
Manchmal ist es eine Art Glücksfall, wenn ein Verein viele Handwerkerinnen und Handwerker, Arbeiterinnen und Arbeiter und Angestellte in seinen Reihen hat. Das gilt in besonderem Maß für den "Verein zur Förderung von Bildung und Kultur Schweinfurt", der vor 40 Jahren gegründet wurde, zunächst in einer Schreinerei am Obertor wirkte und nach einer ziemlich schmerzhaften Auseinandersetzung dort auszog und schließlich im ehemaligen E-Werk am Main 1988 ein neues Zuhause fand.
"Kulturwerkstatt Disharmonie" nannte man das Haus, in unmittelbarer Nähe zum "Harmonie-Gebäude", nicht ohne ironischen Unterton. Zur Absetzung von der etablierten Kultur, zu der die Disharmonie inzwischen mit Fug und Recht gehört, mit einem eigenen Profil.
Erheblicher Widerstand der Stadt gegen Finanzierung der Disharmonie
Eigenleistung war angesagt, um einen Veranstaltungssaal mit Theke, Büros, Sanitäranlagen zu schaffen. Und das nach den Plänen des Mitglieds und Architekten Reinhard Greipel, der dem Verein großzügig zur Seite stand, erinnert sich Norbert Lenhard, einer der Macher der ersten Stunde. Das Haus musste entkernt, neu gegliedert werden. Da war nicht nur Muskelkraft gefragt, da war es schon gut, wenn Mitglieder mit Strom, Wasser und Heizung in ihrer Freizeit umzugehen wussten.
Unterstützt wurde die Disharmonie vor allem vom damaligen Oberbürgermeister Kurt Petzold und dem Leiter des Kulturamts und Theaters Günter Fuhrmann. "Sozikultur" nannte man das. Vorbilder gab es in Bamberg, Frankfurt oder Nürnberg, auch in Würzburg. Mit einem Unterschied: Die Bewegung in Schweinfurt wurde nicht mehrheitlich von Studierenden getragen.

Wichtig war die Frage der Finanzierung. Der Verein sprach von einer gesellschaftlichen Aufgabe, die auch von der Stadt zu finanzieren sei. Dies durchzusetzen war nicht einfach. Es gab erheblichen Widerstand, vor allem aus der CSU ("Freiwillige Leistung"), aber auch der SPD. In German Cramer, dem CSU-Stadtrat, fand die Disharmonie jedoch unerwartet einen starken Fürsprecher. Anträge für den städtischen Haushalt wurden immerhin reduziert genehmigt, in Zeiten der Krise 1992/93 und dann wieder 1997/98 aber auch gekürzt.
Mit Anleihen ("Sympathieaktien") und persönlichen Bürgschaften hielt sich der Verein über Wasser. Nach und nach fanden sich immer mehr Sponsorinnen und Sponsoren. Wenn man auf ihre Liste zum 30-jährigen Bestehen des Vereins schaut, erkennt man unschwer, dass die Disharmonie und damit die Soziokultur inmitten der Schweinfurter Gesellschaft angekommen war. "Was früher provoziert hat, juckt heute keinen mehr", sagt Geschäftsführer Jürgen Dahlke. "Heute geht auch kaum einer im Anzug ins Theater."
Bekannte Namen begannen in Schweinfurt und füllen heute große Hallen
Die Disharmonie wollte sehr breit angelegt sein. Die unterschiedlichsten Gruppen zusammenbringen. Einen niederschwelligen Zugang zur Kultur schaffen, wie Jürgen Dalke betont. Stichwort "Kultur für alle". Literatur, Kabarett, internationale (irische und lateinamerikanische) Musik, Theater fanden hier Platz, die Schwulengruppe SASCH, Frauen- und Umweltgruppen, der Tauschring trafen sich hier. Die "Initiative gegen das Vergessen" war hier ebenso angesiedelt wie die "Alternativen Stadtführungen".
Mit dem Zeltfestival strahlte die Disharmonie über die eigenen Räume hinaus. Die Kabarettisten Urban Priol, Frank-Markus Barwasser (Pelzig) oder Ingo Appelt konnten sich hier ausprobieren, waren mit Gagen zwischen 200 und 300 Mark zufrieden und spielen heute in großen Häusern in der ersten Liga. Erfolgreich war das Open-Air-Kino, ein Glanzlicht waren die Theaterinszenierungen des kürzlich gestorbenen Bernd Lemmerich. Auch das Kindertheater.

Der erfolgreiche Pianist Michael Wollny, der als 18-Jähriger seinen Zivildienst im Haus abgeleistet hat, hat hier gespielt, wie auch Jan-Peter Itze, der in diesem Jahr den Kulturpreis der Stadt erhalten hat.
Der Verein zählt heute 700 Mitglieder, macht mit 22.000 Besucherinnen und Besuchern 500.000 Euro Umsatz. Das heißt, er erwirtschaftet 90 Prozent seiner Kosten selbst. Professionalität wurde bald zum Anspruch. Um Kommerz sollte es jedoch nicht gehen. Das Interesse ist jedoch so groß, dass immer wieder in größere Räume gewechselt wird. Die Stadthalle, das Theater (Evangelisches Gemeindehaus), die Kulturhalle Grafenrheinfeld.
Alles nur positiv? Das Projekt "Main-Café", das zeitweise auch von der Lebenshilfe getragen wurde, hat der Disharmonie nichts gebracht. Es steht inzwischen seit drei Jahren leer. Die Stadt tut sich offenbar schwer, eine Pächterin oder einen Pächter zu finden. Und das, obwohl das Café an einem der attraktivsten Radwanderwege in Bayern liegt.
In Teil 4 unserer Serie geht es darum, wie ein Schweinfurter das Honky Tonk mit erfunden hat.