Wie lief die erste Schicht am ersten Gültigkeitstag des 9-Euro-Tickets im Raum Schweinfurt? Es bedarf nur dieser einen Frage, und Zugbegleiterin Laura Fromm (Name geändert) lässt ihrem Frust freien Lauf. Sichtlich aufgebracht und nur mit kurzen Unterbrechungen für einen Zug an ihrer Zigarette berichtet sie von ihrem ersten Arbeitstag nach Einführung des 9-Euro-Tickets: "Mein Stresslevel steht bis hoch an die Decke", sagt die 32-Jährige am frühen Mittwochnachmittag am Schweinfurter Hauptbahnhof. Soeben hat sie ihre letzte Fahrt für diesen Tag mit der Erfurter Bahn von Meiningen, über Mellrichstadt und Ebenhausen bis Schweinfurt hinter sich gebracht.
Viele Fahrgäste und zahlreiche Diskussionen in der Bahn
Von uneinsichtigen und diskussionswütigen Fahrgästen berichtet sie. Von fehlenden Personalausweisen – das Neun-Euro-Ticket muss zusammen mit einem Identitätsnachweis vorgezeigt werden, da es personalisiert und nicht übertragbar ist – und auch von nicht unterschriebenen Fahrkarten. Von Radfahrerinnen und Radfahrern, die nicht wissen, dass es zur Mitnahme des Fahrrads ein zusätzliches Ticket braucht. Ihr Fazit: "Die Zeit, die ich normalerweise für drei Abteile benötige, habe ich heute für eins gebraucht."
Weniger drastisch schildert einer ihrer Kollegen von der Deutschen Bahn, zwei Gleise weiter und etwa eine halbe Stunde später, seine ersten Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket. Auch er will nicht namentlich genannt werden. Zwar habe er ein erhöhtes Aufkommen bemerkt. Erheblichen Mehraufwand hätte dieser Umstand für ihn als Zugbegleiter allerdings nicht bedeutet – noch. Denn er prognostiziert, genau wie seine schon jetzt bediente Kollegin, dass die kritische Phase erst noch kommen werde: Dann nämlich, wenn die Urlaubszeit ansteht und in den Sommermonaten allerlei Feste in der Region stattfinden.
Und auch in einem weiteren Punkt sind sich beide einig: Wirklich eng wird es vermutlich in den Fahrradabteilen werden – vor allem in denen der kleinen Schienenbusse, wie sie auch die Erfurter Bahn einsetzt. Kommen noch Kinderwägen oder Rollstühle dazu, sei der Platz recht schnell erschöpft: "Ich hatte bereits heute morgen den Fall, dass mehrere Fahrräder einen Kinderwagen blockiert haben. So kommt es immer wieder zu Verzögerungen", erzählt Fromm.
Erfurter Bahn bestätigt Mehrbelastung durch das 9-Euro-Ticket
Bestätigt werden diese Einschätzungen von der Erfurter Bahn selbst. "Die Nachfrage ist groß. Das Fahrgastaufkommen ist deutlich gestiegen", sagt Hella Tänzer, Leiterin Kommunikation, auf Nachfrage dieser Redaktion. Zudem sei die Arbeitsbelastung für Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter mehr geworden: "Die Fahrgäste haben sehr viele Fragen, und es ist viel zu regulieren."
Laut Tänzer seien deutlich mehr Wander- und Kindergruppen mit dem Unterfrankenshuttle der Erfurter Bahn im Netz "Kissinger Stern" unterwegs. Auch Nutzer des "Hopper-Tickets", die üblicherweise erst ab 9 Uhr mitfahren würden, steigen dank des zeitlich unbeschränkt nutzbaren 9-Euro-Tickets nun auf frühere Züge um. So würden sich Stoßzeiten am Morgen sowie zum Feierabendverkehr ergeben. "Wir beobachten genau das Fahrgastaufkommen und reagieren im Rahmen unserer Möglichkeiten. Allerdings ist zu sagen, dass die Kapazitäten hinsichtlich Fahrzeugen und Personal begrenzt sind", so Tänzer.
Weniger angespannte Situation in den Schweinfurter Stadtbussen
Entspannter ist die Lage auf der Straße. Spricht man mit einigen der Busfahrerinnen und Busfahrer, die am Mittwochnachmittag Halt am Schweinfurter Roßmarkt machen, bestätigt sich der recht übliche Eindruck des Treibens auf dem Busbahnhof. Einerseits hätten sich bereits zahlreiche Fahrgäste das Ticket schon im Voraus besorgt, berichtet einer der Fahrer. Andererseits verkaufe man "jetzt halt 9-Euro-Tickets statt normaler Fahrkarten". Ein extremer Mehraufwand sei das nicht wirklich. Und voll besetzt seien sowieso vor allem die Linien, die das ohnehin schon vorher waren.
Diskussionsbedarf gibt es aber auch hier. Vor allem die Tatsache, dass das E-Ticket in den drei Monaten des 9-Euro-Tickets ausgesetzt wird, müssen die Fahrerinnen und Fahrer immer wieder erklären. "Heute ist es aber schon deutlich besser", erzählt ein Fahrer aus seiner Kabine heraus am Donnerstagmittag. Er vermute, dass sich die Verwirrung darüber bei seinen Fahrgästen in den kommenden Tagen weiter legen werde.
Dirk Wapki, Pressesprecher der Stadtwerke Schweinfurt, bestätigt diese Aussagen. Es sei im Fall der Stadtbusse kein erhöhtes Fahrgastaufkommen zu beobachten gewesen, wenngleich eine "beständig hohe Nachfrage" an 9-Euro-Tickets bestehe. Trotzdem bedeutet die Umstellung ein Plus an Arbeitsaufwand: "Die Arbeitsbelastung ist höher als gewöhnlich. Trotz der verschiedensten Berichterstattungen über das 9-Euro-Ticket haben viele Fahrgäste ,angeblich' noch nie etwas vom 9-Euro-Ticket gehört." Die Zeit, die das Personal zur Information und Beratung benötigt, "wirkt sich dementsprechend auf die Fahrtzeiten aus".
Hohe Belastung für die Busunternehmen im Landkreis Schweinfurt
Unmut herrscht dagegen bei der Firma Metz Omnibusse aus Grettstadt. Das Unternehmen betreibt die Linie 8156 über Mainberg und Schonungen bis Eltmann im Landkreis Haßberge. Auf Nachfrage dieser Redaktion erklärte die Geschäftsführerin und Inhaberin Anita Metz lediglich, sich nicht zum Thema 9-Euro-Ticket äußern zu wollen. Und das sage ja wohl alles.
Deutlicher wird Madeleine Kleinhenz. Die Juniorchefin des Busunternehmens aus Gerolzhofen, das drei Linien im Landkreis Schweinfurt betreibt, berichtet von einem gestiegenen Fahrgastaufkommen, das derzeit allerdings noch zu bewältigen ist. Laut Kleinhenz bedeutet das 9-Euro-Ticket einen "massiven Mehraufwand. Es besteht Beratungsbedarf bei unseren Kundinnen und Kunden, bei unseren Fahrerinnen und Fahrern. Es ist für alle ein extremer Aufwand, vor allem für uns als mittelständischen Betrieb."