeln keinen oder kaum Respekt vor Sterbenden und deren Angehörigen zeigt sollte sich schämen!
Der Begriff "Meinung" wird aber immer extremer ausgeweitet.
Stichwort zu genau diesen Demos: Ist reiner Lärm durch Trommeln etc. tlw. in reinen Wohngebieten (da finden die Demos nämlich auch mit schöner Regelmäßigkeit statt) um 20 Uhr eine Meinungsäußerung oder schlicht eine Belästigung?
Und allgemein ist nicht jede Meinung auch legal!
Beleidigung, Verhetzung, ...
Inwiefern ist die Verbrennung des Koran, der Bibel, der Tora eine Meinung bzw. ist das nicht eben auch gleichzeitig eine Beleidigung oder sogar Verhetzung?
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
"Meinung" ist genau das.
Lärm und Beleidigungen können vielleicht als Meinungen gesehen werden, berühren und verletzen dadurch aber auch andere Rechte.