Dass hier eine Siedlung aus der Jungsteinzeit (Neolithikum) zu vermuten ist, war durch Luftbildbefunde aus den 90er Jahren und noch früheren Lesefunden bei Feldbegehungen bekannt, wie die Prähistorikerin zur Vorgeschichte der Grabungen erklärt. Kleinere Sondierungsgrabungen an mehreren Stellen bestätigten 1997 im Rahmen einer Voruntersuchung das Vorliegen eines neolithischen Bodendenkmals.
Ziel der jetzt laufenden Rettungsgrabungen ist es, dieses Bodendenkmal zumindest in einigen Teilbereichen freizulegen, zu vermessen und zu dokumentieren sowie Fundstücke zu bergen, erklärt Dr. Michael Hoppe, Leiter der Außenstelle Unterfranken beim Bayerischen Landesamt für Denkmalschutz.
Nach dem vorsichtigen Abbaggern der oberen Humus- und Erdschicht auf das Niveau des prähistorischen "Laufhorizontes" beginnt die eigentliche Arbeit der Archäologen bei den schwarzen Bodenstellen in den Grabungstrassen. Sie kennzeichnen die Pfostengruben der Pfahlbauten, dem Hausbau begleitende Materialentnahme-, Vorrats- oder auch Abfallgruben, in denen Hausrat verfüllt wurde, wie Petra Haller erklärt. Ihre Lage und Größe wird zunächst tachimetrisch vermessen und jede einzelne auf Millimeterpapier im Maßstab 1:20 gezeichnet. Anhand der Gruben kann sich der Hausquerschnitt der oft 25 auf zehn Meter großen Gehöfte erschließen, so Haller.
Anschließend legen die Archäologen bei jeder Grube Profilschnitte an, das heißt, durch vorsichtige Handgrabung zeigt sich dann das Profil bis zum Grubenboden. Funde wie Keramik-Scherben, Steingeräte oder Knochen werden mit ihren Lage-Koordinaten genau bestimmt, um die Siedlungsabfolge später nachvollziehen zu können, verdeutlicht Haller. Die Profilschnitte dokumentiert sie mit Fotos und Maßstabs-Zeichnungen.
In einem beheizten Büro-Container stapeln sich neben Ordnern, Mappen und Vermessungsplänen bereits Plastikschalen mit Fundobjekten, die noch vor Ort gereinigt und bestimmt werden. Wie sich aufgrund der bisherigen Untersuchungen und Funde abzeichnet, bestand hier in Schnackenwerth wohl um 4600 bis 4500 vor Christus ein sehr großes Siedlungsgebiet mit mehreren Siedlungsabfolgen. Namengebend für diese "linearbandkeramische Siedlung" sind die Linien-Verzierungen auf den Keramikgefäßen.
Einzuordnen ist die Siedlung in die 5300 vor Christus einsetzende Kolonialisierungsbewegung aus dem Balkan, die die erste bäuerliche Kultur nach Europa brachte. Der genaue Verlauf dieser Wanderbewegung kristallisiert sich nach und nach auch in Mainfranken durch zahlreiche Grabungen heraus, so Haller.
Zeitlich sehr enge Eingrenzungen der Siedlung sind anhand von Kohlenstoffisotop-Bestimmungen bei verkohlten Holz-Funden möglich. In Bodenproben schlummern darüber hinaus Pollen von Nutz- und Wildpflanzen, anhand derer frühere Getreidesorten bestimmt und die natürliche Umwelt zur Siedlungszeit rekonstruiert werden kann. Knochenfunde ermöglichen Rückschlüsse auf die Nutztiere.
Den Umfang der noch anstehenden Arbeit, vor dem Haller "in Anbetracht des Winters graut", zeigt ein Rundgang über die Trassen. Dazu zählt ein noch unberührter "gigantischer Grubenkomplex", bei dem es sich um eine ganze umgekippte Häuserwand handeln könnte. Ein sehr diffiziles Vorgehen sei hier notwendig, um etwa Flechtstruktur und Farbreste frei zu legen, so Haller. Abgearbeitet wurde bisher eine Trasse, weshalb "wir händeringend noch Hilfskräfte erwarten". Bei den Rettungsgrabungen, die möglichst vor dem Winter abgeschlossen sein sollen, "auf die Schnelle" eine gute Arbeit ab zu liefern, ist der Anspruch der Archäologen, macht Haller deutlich.