"Fünf Jahre "Fleischerei". Dann mach ich was anderes." Mike Mangold hat das von Anfang an gesagt. Geglaubt hat ihm das allerdings so recht keiner. Oder besser gesagt: Niemand wollte das glauben. Denn die Gastro-Szene in Schweinfurt wird ohne Mike Mangold ärmer.
Jetzt ist es soweit: Am Samstag, 17. September, hat die Fleischerei in der Spitalstraße zum letzten Mal auf. Mike Mangold zieht nach Mallorca. In Mancor Del Valle im Tramuntana-Gebirge hat er sich vor einiger Zeit in ein altes Haus verliebt. Hier will er leben und auch Urlauber empfangen: Das Haus hat zwei Gästezimmer. Der Barista wird Hotelier.
Aber erst mal zurück nach Schweinfurt. 2009 eröffnete Mike Mangold das "Viva Barista" in der Judengasse. Die Café-Bar mit Kino-Stühlen, antiker Theke, dem Stechkaren-Regal und der Kaffeemaschine als Herzstück entwickelte sich schnell zum Kult-Treff. Man kam nicht nur wegen des Espressos und des Cappuccinos, sondern auch wegen der Atmosphäre. "Ein bisschen wie in Berlin", sagt Mangold in Rückblick.
2017 eröffnete Mangold die "Fleischerei" in der Spitalstraße 19. Vorher war hier das Süßwaren-Geschäft Hussel, ganz früher die Metzgerei Kast. Mike Mangold brachte zusammen mit seinem Vermieter Axel Feyh die Schönheit des Gebäudes wieder zum Strahlen: Stuck-Friese an den Wänden, ein wunderschöner Fußboden, Kacheln und Spiegel an den Wänden. "Einiges wurde da investiert."
Die Einrichtung war auch hier wieder mit ganz eigenem Charme. Turngeräte als Sitzmöbel, Holzbürostühle aus den 30-er Jahren, Tische und Stühle mit Patina. Und an der Wand die Leuchtschrift "Fleischerei". Auf ebay hat er sie entdeckt. Sie wieder zum Leuchten zu bringen, war nicht so einfach. Das schaffte eine Spezialfirma, das war auch nicht ganz billig. Für Mangold ist die Leucht-Reklame das Zentrum seiner Fleischerei. Als sie ein paar Wochen weg war, um sie wieder zum Leuchten zu bringen, hat er sie schwer vermisst.
Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken wegen 2G-Regelung
Fällt der Abschied schwer aus Schweinfurt? Geht er mit einem lachenden und einem weinenden Auge? Die Frage hört Mike Mangold (56) öfter. Klar, er hängt an Schweinfurt, schaut gerne auf seine Zeit hier zurück. Aber er freut sich auf das Neue, das ihn in Mallorca erwartet. Außerdem: "Das weinende Auge hat mich vor zwei Jahren verlassen. Corona hat viel Geld, viel Nerven, viel Motivation gekostet", sagt er. Den Laden am Laufen zu halten, trotz der Beschränkungen, war nicht einfach. Mangold hat sich einen Job bei Edeka gesucht, Kisten geschleppt, Lager eingeräumt.
Um so härter hat ihn getroffen, wie er in den sozialen Netzwerken beschimpft wurde, als er als erster Gastronom in Schweinfurt die 2-G-Regel einführte: Zutritt nur für Geimpfte und Genesene. Als Nazi und als Faschist sei er beschimpft worden, plötzlich tauchten viele google-Bewertungen mit nur einem Stern auf. "Da haben die uns echt auseinandergenommen."
Essen zum Mitnehmen lief gut und half der Fleischerei in der Pandemie
Auf der anderen Seite, die Kundinnen und Kunden, die der "Fleischerei" die Treue hielten, geduldig anstanden für einen Kaffee oder sich Essen für daheim abholten. "Die Leute haben uns echt getragen", freut er sich. Essen zum Mitnehmen – das Angebot sei super angenommen worden. Es gab zum Beispiel Suppen in Weckgläsern oder auch mal Leberkäse-Brötchen. "100 Leberkäse-Brötchen an einem Samstag verkauft. Das war unglaublich", sagt Mangold.
Mangold hat aus der Pandemie aber noch andere Lehren gezogen. "Wir haben alle nur ein Leben", zum Beispiel. Irgendwann hat mal jemand gesagt, dass wichtigste sei, gesund zu sterben. Den Satz fand er damals etwas komisch. Mittlerweile schätzt er ihn. Um Lebensqualität geht es ihm bei seinem Umzug nach Mallorca. Sein Haus –"es hat mich gefunden" – hat er in seinem typischen Mike-Stil eingerichtet: schlicht, mit Erinnerungen an die Geschichte des Hauses, mit Farb-Akzenten. Und mit Erinnerungen aus und an Schweinfurt. Eine Skulptur der Schweinfurter Bildhauerin Steff Bauer hängt an der Wand. Passender Titel: Die Überfahrt.
Auch das Goldene Schörschle zieht mit um, ins Haus auf Mallorca
Es gibt aber noch mehr aus Schweinfurt in Spanien: Mike Mangold hat vor neun Jahren mit seiner Schwester Susanne Mangold das Catering im Schweinfurter Theater übernommen. Zwei Kakteen, die dort standen, hat er mitgenommen. Wenn die Fleischerei zu ist, nimmt er noch das "Goldene Schörschle", das Schweinchen mit, das im Fenster steht. 2018 wurde ihm die Auszeichnung von der Werbegemeinschaft "Schweinfurt erleben" für sein innovatives Konzept verliehen.
Einen Ehrenplatz bekommt auch die Zeichnung des Schweinfurter Künstlers Heinz A. Böhm. Mangold als Mischwesen Mensch-Schwein, Kaffeetrinkend an einem Haken hängend: Das wird sicher ein schönes Gesprächsthema geben in Mancor del Valle.
Mike Mangold hat übrigens eine schöne Eselsbrücke gebaut, damit sich die Leute den Namen seiner mallorquinischen Heimat merken können. Einfach das erste Wort mit Mangold ersetzen und raus kommt Mangold del Valle. Wird er jetzt auch Spanier? Auf keinen Fall, sagt Mike Mangold. "Ein Schweinfurter kann kein Spanier sein."
Es gibt eine Nachfolgerin für die Fleischerei in Schweinfurt
Er freut sich auf den letzten Arbeitsabschnitt, auf neue Aufgaben, sagt er. "Wenn Du aufhörst, in Dich selbst zu investieren, wirst Du alt." Ganz will er die Gastronomie nicht lassen, denkt auch darüber nach, für Firmenevents ab und an nach Deutschland und nach Schweinfurt zu kommen. Wie sich die Stadt verändert, wie sich entwickelt, interessiert ihn sehr.
Eine Café-Bar wird es wird übrigens weiterhin in den Räumen der "Fleischerei" geben. Mangold hat eine Nachfolgerin gefunden. Ab Oktober soll es weitergehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management