Ins Rathaus nach Waigolshausen gekommen war Steffen Beutert, Leiter des Amtes für Soziales und Flüchtlingsbeauftragter im Landratsamt Schweinfurt, um den Gemeinderat in der ersten Sitzung des neuen Jahres dafür zu gewinnen, dem Landkreis Schweinfurt das örtliche Freizeitzentrum als Notunterkunft für 150 Flüchtlinge im Rahmen einer präventiven Winter-Nottfallreserve zur Verfügung zu stellen.
Zwar erhielt Beutert Anerkennung für seinen hartnäckigen Einsatz um Zustimmung, was aber nichts daran änderte, dass sich die große Mehrheit des Gemeinderates am Ende gegen die Anfrage des Landratsamtes aussprach. Wie Beutert dem Gemeinderat berichtete, hat die Regierung von Unterfranken die Kreisverwaltungsbehörden aufgefordert, in jedem Landkreis winterfeste Notunterkünfte mit 200 Plätzen als sogenannte Winter-Notfallreserve vorzuhalten.
Aktiviert würden sie mit einer Vorlaufzeit von 72 Stunden, wenn das Anker-Zentrum in Geldersheim aufgrund hoher Zugangszahlen von Asylsuchenden und Flüchtlingen ausgelastet sei und auch keine Plätze mehr für die langfristige Anschlussunterbringung in dezentralen Unterkünften zur Verfügung stehen. In diesem Fall würden die geplanten Notunterkünfte als Puffer für die kurzzeitige Erstversorgung und für eine geordnete Weiterleitung in dezentrale Unterkünfte eingesetzt.
Auslöser ist der starke Anstieg der Asylbewerberzahlen
Hintergrund für die geforderte Winter-Notfallreserve ist der starke Anstieg der Asylbewerberzahlen. Die drastische Entwicklung beim Zugangsgeschehen schilderte Beutert dem Gemeinderat detailliert anhand der Zahlen in der Anker-Einrichtung in Geldersheim, die zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge in Unterfranken ist.
Kamen zwischen März 2016 und Juni 2021 pro Monat durchschnittlich 180 Menschen im Anker-Zentrum an, waren es zwischen Juli 2021 und Juni 2022 bereits 560 pro Monat. In der zweiten Jahreshälfte 2023 zählte die Anker-Einrichtung monatlich über 860 Zugänge. Im gesamten Jahr 2023 wurden 6740 Asylsuchende und 1204 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen.
Als erste Notunterkunft mit circa 80 Plätzen hat der Landkreis laut Beutert bereits die Stadthalle Gerolzhofen in das Winternotfallkonzept eingeplant. Die zweite mögliche Notunterkunft soll das Freizeitzentrum Waigolshausen werden. Aktuell habe der Landkreis seine Quote an Flüchtlingen, die er aufnehmen muss, noch übererfüllt.
Es werden kontinuierlich dezentrale Unterkünfte für die Anschlussunterbringung gesucht
Außerdem fahre das Amt für Soziales in Abstimmung mit Landrat Florian Töpper die Strategie, kontinuierlich dezentrale Unterkünfte für die Anschlussunterbringung von Menschen aus dem Ankerzentrum anzumieten. So soll vermieden werden, dass im Falle kurzfristiger Zuweisungen und Verteilungen aus dem Ankerzentrum der Rückgriff etwa auf Turnhallen notwendig wird, erklärte Beutert. Gänzlich ausgeschlossen werden könne es aber nicht.
Verständnis äußerte der Gemeinderat zwar für die Notwendigkeit, Flüchtlinge unterbringen zu müssen, verband dies aber mit der Aufforderung, nach geeigneteren Objekten zu suchen. Denn das Freizeitzentrum sei das "Herzstück der Gemeinde" (Wolfgang Strobel), das über das ganze Jahr für Veranstaltungen der Vereine, sportlichen Trainingsbetrieb bis hin zu Volkshochschule und den Schulsport der Grundschüler gebraucht werde.
Ein Wegfall wäre ein "riesengroßer Einschnitt ins Dorfleben", meinte Thomas Steinlein, den er der Bevölkerung nur sehr schwer erklären könnte. Wolfgang Strobel warf die Frage auf, ob der Gemeinderat aufgrund dieser Gegebenheiten überhaupt zustimmen könne.
Vorbehalte gegenüber einer Nutzung wurden weitgehend entkräftet
Andere Vorbehalte gegenüber einer Nutzung als Notunterkunft konnte Beutert weitgehend entkräften. So habe der Landkreis Hallenschutzböden angeschafft, Reparaturen würden übernommen, für die Nutzung der Halle Miete gezahlt, ein Sicherheitsdienst sei rund um die Uhr vor Ort, weshalb auch der Brandschutz anders zu bewerten sei. Zu Bedenken hinsichtlich von Fehlverhalten der untergebrachten Personen ("im Ort ist nichts los") meinte Beutert, dass diese während der in der Regel auf wenige Tage begrenzten Unterbringung ein "sportliches Programm" durchliefen.
Nadja Schuler äußerte die Befürchtung, dass die Halle nach einer Belegung länger ausfalle, weil der Strom an Flüchtlingen so schnell nicht abreißen würde. Bei anderen Gemeinden nachgefragt habe er noch nicht, räumte Beutert auf Nachfrage ein. Ungenutzte Hallen gäbe es aber nirgendwo im Landkreis.
Am Ende der Diskussion sprachen sich neun Gemeinderäte dagegen aus, das Freizeitzentrum präventiv als Notunterkunft im Winternotfallkonzept zu berücksichtigen. Drei Mitglieder des Gremiums und der Bürgermeister unterstützten die Anfrage des Landkreises.