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Schnackenwerth
4000 Jahre alte Grabstätte gefunden: Archäologen machen sensationelle Entdeckung im Landkreis Schweinfurt
In Schnackenwerth (Lkr. Schweinfurt) wurde ein 4000 Jahre altes Grab mit zwei Erwachsenen und einem Kind ausgegraben. Das gibt Wissenschaftlern ein Rätsel auf.
Ein 4000 Jahre altes Grab aus der Zeit der Schnurkeramik haben Archäologen bei der Ausgrabung einer Linearbandkeramik-Siedlung in Schnackenwerth (Lkrs. Schweinfurt) gefunden. Grabungsleiter Marcel Günther zeigt, warum das das sensationell ist: In dem Grab wurden drei Menschen bestattet, zwei Erwachsene und ein später beigesetztes Kind (Mitte), was für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich ist, weil Verstorbene in der Regel einzeln beigesetzt wurden.
Foto: Anand Anders | Ein 4000 Jahre altes Grab aus der Zeit der Schnurkeramik haben Archäologen bei der Ausgrabung einer Linearbandkeramik-Siedlung in Schnackenwerth (Lkrs. Schweinfurt) gefunden.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:53 Uhr

Eigentlich waren die Archäologen auf der Suche nach Überresten einer Siedlung der Linearbandkeramik, die um 5000 vor Christus bei Schnackenwerth (Landkreis Schweinfurt) existiert hat. Was sie entdeckten, ist einmalig in Nordbayern: Sie legten ein 4000 Jahre altes Grab aus der viel späteren Epoche der Schnurkeramik um 2000 vor Christus frei. Das Sensationelle daran: Es handelt sich nicht um eine für diese Zeit typische Einzelbestattung, sondern in dem Grab liegen drei Personen – zwei Erwachsene und ein Kind, das später beigesetzt wurde.

"Das ist außergewöhnlich", sagt Dr. Andreas Büttner, der zuständige Archäologe vom Landesamt für Denkmalpflege (LfD) in Bamberg, und es stellt die Wissenschaftler vor ein Rätsel: In welcher Beziehung standen die Bestatteten zueinander und warum wurden sie in einem Grab beigesetzt?

Erkennbar ist das Geschlecht an der Stellung des Schädels

Die archäologische Bergung des nahezu unberührten Grabes erfolgt unter widrigsten April-Wetter-Bedingungen. Es stürmt und regnet. Schon nach ein paar Schritten über das Grabungsfeld klebt der aufgeweichte Lehmboden schwer an den Schuhen. Gummistiefel wären jetzt von Vorteil. Das erkennt auch Bürgermeister Sebastian Hauck, der direkt vom Rathaus in Werneck herüber geeilt ist, um den außergewöhnlichen Grabfund in dem kleinen Ortsteil seiner Marktgemeinde zu begutachten.

Der Schädel des Kindes ist nach Westen ausgerichtet, woraus die Archäologen schließen, dass es ein Junge war. Frauen blickten gen Osten.
Foto: Anand Anders | Der Schädel des Kindes ist nach Westen ausgerichtet, woraus die Archäologen schließen, dass es ein Junge war. Frauen blickten gen Osten.

Grabungsleiter Marcel Günther steigt in die Grube und erklärt, was ein Fachmann hier sieht. Etwas erhöht liegt das Kind in Hockstellung, auf die rechte Körperseite gedreht. "Es war ein Junge, vielleicht vier Jahre alt." Erkennbar sei das Geschlecht an der Stellung des Schädels. Bei männlichen Toten wurde dieser nach Westen gedreht, bei Frauen nach Osten. Etwas tiefer daneben befinden sich die Überreste der Erwachsenen: der Schädel der Frau, ihr linker Oberarm und Teile der Oberkörperknochen. Vom Mann sieht man nur Schädelreste mit angegrauten Zähnen, er war also schon etwas älter, einen Beckenknochen und den Oberschenkel.

Der Grabungsleiter geht davon aus, dass sich die weiteren Skelettreste der Erwachsenen noch in der Erde daneben oder darunter befinden. Denn die erhöhte Lage des Kindes zeige, dass zuerst die Erwachsenen bestattet und später die Knochen des Mannes und der Frau einfach zur Seite geschoben wurden, um den Jungen in die Mitte zu betten.

Doch warum wurde Jahre später hier noch ein Kind bestattet? "Klassisch ist in der Schnurkeramik die Einzelbestattung", erklärt Archäologe Büttner. "Bei zwei Individuen wird man schon stutzig." Dass ein Grab dann noch für eine dritte Bestattung, die des Kindes, geöffnet wurde, das hielt man eigentlich für "unmöglich".

Die Skelettreste werden wissenschaftlich untersucht

"Für uns Archäologen ist das ein Sensationsfund", sagt Büttner, "ein Mosaiksteinchen, das wir zur Geschichte beitragen können." Die Skelettreste kommen deshalb nicht, wie sonst üblich, zur Aufbewahrung in die anthropologische Staatssammlung nach München, sondern werden für wissenschaftliche Untersuchungen in die LfD-Außenstelle nach Bamberg gebracht. Mit Gen-Analysen könne man feststellen, ob eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Bestatteten bestand, erklärt Büttner. Man erhofft sich wichtige Erkenntnisse.

Die Linien und Muster in diesem Keramikgefäß weisen auf Schnurkeramiker hin. Damals wurden Verzierungen mit einer Schnur in das Material gedrückt.
Foto: Anand Anders | Die Linien und Muster in diesem Keramikgefäß weisen auf Schnurkeramiker hin. Damals wurden Verzierungen mit einer Schnur in das Material gedrückt.

Im Grab befinden sich auch verschiedene Beigaben: ein verzierter Becher und eine Pfeilspitze für den Mann, ein weiterer Becher und ein Knochenpfriem für die Frau. Das spitz zulaufende Werkzeug wurde für die Bearbeitung von Leder verwendet, man konnte damit Löcher durch dicke, feste Materialien stechen. Das Kind hatte keine Grabbeigaben. Dass sich die Pfeilspitze im Gefäß und nicht daneben befand, ist für die Archäologen ein weiterer Beleg, dass das Grab ein zweites Mal geöffnet wurde. Bei der späteren Bestattung des Kindes seien die Reste des vorhergehenden Grabes einfach zur Seite geräumt worden, erklärt der Grabungsleiter.

Linien und Muster wurden mit Schnüren ins Material gedrückt.

An der Verzierung des gefundenen Bechers erkennen die Archäologen, dass dieses Grab aus der Zeit der Schnurkeramik stammt und damit 3000 Jahre jünger als die darunter liegende Linearbandkeramik-Siedlung ist. Denn in der bandkeramischen Kultur, der ältesten bäuerlichen Kultur der Jungsteinzeit Mitteleuropas mit ersten sesshaften Siedlern, wurden die Muster noch mit Stroh in die Keramik gedrückt. Zweieinhalbtausend Jahre später zog man Linien und Verzierungen dagegen mit einer Schnur ins Material, daher auch der Name Schnurkeramik. Bei dem gefundenen Becher ist dies der Fall.

Archäologe Dr. Andreas Büttner vom Landesamt für Denkmalpflege leitet die Ausgrabungen in Schnackenwerth.
Foto: Anand Anders | Archäologe Dr. Andreas Büttner vom Landesamt für Denkmalpflege leitet die Ausgrabungen in Schnackenwerth.

"Mit so einem Fund hatten wir nicht gerechnet", freut sich Archäologe Büttner über die Entdeckung des Grabes. Seit 2002 wird hier am Ortsrand von Schnackenwerth gegraben. Dass hier eine Siedlung aus der Jungsteinzeit (Neolithikum) zu vermuten ist, war durch Luftbildaufnahmen aus den 1990er-Jahren und Funden bei Feldbegehungen bekannt. Im Zuge der Erschließung eines neuen Baugebietes an dieser Stelle starteten deshalb Anfang 2000 die archäologischen Rettungsgrabungen. Systematisch wird seitdem Stück für Stück die Siedlung ausgegraben.

Die Siedlung stammt aus der Zeit von 5300 vor Christus

Archäologe Büttner ordnet die Siedlung in die 5300 vor Christus einsetzende Kolonialisierungsbewegung aus Mesopotamien ein, die die erste bäuerliche Kultur nach Europa brachte. Ziel der Grabungen ist es, das Bodendenkmal zumindest in einigen Teilbereichen freizulegen, zu vermessen und zu dokumentieren sowie Fundstücke zu bergen.

Weil die Gemeinde elf weitere Bauplätze hier erschließen will, sind die Grabungen seit Ende November vergangenen Jahres wieder intensiviert worden. Der Laie sieht auf dem weitläufigen Areal viele "Löcher" und große Erdhaufen. Der Archäologe spricht von Befunden. Die rechteckigen Gruben sind teilweise bis zu 1,60 Metern tief. Insgesamt 515 solcher Befunde hat Grabungsleiter Marcel Günther auf der neuen Baugebietsfläche gezählt. Anhand der Verfärbungen des lehmbraunen Bodens kann er zum Beispiel die Umrisse eines Hauses erkennen.

Alle Fundstücke werden fotografiert, gezeichnet und vermessen, bevor sie abtransportiert werden.
Foto: Anand Anders | Alle Fundstücke werden fotografiert, gezeichnet und vermessen, bevor sie abtransportiert werden.

Funde wie Keramik-Scherben, Steingeräte oder Knochen werden mit ihren Lage-Koordinaten genau bestimmt, um die Siedlungsabfolge später nachvollziehen zu können. Sämtliche Funde werden fotografiert, gezeichnet und punktgenau vermessen.

"Das ist ein großer Aufwand", sagt Grabungsleiter Marcel Günther. Bis Mitte des Jahres will er mit seinem Team alle elf künftigen Bauplätze abgesucht haben, damit die Bauherren loslegen können. Diese müssen letztlich auch die Kosten für die Grabungen tragen, die auf die Erschließungskosten umgelegt werden. Die deutschen Vorschriften verlangen für jedes Bauvorhaben vorab eine archäologische Untersuchung. "Wir wussten ja, dass hier solche Funde zu erwarten sind und dass wir keine andere Alternative für neues Bauland in Schnackenwerth haben", sagt Bürgermeister Hauck.

Bis jetzt gibt es schon 515 Befunde auf dem geplanten Baugebiet am Ortsrand Schnackenwerth.
Foto: Anand Anders | Bis jetzt gibt es schon 515 Befunde auf dem geplanten Baugebiet am Ortsrand Schnackenwerth.
 
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  • clubfan2@gmx.de
    und ich frag mich ernsthaft
    wer heute als Normalverdiener mit Kindern noch bauen kann...
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  • Es gibt überall genug Leerstände bei schrumpfender Bevölkerung. Ich frage mich eher, wer ernsthaft noch glaubt, jeder hätte das Recht auf ein nigelnagelneues Eigenheim im Grünen. Land und Boden sind nicht vermehrbar!
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  • al-holler@t-online.de
    "Ruhe in Frieden" - zumindest sinngemäß galt das sicherlich auch schon in diesen frühen Kulturen und ihren Begräbnisritualen. Jetzt aber werden diese Menschen an Licht gezerrt, vermessen (im weitesten Sinne) und öffentlich zur Schau gestellt. Das ginge sicher alles auch diskreter, wenn an schon nicht darauf verzichten will und kann, sie zu untersuchen. Die Frage nach der Würde des Menschen stellt sich da schon.
    Stellt Euch vor, es wären Eure Kinder, Eltern oder Großeltern. Würdet Ihr diese auch so "prostituieren" wollen?
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  • Die näheren und auch weiteren Verwandten dieser Menschen sind nun aber auch schon etwas länger verschieden... Und hätten nicht bereits früher Wissenschaftler ähnliche Funde genauer untersucht, so wäre der heutige Wissensstand bei "die Welt entstand vor 4400 Jahren". Gut - manche wollen das ja noch immer glauben...
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  • k.a.braun@web.de
    Ich habe mal einen Bericht aus England gelesen, dort gibt es Initiativen, die sich dafür einsetzen, dass in der Archäologie mit den gefundenen sterblichen Überresten würdevoll umgegangen wird und sie nicht zur Schau gestellt werden. Ich persönlich finde die Forschung richtig und wichtig, denn je mehr wir über die Vergangenheit der Menschheit lernen, desto reflektierter können wir selbst leben. Doch die menschliche Würde sollte in dieser Forschung ebenfalls beachtet werden.
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  • Einwohner
    Wen interessiert das? Was hat man davon Jahrtausende altes Zeug auszugraben. Wir sollten unsere Energie und Geld in die Zukunft investieren, nicht in die Vergangenheit.
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Gottseidank gibt es Leute, die das anders sehen.
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  • Einwohner
    Also, was haben wir nun davon außer dass es viel Zeit und Geld und Aufwand kostet? Was kann man damit anfangen? Wo bringt uns das voran? Wobei hilft uns das?
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Da gibts noch ganz andere, zehnmal nutzlosere Dinge, die Unsummen verschlingen.

    Als eines von unzähligen Beispielen: Fußball. Da werden für Millionen Euros Stadien gebaut, damit darin ein paar Heinis einem Ball nachrennen und (zumindest im Profibereich) abermals Millionen Euro kassieren.

    "... Was kann man damit anfangen? Wo bringt uns das voran? Wobei hilft uns das?..."

    Genau: gar nichts.
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  • Einwohner
    Das finanzieren zumeist Vereine und Sponsoren. Außerdem interessieren sich dafür erheblich mehr Leute als für diese alten Scherben und Knochen. Gleiches gilt für Schwimmbäder und sonstige Freizeiteinrichtungen welche von vielen Einwohnern genutzt werden.
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  • Davon träumen Sie, dass das alles von Vereinen und Sponsoren finanziert wird. Bei der subber "Arena" in München wurde maximal das Stadion (wenn überhaupt) von Vereinen gezahlt, der wesentliche Rest (Infrastruktur) wurde vom Steuerzahler gezahlt und damit auch von Nichtbayernfans.
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  • Keine Wissenschaft und Forschung kann beim Streben nach der Zukunft auf den Blick in die Vergangenheit verzichten. Noch dazu gibt es sowas wie Erkenntnisgewinn...
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  • Reinshagen153@t-online.de
    Wenn's auch nicht zum Thema gehört, sieht man nebenbei, aber sehr anschaulich, auf dem unteren Foto die derzeitige, deutsche Baukatastrophe, die neben den Städten auch das weite Umland erfasst - und auch die (einstige) Kulturregion Mainfranken immer mehr in eine Wegwerflandschaft verwandelt - wenn man sich z. B. den Schuhkarton hinter dem rechten Erdhügel ansieht. Der Iphöfer Bm. nannte es "Hundehütten" - worauf in den MP-Kommentaren ein Sturm der Empörung losging.

    Unser Dorf soll hässlich werden II
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