Das Jahr der großen Krise: 1992. Im Schweinfurter Stadtgebiet ging die Arbeitslosenquote auf die 20 Prozent zu. Im Haushalt brach die Gewerbesteuer weg. Sparen war angesagt. Und da standen vor allem die sogenannten freiwilligen Leistungen im Zentrum. Mit dabei die Kultur. Angst ging um und führte schließlich zu einem Bündnis, das heute noch sehr lebendig und erfolgreich ist: der KulturPackt.
Gegründet wurde er von vier Trägern: Der Kulturwerkstadt Disharmonie, der "Schreinerei" (heute Stattbahnhof), der Blues Agency und nicht zuletzt vom Kulturamt der Stadt unter dem damaligen Leiter Erich Schneider. Den Vorsitz übernahm Ralf Hofmann, der die Bluestage mit ins Leben gerufen hatte, später mit den Honky Tonk-Festivals über die deutschen Grenzen hinaus Furore machte und heute mit seiner Agentur Veranstaltungen plant und organisiert.
Große öffentliche Resonanz fand die Arbeitsgemeinschaft Kulturwoche 1993 mit dem Kultursommer. Auf Unterstützung der Stadt konnte die AG zunächst nicht hoffen, fand aber im damaligen Kulturamtsleiter Erich Schneider einen Förderer, der half, "dass wir nicht über das Ziel hinausgeschossen sind", sagte Hofmann in einem Interview.
Wirtschaftsförderer Hans Schnabel sah sehr schnell die Ausstrahlung, die die Angebote des KulturPackts weit hinaus in die Region haben könnten. "Wir haben Kultur in die Stadt gebracht", heißt es heute, knapp 30 Jahre nach seiner Gründung beim Kulturpackt selbstbewusst.
Warum der KulturPackt gegründet wurde und was München damit zu tun hatte
Anlässlich der Krise kam der Bayerische Rundfunkt mit der Sendung "Jetzte red I" nah Schweinfurt. Hofmann schilderte die Situation der Kultur. Und das Kultusministerium reagierte, sagte 9000 Euro Zuschuss zu. Um diesen verbuchen zu können, musste im Januar 1994 ein Verein gegründet werden. Der KulturPackt. Das "c" im Namen soll die Vielfalt des Vereins demonstrieren. Die Verknüpfung von sogenannter Hochkultur mit der "Soziokultur" war das erklärte Ziel.
Als das Geld nicht reichte, gab es eine Demonstration mit 500 Teilnehmern. Die Anzeige, mit der die Demo im Tagblatt beworben wurde, zahlten rund 50 Geschäftsleute und Unternehmen.
Kultur an ungewöhnlichen Orten – im leeren Schlachthof oder der ehemaligen Molkerei
Der KulturPackt entwickelte schnell sehr viele Aktivtäten. Zunächst das Zelt auf der alten Eisbahn, für das die vier Gründer ihre Mittel zusammenwarfen. Es folgten Kulturforen an ungewöhnlichen Orten, mit Musik, Theater, Performances, Ausstellungen: im leerstehenden Schlachthof, im Ernst-Sachs-Bad, im Zeughaus, in der ehemaligen Molkerei Trinklein.
Die unterschiedlichsten Kulturansätze sollten zusammengeführt werden, erinnern sich Johanna Bonengel, die sich früh im Vorstand engagierte, und der heutige Vorsitzende Ingo Schäfer. Dazu gehörte auch das "Healing-Projekt" im Spitalseebunker. Ein interaktives Theater mit acht bis zehn Mitmacher im Rollenspiel, zu dem man sich international zuschalten konnte.
Die Veranstaltungen sollten professionell sein, aber nicht kommerziell
All diese Aktivitäten konnte die Stadt nicht übersehen und bewilligte schon bald einen jährlichen Zuschuss für Veranstaltungen, das Büro, zunächst am Hauptbahnhof, dann am Schelmsrasen und seit 2005 in der Burggasse, also im Herzen der Stadt, sowie den Geschäftsführer, Gerald (Jimij) Günther, bei dem alle Aktivitäten zusammmenlaufen, müssen die Mitglieder durch ihre Beiträge finanzieren.
Die Veranstaltungen sollten professionell, aber nicht kommerziell sein, sagt Günther. "Wir wollen keine Bratwurstkultur."
Kirchenchor im Stattbahnhof: Die Nacht der Kultur stellt alles auf den Kopf
Ein großer Erfolg wurde "Die Nacht der Kultur", die Künstlern aus der Region ein Forum geben sollte, an "verRückten" Orten. Beispielsweise mit einem Kirchenchor im Stattbahnhof oder Hiphop in der Alten Reichsvogtei, als dort noch die Städtischen Sammlungen beheimatet waren.
Weitere "Leuchttürme" sind das Kulturkaufhaus in leerstehenden Häusern, in dem sich lokale Kreative zeigen können, das Kunst-Karrée, zu dem sich mehrere Galerien rund um das Zentrum zusammenschlossen. Alljährlich finden der Pflasterklang von Straßenmusikanten tagsüber in der Innenstadt, abends an der Gutermann-Promenade und die Kurzfilmtage statt. Die Kultur-Gala zum Jahreswechsel genießt Kultcharakter.
Schweinfurt hat sich in den letzten 40 Jahren zur Stadt der Kultur gemausert
In die Stadtpolitik mischt sich der KulturPackt in der Regel nicht ein. Als jedoch der "Theseus" der renommierten Künstler Brigitte und Martin Matschinky-Denninghof durch einen Bürgerentscheid zu Fall gebracht werden sollte, meldete er sich zu Wort. Wie man weiß: vergebens.
Schweinfurt hat sich in den letzten vier Jahrzehnten zur Stadt der Kultur gemausert. Mit dem Theater, den Schäfer-Museen, Kunsthalle, Disharmonie und Stattbahnhof, um nur einige zu nennen. Dass diese eng zusammenarbeiten: kann sich auch der Kulturpackt auf seine Fahne schreiben.
Dennoch hat der Verein mit 330 Mitgliedern auch Sorgen. Die Macher von einst waren vor 30 Jahre jung und werden immer älter. "Und es kommt nix nach", klagen, Johanna Bonengel, Jimij Günther und Ingo Schäfer beim Gespräch in der Burggasse.
In Teil 5 unserer Serie geht es um die Erfindung des Honky Tonk.