In den Mainbogen-Gemeinden Sennfeld, Gochsheim, Schwebheim und Grettstadt, dem alten ärztlichen Dienstgebiet SW 05, gab es 2010 noch 19 Hausärzte. Aktuell sind es zwar noch 15, aber mehr als die Hälfte haben das 60. Lebensjahr erreicht oder überschritten. Das heißt: In zwei bis drei Jahren hören weitere zehn Ärzte auf.
Und das Schlimmste: Sie alle haben natürlich nach einem Nachfolger gesucht – bisher aber vergeblich. Nun haben sich acht Allgemeinärzte aus dem Mainbogen zu einem außergewöhnlichen Projekt zusammengeschlossen. Sie gründen eine gemeinsame Hausärzte-Praxis mit dem naheliegenden Namen Mainbogen.
In ihrer Sennfelder Praxis präsentieren Michael Donhauser und Gerhard Rauscher das Projekt. Sie sind mit ihrem Sennfelder Kollegen Albrecht Heitsch die Initiatoren. Mit ins Boot gestiegen sind die bei Heitsch tätige Ärztin Petra Meierhofer, die Gochsheimer Ärzte Christian und Steffen van Gelder, Charlotte Krämer und Veit Gillich aus Untereuerheim.
Die Zentrale soll in einem Neubau in Sennfeld sein. Er wird am Eingang zum Wohngebiet Rempertshag stehen. Es ist genug Platz für (rund 80) Parkplätze, die Bushaltestelle ist daneben. Mit eingeplant ist eine Apotheke, Bewerbungen gibt es bereits. Der Sennfelder Gemeinderat beschäftigt sich am 24. und 30. September mit dem Projekt. Seine erwartete Zustimmung vorausgesetzt, wird 2015 gebaut, Anfang 2016 geht es los.
Dann werden aus fünf Praxen zwei, weil eine Filiale des Mainbogenprojekts in Gochsheim bleiben wird. „Die medizinische Versorgung wird in beiden Orten identisch sein“, stellt Heitsch klar und meint damit: Gochsheim ist nicht benachteiligt. Irgendwo musste der Neubau ja hin, nachdem die Grundstückssuche „in der Mitte“ beider Orte (in den Gewerbegebieten) fehlschlug. Die Gründe für die Misere stellen die Ärzte Donhauser (60), Rauscher (64) und Heitsch (63) beim Pressegespräch ausführlich dar.
In Kurzfassung: Man findet – trotz vieler Versuche – einfach keine Nachfolger. Die Zeiten, als der Arzt eine eigene Praxis haben wollte, sind vorbei. Gründe: Der Nachwuchs scheut das finanzielle und unternehmerische Risiko; die Haftung mit Privatvermögen beispielsweise bei der Verschreibung von Medikamenten; keine geregelten Arbeitszeiten.
Und ganz wichtig: 70 Prozent des ärztlichen Nachwuchses ist weiblich. Die Ärztinnen wünschten aber heute eine Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Teilzeit, was in der Hausarzt-Praxis alter Prägung nur schwer möglich sei. Aber eben im neuen Konstrukt.
Albrecht Heitsch spricht von einem Paradigmenwechsel. Man bereite mit dem Projekt dieser Hausärzte-Gemeinschaft zunächst „den Boden für Junge“. Ein weiterer Aspekt von „großer Bedeutung“ sei die Verantwortung für die Patienten und das Personal.
Bauherr der logistischen Ärzte-Zentrale im Rempertshag auf einem einmal für ein Hotel geplanten Standort ist eine GmbH. Wer darin Gesellschafter wird, ist noch offen. Sicher nicht alle der derzeit acht Ärzte, weil einige nur noch punktuell weiterarbeiten werden, eventuell in Teilzeit und das möglicherweise im Angestelltenverhältnis. Man hat zwei Ausbauphasen geplant, weshalb auch die Investitionshöhe noch offen ist. In Phase eins wird es dennoch beachtliche 1000 Quadratmeter allein für die Praxisräume geben.
Man habe aus der Not geboren „das Heft in die Hand genommen“ und mit der Mainbogen-Praxis ein Projekt mit überwiegend Vorteilen ins Leben gerufen. Erstens: Der Patient wird wie bisher von seinem Arzt (des Vertrauens) behandelt. Es sei aber im Krankheits- oder Urlaubsfall immer Ersatz da. Zweitens: Die rund 20 größtenteils sehr erfahrenen Mitarbeiterinnen aller Einzelpraxen ziehen mit um. Kein Job geht verloren.
Drittens: Die Entlastung von betriebswirtschaftlichen Aufgaben, die Synergieeffekte bezüglich medizinischer Geräte und die bereits angedachte Möglichkeit, das neue Zentrum um Facharztpraxen zu erweitern.
Drei junge Ärzte haben sich bereit erklärt, in diese neue Praxis einzusteigen. Einer ist Philipp van Gelder, der sein Arztexamen 2015 macht und 2018 zum Mainbogenteam stoßen wird. Die Medizin werde immer komplexer, der Einstieg in eine gemeinsame Praxis mit alten Hasen nehme Ängste und sei Rückhalt, begründet er seine Entscheidung. Er weiß, dass die Allgemeinmedizin beim Ärzte-Nachwuchs „hoch anerkannt ist, solche Modelle werden vielen jungen Kollegen den Einstieg erleichtern“, sagt er. Michael Donhauser sagt zu seiner Motivation fürs Projekt: „Ich kann eines Tages guten Gewissens aufhören.“