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Oberwerrn
Bauernopfer für die Industrie? Warum ein Schweinfurter Viehhalter gegen das Mercosur-Abkommen protestiert
Die Agrarpolitik der EU sorgt für Unmut bei einigen Landwirten im Landkreis Schweinfurt. Wovor sich die Landwirte sorgen und was sie fordern.
Während die Europäische Union auf dem Mercosur-Gipfel in Uruguays Hauptstadt Montevideo verhandelt, protestiert Viehhalter Michael Hofmann aus Oberwerrn gegen den Abschluss des umstrittenen Freihandelsabkommens Mercosur.
Foto: Marcel Dinkel | Während die Europäische Union auf dem Mercosur-Gipfel in Uruguays Hauptstadt Montevideo verhandelt, protestiert Viehhalter Michael Hofmann aus Oberwerrn gegen den Abschluss des umstrittenen Freihandelsabkommens Mercosur.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 08.12.2024 02:31 Uhr

Michael Hofmanns Bullen schlecken gerade noch die letzten Reste ihres Futters auf, bevor der Futtergang im Stall kurzerhand zum Protestraum umfunktioniert wird. Eine Handvoll Kollegen aus dem Landkreis Schweinfurt hat sich dort auf dem Hof des Viehhalters am Ortsrand von Oberwerrn eingefunden, um ihren Unmut auszudrücken. Letzterer sollte nach den Bauernprotesten im Januar dieses Jahres halbwegs besänftigt sein – könnte man zumindest meinen.

Doch wenn es um Umwelt- und Agrarpolitik geht, befinden sich viele Bäuerinnen und Bauern seit Jahren in einer Art dauerhaften Unruhezustand, meint Klaus Pieroth, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) in Schweinfurt. Nicht der deutsche Diesel, sondern der europäische Freihandel ist es, der aktuell wieder viele Landwirte europaweit umtreibt.

In Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, handelt die Europäische Kommission derzeit mit dem großteil der Südamerikanische Staaten das in Teilen umstrittene Freihandelsabkommen Mercosur aus. Unternehmen und Industrieverbände versprechen sich daraus neue Märkte und satte Gewinne, weshalb viele von Ihnen den Abschluss herbeisehnen. Aber nicht alle sind zufrieden mit dem, was dort gerade auf dem Verhandlungstisch liegt.

Europaweit laufen Landwirtinnen und Landwirte seit Jahren Sturm gegen das Vorhaben, erklärt Klaus Pieroth, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) in Schweinfurt. Insbesondere dem Widerstand der französischen Kollegen sei es bisher zu verdanken gewesen, dass das Abkommen, welches nun schon seit über 20 Jahren verhandelt wird, lange Zeit auf Eis lag. Stattdessen erfolgten immer wieder Nachverhandlungen, die nun in eine entscheidende Phase gelangen – allerdings zum Nachteil heimischer Landwirte, fürchtet Pieroth.

Schweinfurter Landwirte fürchten um negative Folgen 

Einer davon ist Michael Hofmann aus Oberwerrn. Als Halter von 320 Mastrindern fürchtet sich Hofmann vor möglichen Wettbewerbsnachteilen auf dem Markt durch die Konkurrenz aus Südamerika, erzählt der Landwirt. Im Jahr 1968 wurde der heute 130-Hektar große Betrieb auf die Bullenmast spezialisiert. In der Zwischenzeit haben Hofmann und seine Familie ihre Ställe immer wieder umgebaut, erweitert und den steigenden tierschutzrechtlichen Vorgaben angepasst. Der neueste Stall wurde 2012 fertiggestellt.

Allein darin finden heute etwa 200 Bullen Platz, was etwa 3,5 Quadratmeter pro Tier entspricht, erklärt Hofmann. Geschätzte Baukosten: "Etwa 1350 Euro pro Quadratmeter." Dazu kommen weitere Kosten für Lagerplätze und Anlagen, die sich letztlich auf über 3000 Euro pro Tier aufsummierten, so der Landwirt. 60 Prozent der verfütterten Wintergerste, Silage und Mais für die Rinder stammt aus eigenem Anbau. Die anderen 40 Prozent darf Hofmann gemäß der Haltungsform drei von außerhalb zukaufen. Alles frei von Gentechnik und Soja, bekräftigt er. Dazu kämen kurze Distanzen bei der Verarbeitung und Vermarktung, um Stress und Transportwege möglichst gering zu halten. "Die Tiere sind in Bayern geboren, in Bayern aufgezogen und werden in Bayern geschlachtet", fasst Hofmann zusammen. 

Geben sich noch kämpferisch: BBV-Geschäftsführer Klaus Pieroth (links), Frank Böhm von Landwirtschaft Verbindet, der stellvertretende Kreisobmann Matthias Schmittfull sowie Kreisobmann Michael Reck und Betriebsleiter Michael Hofmann aus Oberwerrn.
Foto: Marcel Dinkel | Geben sich noch kämpferisch: BBV-Geschäftsführer Klaus Pieroth (links), Frank Böhm von Landwirtschaft Verbindet, der stellvertretende Kreisobmann Matthias Schmittfull sowie Kreisobmann Michael Reck und Betriebsleiter ...

Vorgaben, die Hofmann bereit ist zu erfüllen. Vorausgesetzt, er und seine Familie können vom Verkauf seines Rindfleisches leben. Doch genau das würde mit dem Abschluss des Mercorsur-Abkommens infrage gestellt, kritisiert BBV-Kreisobmann Michael Reck. "Die Waren, die durch das Freihandelsabkommen nach Deutschland kommen, entsprechen in keiner Weise unseren Auflagen und Vorschriften." Aufgrund niedrigerer Tierwohl- und Umweltstandards ließen sich Rindfleisch, Geflügel, Soja, Zucker und Ethanol in Südamerika in größeren Mengen produzieren und hier günstiger verkaufen.

Verbände blicken kritisch auf Mercorsur-Abkommen

"Jedes Kilogramm, das zu niedrigen Preisen hergestellt wird und von Südamerika zu uns kommt, untergräbt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe und macht uns von weiteren Importen abhängig", sagt Pieroth. Als Exporteure würden viele Landwirte grundsätzlich zum freien Handel stehen. Allerdings müsste zuvor sichergestellt sein, dass die geltenden Standards eingehalten würden. Alles andere würde die verbliebenen Viehhalter in Europa langfristig zur Aufgabe zwingen.

Neben dem BBV blicken auch andere Verbände kritisch auf das Abkommen. Die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ) sieht das Mercosur-Abkommen grundsätzlich überall dort kritisch, "wo kurzfristig gedachte ökonomische Interessen vor den Schutz von Natur, Umwelt und Klima gestellt werden", erklärt Pressesprecherin Heidi Kelbetz auf Nachfrage der Redaktion. Sowohl beim Futter- und Düngemittel als auch Rindfleisch würde eine verstärkte Einfuhr, wie es das Mercosur-Abkommen ermögliche, zu noch mehr Urwaldrodung und Umweltzerstörung führen.

"Wir haben die Hoffnung, dass Politik und Verbraucher die Bauernproteste Anfang des Jahres noch im Hinterkopf haben."
Michael Hofmann

Die direkten Konsequenzen für biologische Betriebe dürfte sich jedoch in Grenzen halten. "Eine Konkurrenz durch Bio-Importe aus den Mercosur-Staaten ist auch nach dem Abschluss des Abkommens nicht in Sicht", sagt Kelbetz und begründet ihre Einschätzung mit den regionalen Wirtschaftskreisläufen vieler Ökobetriebe.

Zahl der tierhaltenden Betriebe in Unterfranken geht zurück

Traditionell ist die Tierhaltung in Unterfranken generell schwächer ausgeprägt als in anderen Landkreisen oder Teilen Bayerns. Laut Daten des Bayerischen Landesamtes für Statistik gibt es (Stand Mai 2024) noch 152 Betriebe mit Rinderhaltung im Landkreis Schweinfurt. Dass die Erfolgschancen der Landwirte angesichts der ohnehin abnehmenden Zahl an Viehhaltern eher gering scheinen, weiß Hofmann. Dennoch: "Wir haben die Hoffnung, dass Politik und Verbraucher die Bauernproteste Anfang des Jahres noch im Hinterkopf haben."

 
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  • Andreas Gerner
    Bezeichnend ist, dass "Unsere Vertreter", nämlich die vielen gewählten EU-Politiker für das Mercosur Abkommen sind, während sich die Verbraucher - also die Wähler - klar dagegen aussprechen.
    Wohl niemand will, dass einem der Fraß ins Essen heimlich (insbesondere bei verarbeiteten und zubereiteten Produkten wird es keine Kennzeichnungspflicht für Herkunftsland und Erzeugungsweise geben) untergejubelt wird.
    Die Standards, die für inländische Erzeuger gelten, gibt es für Importe so nicht.
    Fleisch wird dort häufig mit ziemlicher Umweltzerstörung (Regenwaldrodung, Monokultur), Tierleid, Ausbeutung der Landarbeiter hergestellt. Außerdem Praktiken, die für den Konsumenten schädlich sein können wie Fütterungsantibiotika, Masthormone und weitere bei uns nicht erlaubte (und auch nicht verfügbare) Chemie und Tierarznei.
    Dazu kommt noch der immense CO2-Fußabdruck durch Flächennutzungsänderung(Regenwald zu Plantage) und Überseetransporte

    Will wohl keiner, aber unsere "Volksvertreter" stimmen so...
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  • Erich Spiegel
    Lange wurde die Globalisierung als die Lösung aller Probleme gefeiert. So langsam zeigen sich die negativen Seiten (z.b. fragile Lieferketten). Wie die Landwirtschaft so muss auch die europäische Industrie mit Nationen konkurrieren, die sich wenig um Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen kümmern. Gut gemeinte grüne Umweltpolitik stranguliert europäische Landwirte und Industriebetriebe, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Der großflächige Abbau der Industrie in Europa bringt wenig für das Weltklima, wenn gleichzeitig dafür die Schlote in China und Indien umso mehr rauchen. Europa spielt bei der Erzeugung von Treibhausgasen inzwischen eine untergeordnete Rolle. Laut EU-Parlament liegt der Anteil bei 7,3%. Fossile Energieträger spielen immer noch eine dominierende Rolle weltweit. Chinesische Firmen verdrängen europäische immer mehr. Die Hälfte der Produkte im Baumarkt kommt aus China. Im Online Handel sind Temu, Shein, Alibaba, etc. gewaltig auf dem Vormarsch.
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  • Jürgen Heurich
    Es ist doch super einfach: Angebot und Nachfrage. Würde es keiner kaufen gäbe es keinen Markt dafür. Das gilt fur Temu wie für Billigfleisch. Das könnte man nur durch Verbote regeln aber das will dann wieder keiner weil dann wird man Bevormundet. Was denn nun?
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  • Andreas Gerner
    Leider nur auf den ersten Blick super einfach.

    Dem Konsumenten (von ihm geht die Nachfrage aus) wird die Möglichkeit verwehrt, das konsequent zu meiden.
    Denn die wasserdichten Kennzeichnungspflichten, die nötig wären, fehlen.
    Etwa bei verarbeiteten Nahrungsmitteln (Fertiggerichte usw) oder zubereiteten Speisen (Kiosk, Restaurant...).
    (Analog: wenn Rewe unter eigenem Namen Temu-Ware verkaufen würde, läuft Boykott ins Leere)

    So essen wir auch immernoch in Massen Käfigei und mit Kükentöten erzeugtes Ei, obwohl beides bei uns nicht mehr erzeugt wird.
    Denn in verarbeiteten Produkten (bei Ei hoher Anteil) muss nicht alles drauf stehen.

    Die Lösung:
    Man lässt nur über unsere Grenzen rein, was wasserdicht nachgewiesen auch so erzeugt wurde, wie es den Standards hierzulande entspricht.

    Dann wäre auch eine Zerstörung des Marktes unmöglich, weil dann die Importe nicht spottbillig erzeugt werden können.

    Es hat Gründe, warum das Mercosur-Abkommen eben genau jene Werkzeuge nicht enthält.
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