Isabell und Anna stehen an diesem Mittwoch im Eingangsbereich an der Müller Filiale in Schweinfurt. Eigentlich wollten sich die beiden 17-Jährigen nur schnell ein Deo und eine Hautcreme besorgen. Weil beide aber ihren Personalausweis nicht dabei haben, wird daraus heute nichts mehr. "Ich habe mir die Regel nicht ausgedacht", erklärt der Angestellte am Empfang und deutet mit dem Finger nach draußen. Die beiden Schülerinnen gehören zu den wenigen Leuten, die heute von einem Händler in Schweinfurt abgewiesen wurden.
Im Einzelhandel gilt seit diesem Mittwoch im Weihnachtsgeschäft die 2G-Regel, nach der nur noch Geimpfte und Genesene Läden betreten dürfen. Kontrollieren müssen das die Geschäftsinhaber, indem sie Personal- und Impfnachweis checken. Ausgenommen von der Regel und für Ungeimpfte damit weiterhin frei zugänglich bleiben nur Geschäfte, die Waren zur Deckung des täglichen Bedarfs – also Dinge wie Lebensmittel oder Medizin anbieten und deren Sortiment zum Großteil aus derlei besteht.
In den Straßen Schweinfurts hat das "2G-Logo" in den betroffenen Geschäften an den Schaufenstern oder an der Ladentür seinen Platz gefunden und läuft den anderen "Eyecatchern" wie "Alles ein Euro" oder "30 Prozent Rabatt" den Rang ab. "Alles vorbereitet, aber die Kunden fehlen", so Thomas Schierling vom gleichnamigen Spielwaren-Fachgeschäft in der Turmpassage am Roßmarkt.
Verglichen mit einem normalen Tag im Vorweihnachtsgeschäft seien es am ersten Tag mit 2G gerade einmal halb so viele Kunden, die ins Geschäft kommen. Die Leute wüssten ganz genau, was gebraucht wird, um in den Laden zu kommen, halten Impfpass, digitales Impfzertifikat und Ausweis bereit", so seine Erfahrung. "Die Leute wissen, dass wir nichts dafür können und haben Verständnis für die Kontrollen."
Was er nicht so ganz versteht, sind die Kriterien, nach denen sich die Geschäfte an 2G halten müssen. "Natürlich gönne ich den Buchläden, dass sie diese Auflagen nicht haben, aber ist ein schönes Spielzeug unterm Weihnachtsbaum für ein Kind nicht genauso wichtig, wie ein Buch?" Anstelle der 2G-Regelung hätte er sich eine zum Beispiel strengere Anwendung der Zugangsbeschränkung pro Quadratmeter Ladenfläche gewünscht.
Eine Regelung, die sich schon in früheren Phasen der Pandemie bewährt habe und bei der man ganz genau wisse, wie viele Kunden im Verkaufsraum sein dürfen. Eine begrenzte Kundenzahl, die sich in einem Geschäft wie "Spielwaren Schierling", wo auf zwei Geschossen Spielwaren angeboten werden, "verläuft ohne sich zu nahezukommen", wäre ihm lieber gewesen, weil sie nicht mit dem Mehraufwand der 2G-Kontrolle verbunden ist.
"Halb so viele Kunden, halb so viel Umsatz", wagt auch Martin Weiss vom gleichnamigen Lederwarengeschäft in der Spitalstraße eine erste Bilanz. Die Überprüfung der 2G-Regel sei nicht das Problem, denn "die Kunden kennen die Spielregeln, halten mit Betreten des Ladens Impfpass und Ausweis bereit." Das Problem sei vielmehr die mit der ganzen Situation verbundene Zurückhaltung der Menschen, überhaupt shoppen zu gehen. "Wenn das in meinem Leben der größte Durchhänger gewesen sein wird, dann geht's noch", nimmt er die Situation noch vergleichsweise humorvoll.
Pessimistischer sehen das zahlreicheHändlerinnen und Händler in der Schweinfurter Stadtgalerie. Die Verkäuferin eines örtlichen Dessousgeschäfts, die namentlich nicht genannt werden will, findet deutliche Worte: "Das diesjährige Weihnachtsgeschäft ist ein Trauerspiel." Viele Geschäfte in der Stadtgalerie sind von der 2G-Regel betroffen. Abgefragt werden die Nachweise an den Eingänge zu den einzelnen Läden im Gebäude. Bis auf ein paar flanierende Familien und Schaufensterbummler, bleiben die langen Gänge an diesem Mittwoch weitestgehend leer.
Auch in der Innenstadt gibt es seit Beginn der Pandemie spürbar weniger Besucher, sagt Werner Christoffel, Vorsitzender des Gewerbevereins "Schweinfurt erleben". Mithilfe der Einwahlzahlen im öffentlichen WLAN-Netz der Stadt, kann er auf die ungefähre Besucheranzahl in der Schweinfurter Innenstadt schließen.
Waren im Jahr 2018 noch 103 000 Besucherinnen und Besucher am Samstag vor dem ersten Advent in der Innenstadt unterwegs und 2019 sogar 117 000, sind die Zahlen mit Ausbruch der Pandemie in 2020 auf 33 000 Besucher abgestürzt. In diesem Jahr waren mit 41 000 wieder etwas mehr Passanten am Samstag vor dem ersten Advent in den Gassen unterwegs.
Ralf Klimaszyk vom Quadro Fachmarkt für Büro, Schule, Basteln, Kunst und Deko in Schweinfurt bekommt diesen Rückgang zu spüren. "Wir haben locker 30 Prozent weniger an Kunden." Geschockt haben ihn die neuen 2G-Regeln aber nicht. Ihn nerve es viel mehr, dass er sich die Informationen bisher immer aufwendig im Vorfeld zusammensuchen musste. Trotzdem habe er Verständnis für die aktuellen Regeln. Er hofft nun, dass weiterhin genügend Kunden im Laden vor Ort vorbeikommen oder online auf der Webseite bei ihm bestellen.
"Letztendlich kennen wir das ja schon alles durch die Gastronomie", kommentiert Anke Waldkirch vom Bettenladen Gebers die aktuellen 2G-Regeln im Einzelhandel und zeigt auf den Tisch mit Desinfektionsmittel im Eingangsbereich des Geschäfts. Waldkirch leitet eine der 34 in Deutschland verteilten Filialen der Kette Gebers.
Sie habe mit mehr Widerstand seitens der Kundinnen und Kunden gerechnet. "Die Mehrheit war aber vorbereitet." Lediglich zwei Kunden musste sie heute wieder wegschicken. Beide haben keinen Personalausweis mit sich getragen. "Wir haben aber auch nicht die Masse an Kunden wie andere Geschäfte", erklärt Waldkirch. Die Kunden, die zu ihr in den Laden kommen, seien gezielt hier und würden nicht spontan zum Stöbern vorbeikommen, wie es vielleicht in anderen Läden der Fall sein könnte. "Für uns selber ist es positiv. Wir haben jetzt mehr Zeit für Kunden und sind gelassener", lautet ihr Fazit.
Das erste Fazit von Geschäftsinhaberin Anja Iff in Gerolzhofen am Mittwochmittag klingt weniger niederschmetternd als man es vielleicht erwartet hätte. "Es ging gut los", beschreibt sie die ersten Stunden in ihrem Modehaus im 2G-Betrieb. Ihre Kunden hätten großes Verständnis dafür, dass sie und ihre Mitarbeiter, für die übrigens "3G" gilt, an dem einzigen noch geöffneten Eingang den Impfstatus prüfen müssen.
Technisch passiert dies über eine Handy-App. Damit checken die Mitarbeiter, ob das von den Kunden vorgezeigte Impfzertifikat (digital oder in Papierform) gültig ist, ohne Daten zu speichern. Zusätzlich lassen sie sich den Personalausweis zeigen. Sie hat für die Überprüfung eine Mitarbeiterin eingeplant, die ohnehin am Eingangsbereich in der Kundenbetreuung eingesetzt ist. Dies funktioniert bislang gut. Falls diese Hilfe braucht, wäre eine weitere Mitarbeiterin in Rufbereitschaft, "heute bin das ich", sagt die Chefin.
Obwohl gerade mehrere Kundinnen zeitgleich an der Kasse anstehen, verzeichnet sie am ersten Tag unter 2G-Vorgaben weniger Kundenfrequenz. "Dafür war an den ersten beiden Tagen dieser Woche sehr viel los", berichtet die Inhaberin. Es seien auffallend viele Schwangere gekommen. Manche berichteten ihr davon, dass sie wegen ihrer Schwangerschaft noch keine Impfung hätten. Sie wollten vorm Mittwoch anscheinend nochmals die Chance zum Einkaufen nutzen – und waren damit nicht alleine.
Falls jemand weder geimpft noch genesen ist, 2G also nicht erfüllt, möchte Iff diese Kunden dennoch nicht ausgrenzen, wie sie sagt. In solchen Fällen könnten gewünschte Kleidungsstücke auch an der Tür an die Kunden übergeben werden. Damit habe man aus den Zeiten, als das Geschäft während der Pandemie komplett geschlossen war, bereits Erfahrungen gesammelt.