
Die erste Irritation gab es am Schweinfurter Amtsgericht schon gleich zu Beginn der Verhandlung, bei der es um einen Strafbefehl aufgrund eines mutmaßlich vorsätzlichen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot bei Versammlungen ging. Der angekündigte Verteidiger Martin Kohlmann war nicht erschienen. Stattdessen saß Rechtsanwalt Matthias Bauerfeind neben dem Angeklagten.
Etwas wortkarg erklärte der Anwalt aus dem Arnsteiner Gemeindeteil Müdesheim, dass das Mandat kurzfristig gewechselt wurde. Was damit gleich blieb, ist der rechtsextreme Hintergrund des Verteidigers. Während Kohlmann ein bekanntes Gesicht in der rechtsextremen Szene Sachsens ist, unter anderem als Vorsitzender der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei "Freie Sachsen", tritt Bauerfeind seit vielen Jahren in der bayerischen Neonazi-Szene in Erscheinung; einst als Kandidat der NPD im Landtagswahlkampf 2008, später als Kader des 2014 verbotenen Freien Netz Süd (FNS) und in den letzten Jahren auch als Redner der FNS-Nachfolgeorganisation "Dritter Weg".
Um ein Randgeschehen der Veranstaltung der rechtsextremen Kleinstpartei ging es dann auch in der Verhandlung in Schweinfurt, in der ein 26-Jähriger aus Baden-Württemberg beschuldigt wurde, am 1. Mai 2023 auf dem Weg zur Veranstaltung des "Dritten Wegs" in der Hauptstraße im Schweinfurter Stadtteil Oberndorf sich mit einem Schlauchschal vermummt zu haben, um seine Identität zu verschleiern. Gegen den Strafbefehl legte der Angeklagte, damals noch mit Anwalt Kohlmann an seiner Seite, fristgerecht Einspruch ein.
Daher kam es nun zur Verhandlung vor dem Amtsgericht. Bauerfeind räumte gleich zu Beginn ein, dass sein Mandant am besagten Tag in Oberndorf war und sich dort auch einer Polizeikontrolle unterziehen musste. Er sei allerdings nicht auf direktem Wege zur Versammlung des "Dritten Wegs" gewesen, der in der Hauptstraße ein Parteibüro betreibt und an dem Tag mit einem Zelt auf der Hauptstraße ein Fest durchführte. Der Angeklagte wollte angeblich zunächst als Teil einer vierköpfigen Gruppe noch an einen anderen Ort, dort etwas essen und den Schlauchschal, den er bis zur Polizeikontrolle trug, weggeben.
Polizist kann sich im Zeugenstand detailliert an die Kontrolle erinnern
Außerdem habe sein Mandant den Schlauchschal nur bis zum Kinn getragen, erklärte Bauerfeind, und nicht wie vorgeworfen über Mund und Nase. Der Polizist, der die Kontrolle aufgrund der Vermummung damals vornahm, sah das im Zeugenstand anders. Auch der Version, dass der Angeklagte gar nicht direkt zur Veranstaltung wollte, widersprach der Polizist. Die Kontrolle erfolgte, nachdem die Gruppe auf die Hauptstraße in Richtung der Räumlichkeiten des "Dritten Wegs" einbog. Der Schal wurde damals von der Polizei sichergestellt und wurde vom Verteidiger während der Verhandlung aus der Asservatenkammer angefordert.
Der Polizist konnte sich, bevor ihm die Asservate schließlich auch gezeigt wurde, im Detail an das Beweisstück erinnern. Den Schal trug der Angeklagte, weil es an dem Tag kalt werden sollte. Er habe ihn sich von jemanden ausgeliehen, meinte der Beschuldigte. Bei der Kontrolle erklärten die Rechtsextremisten, sie hätten sich mit den Schals vor den Linken schützen wollen, die von ihnen Fotos machen möchten, berichtete der Polizist.
Wie das Gericht den Vorfall bewertete, wurde nicht mehr bekannt. Der Staatsanwalt merkte nach der Beweisaufnahme an, dass es für den Angeklagten im Falle einer Verurteilung doppelt so teuer wie im Strafbefehl werden könnte, weil dieser mittlerweile einer Arbeit nachgeht und sich nicht geständig zeigte. Nach einer eingängigen Beratung mit seinem Anwalt, beschloss der Beschuldigte seinen Einspruch zurückzunehmen und den Strafbefehl über 40 Tagessätze á 30 Euro doch zu akzeptieren.