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SCHWEINFURT
Anklage gegen mutmaßlichen Lackkratzer
Nie wieder versichert: Versicherungsbetrug kann schlimme Folgen haben       -  Der mutmaßliche Lackkratze könnte demnächst vor Gericht stehen.
Foto: Jens Schierenbeck, dpa | Der mutmaßliche Lackkratze könnte demnächst vor Gericht stehen.
Benjamin Stahl
 und  Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:04 Uhr

Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt erhebt Anklage gegen den 25-Jährigen, der für die Lackkratzer-Serie im Raum Würzburg und Schweinfurt verantwortlich sein soll. Ihm wird die Beschädigung von 1700 Fahrzeugen zur Last gelegt. Gesamtschaden: rund 2,3 Millionen Euro. Dies teilt die Leitende Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein in Schweinfurt mit.

Auf frischer Tat ertappt

Der 25-Jährige mit Hauptwohnsitz in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) wurde Mitte April in Schweinfurt „auf frischer Tat“ ertappt, so Haderlein. Der Student schweigt zu den Vorwürfen. Er wird in Schweinfurt für eine Serie von Beschädigungen an rund 100 Autos verantwortlich gemacht. Nach seiner Festnahme war er in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden. „Mittlerweile befindet sich der Beschuldigte wieder auf freiem Fuß, da nach dem eingeholten psychiatrischen Gutachten die Voraussetzungen nicht mehr vorlagen“, so Haderlein weiter.

Nach der Festnahme liefen die Ermittlungen auf Hochtouren weiter, erklärt die Leiterin der Staatsanwaltschaft. Neben den 100 Verfahren im Raum Schweinfurt habe man auch die viel umfangreicheren Taten im Raum Würzburg übernommen: mehr als 1500 Fälle.

Nächtliche Kratzserien und eine aufmerksame Zeugin

In der Stadt und dem Landkreis Würzburg sowie im benachbarten Landkreis Main-Spessart hatten ein oder mehrere Lackkratzer im vorigen Jahr monatelang die Autobesitzer verunsichert. Der Unbekannte schlich – ausgerüstet mit einem spitzen Gegenstand – unbemerkt durch Thüngersheim, Margetshöchheim und Zellingen sowie durch Stadtteile von Würzburg. Er rammte die Spitze in den Lack und zog wilde Spuren ins Blech; teils – wie in Zellingen – 130-mal in einer Nacht, ohne dass nur ein einziger Anwohner etwas bemerkte.

Im April hatte eine Anwohnerin in Schweinfurt morgens um 3 Uhr Kratzgeräusche auf der Straße gehört und den Kratzer gesehen. Sie hatte die Polizei gerufen. Ihr stehen nun 5000 Euro Belohnung zu. Die gibt es eigentlich erst, nachdem das Urteil rechtskräftig ist, erklärt ein Sprecher des Landeskriminalamtes. Doch die Staatsanwaltschaft könne die Zahlung schon vorher freigeben, „wenn kein Zweifel an der Schuld des Täters besteht“.

Es gibt noch keinen Haftbefehl

Ob der 25-Jährige vor Gericht muss, steht aber noch nicht fest. Die Anklage muss vom Landgericht erst geprüft und zur Verhandlung zugelassen werden. Eigentlich wäre Sachbeschädigung (Strafrahmen zwei Jahre) ein Fall fürs Amtsgericht, wären da nicht die vielen Fälle und der hohe Sachschaden.

Wie Verteidiger Bernhard Löwenberg gegenüber dieser Redaktion erklärte, habe die Staatsanwaltschaft sofort „Haftbefehl wegen Fluchtgefahr beantragt“, als sein Mandant aus der Klinik entlassen wurde. „Aber das Amtsgericht hielt das nicht für angemessen – und das Landgericht dann, trotz Beschwerde der Staatsanwaltschaft, im zweiten Anlauf auch nicht.“

Sein Mandant habe „bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten“. Löwenberg betont: Auch nach der Festnahme im April habe die Polizei weitere Lackkratzereien registriert. „Vielleicht sind diese Täter auch für manche der 1700 angeklagten Taten verantwortlich?“

Entschädigung schwierig

Den Opfern hatte der Würzburger Anwalt Julian Pfeil nur wenig Hoffnung auf Entschädigung gemacht. Dass der Student selbst im Fall eines Schuldspruches 2,3 Millionen Euro aufbringen kann, ist unrealistisch. „Die Teilkaskoversicherung zahlt solche Schäden auch nicht“, so der Verkehrsrechtler der Kanzlei Steinbock & Partner. Die Vollkaskoversicherung reagiere auf solche Forderungen häufig mit steigenden Versicherungsbeiträgen. Die könne man beim Täter wiederum geltend machen – wenn bei ihm etwas zu holen ist.

Wie Pfeil rät auch sein Kollege Wolfgang Wüst Geschädigten, Ansprüche anzumelden und einen Titel zu erwirken – je schneller, desto besser. Denn wenn ein Gerichtsvollzieher etwas Pfändbares findet, bekämen Gläubiger, die zuerst Ansprüche angemeldet hätten, den ersten Zugriff.

 
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