Das Interesse der Estenfelder an den archäologischen Rettungsgrabungen ist ungebrochen wie eine Informationsveranstaltung zeigte. Dr. Michael Hoppe vom Landesamtes für Denkmalpflege berichtete, dass demnächst in einer Fachzeitschrift für Archäologie ein Artikel von ihm über „Estenfelds große Grube“ erscheinen wird.
Wer in diesen Tagen an der Ausgrabungsstätte vorbei geht, kann deutlich erkennen, dass die Arbeiter des Archäologenteams der Fa. Heyse ein schachbrettartiges Grubenmuster in den Boden gegraben haben. Teilweise sind diese Gruben bis zu drei Meter tief, für die Archäologen eine Sensation. In dieser Größe sind sie für Süddeutschland einmalig, auch in ihrer Länge von etwa 30 Metern und der Breite von etwa zwölf Metern.
Und dabei ist das noch nicht einmal die endgültige Größe. Gegraben wird nämlich nur in dem Bereich, in dem einmal die Ortsrandstraße verlaufen wird. Die Experten vermuten, dass sie bisher nur auf die Hälfte des Komplexes gestoßen sind. Der Rest liegt vielleicht verborgen unter dem Spielplatz oder nördlich davon.
Insgesamt stieß man während der Ausgrabungen auf Siedlungstätigkeiten aus drei Zeitepochen. Die älteste, etwa 5500 v. Chr., war die Zeit der Linearbandkeramik. Sie wird so genannt, weil die Menschen damals ihre Tontöpfe mit breiten, eher groben Bändern verzierten. Eingewandert waren sie wahrscheinlich aus Böhmen und hatten auch Pflanzen und Tiere aus ihrer Heimat im Gepäck. Im Kürnachtal angekommen, überzeugte sie sicher der gute Boden, hier ihre Pfostenhäuser mit reetgedeckten Dächern und Lehmwänden zu erbauen. Die Pfosten verrotteten später und hinterließen dunkle Verfärbungen im Boden. Durch sie kann man heute auf die Größe der Häuser schließen.
Neben den Estenfelder Funden gibt es in Bayern nur noch drei Fundstätten aus dieser Zeit. Sie belegen auch, dass die Gegend von Norden nach Süden und nicht umgekehrt besiedelt wurde. Aus der Rössener Kultur stammen die neuesten Funde der Archäologen. Fein verzierte Tongefäße und Scherben, die bezeugen, dass sich die Menschen viel Mühe mit ihren Tonarbeiten machten. Schmuckstück ist ein komplett erhaltenes Tongefäß, das zusätzlich mit schwarzer und weißer Farbe verschönert wurde.
Aus der Hallstattzeit, in der die Kelten auf den Plan traten, fanden sich Grubenhäuser, die meisten davon Wirtschaftshäuser. Hier entdeckten die Archäologen Reste von Webstühlen, Keramikstücke und Bronzegegenstände, Bronzefibeln und Bronzeringe. Eine Grube, die wie ein Kegelstumpf in den Boden getrieben war diente als „Kühlschrank“. In ihr wurden Vorräte aufbewahrt.
Außer vielen „Scherben“ wurden Steingeräte und Pfeilspitzen ausgegraben. Da das Material dafür hier nicht zu finden ist, muss bereits damals Handel getrieben worden sein. Doch die Ausgrabungen legen nicht nur sichtbares Material frei. In der Erde befinden sich auch Pollen die genau analysiert werden. So kann genau festgestellt werden, was damals in der Gegend wuchs oder was die Menschen anbauten. Die Archäologen sprechen von einem „wissenschaftlichen Archiv im Boden“, dessen unvollständige Freilegung immerhin rund 200 000 Euro verschlingen wird.
Drei Kubikmeter Scherbenmaterial in rund 100 Kisten verpackt, warten nach Beendigung der Rettungsgrabung auf die Auswertung. Auf eine Grabanlage stießen die Archäologen nicht. Die könnte sich auch etwas außerhalb der Dorfgemeinschaft befunden haben. Vielleicht auf der kleinen Anhöhe, auf der heute eine Funkmast in die Höhe ragt.
Immerhin: Das Rätsel um eine breite, längliche Verfärbung im Boden ist gelöst. Es handelte sich dabei um ein Fahr- oder Futtersilo von Landwirten – aus neuerer Zeit.