
Ob er sich wirklich wohlgefühlt hat, an diesem 1. August 1970? An diesem Tag war Gunter Sachs wahrscheinlich zum letzten Mal in Schweinfurt, der Stadt, vor deren Toren er, in Mainberg, 1932 geboren wurde, wo die Firma stand, die ihm das leichte Leben finanziell ermöglichte. Fichtel & Sachs feierte das 75-jährige Bestehen. Im Theater der Stadt, für dessen Bau die beiden Sachs-Brüder mitgespendet hatten, traf sich die Prominenz des Freistaats. Gunter Sachs und seine Frau Miriam waren zwar die auffälligsten Erscheinungen, beim steifen Festakt spielten sie aber nur eine Nebenrolle.
Gunter Sachs war gerade einmal drei Jahre alt, als Elinor von Opel ihre Sachen packte und Schloss Mainberg fluchtartig mit den Kindern Ernst Wilhelm und Gunter verließ. Im Sommer war die Ehe mit Willy Sachs geschieden worden. Die feinsinnige Opel-Tochter konnte die Mitgliedschaft Willy Sachs' in der NSDAP und der SS und seinen Umgang mit den prolligen Nazi-Größen Himmler und Göring nicht länger ertragen. Hinzu kam, dass der Ehemann seine amourösen Abenteuer recht unverblümt pflegte.
Entführungsversuch in der Schweiz
Die Schweiz sollte für Gunter zur Heimat werden. In Lenzerheide wuchs er auf, hier besuchte er später auch das Internat. Wäre es nach dem Vater gegangen, wären die Söhne jedoch in Schweinfurt geblieben. Um sie zurück zu bekommen, ließ Willy Sachs seine Verbindung zu Himmler und Göring spielen. Es gab sogar einen Entführungsversuch der Gestapo. 1940 übertrug ihm schließlich ein Gericht das Sorgerecht über den elfjährigen Ernst Wilhelm.
Dieser trat später in die Unternehmensführung ein, war dabei aber ohne Fortune. Gunter Sachs selbst hatte mit Fichtel & Sachs wenig im Sinn, wenngleich er sich selbst einmal als beteiligt an den "langfristigen Strategien und personellen Entscheidungen" beschrieb. Immerhin gehörte ihm ja die Hälfte der Firma.

Zu Beginn der 1970er-Jahre bereits dürfte sich Gunter Sachs mit dem Verkauf seiner Anteile beschäftigt haben. Der Familien-Biograf Wilfried Rott nennt verschiedene Gründe. Im Unternehmen rümpfte man zum einen schon ein bisschen die Nase über den reichen Paradiesvogel. Und das nicht nur im Management. So mokierte sich die DKP im Betriebsblättchen Schweinfurter Rot "Playboy Gunter Sachs sollte mal einige Zeit im Stoßdämpferbau arbeiten. Ob er dann auch noch den Damen der 'High Society' gefallen würde, wenn er nach Öl stinkt?"
Freund des nervenkitzelnden Sports
Sachs war ein Mann des nervenkitzelnden Sports, der die Herausforderung suchte. So war er in St. Moritz als Bob-Pilot oder auf dem Skeleton-Schlitten unterwegs.
Sachs war dreimal verheiratet. Seine erste Frau Anne-Marie Faure starb nach einem Narkosefehler. 1962 sorgte seine öffentlich zelebrierte Liaison mit der persischen Ex-Kaiserin Soraya für Aufsehen. Um die französische Schauspielerin Brigitte Bardot zu erobern, ließ er 1966 laut Autobiografie Rosen aus einem Hubschrauber regnen. Die Ehe hielt drei Jahre. Danach heiratete Gunter Sachs das schwedische Model Mirja Larrson.

Sehr ernst ging Gunter Sachs den Verkauf des Unternehmens nach dem Lawinentod seines Bruders (den dieser möglicherweise selbst gesucht hatte) im April 1977 an. Später hat er ihn auch damit begründet, dass er sich mit dessen Erbinnen nie über eine gemeinsame Linie würde verständigen können. 1978 scheiterte ein erster Verkauf am Kartellamt. Am 26. August 1986 wird schließlich gemeldet, dass Gunter Sachs sich von den meisten seiner Aktien getrennt habe. Gut zwei Jahre sollte es noch dauern, bis die Familie komplett ausstieg. Gunter Sachs war Testamentsvollstrecker und sorgte in einem aufsehenerregenden Prozess in München gerichtlich dafür, dass seine halbwüchsigen und von ihm nicht sonderlich geschätzten Nichten Monika, Elinor und Caroline ihr Erbe nicht versilbern konnten.
Um Gunter Sachs gerecht zu werden, muss man sein Leben jenseits der Firma betrachten. Er hat Mathematik studiert und dies mit Erfolg. In seinem beruflichen Leben hat er ein Mode-Label aufgebaut. Er war ein begeisterter Kunstsammler und hat durch Kauf und Verkauf gutes Geld verdient.
Entdecker Andy Warhols für Europa
Gunter Sachs war der Entdecker Andy Warhols für Europa. Als bei einer von ihm kuratierten Ausstellung keines der Bilder verkauft wurde, hat er selbst zugegriffen, um dem Freund eine Blamage zu ersparen. Unter dem Strich hat er finanziell von der großzügigen Geste profitiert. Engagiert hat sich Sachs für das an bürokratischen Hürden letztlich gescheiterte Projekt "Modern Art Museum München" Ende er 1960er- und frühen 1970er-Jahre.

Mit welchem Gespür Gunter Sachs in der Kunstszene unterwegs war, konnte man 2013 in der Kunsthalle Schweinfurt sehen, wo seine Sammlung unter anderem mit Arbeiten von Warhol oder Yves Klein, letztmals im Zusammenhalt, von 65 000 Menschen besucht wurde. Sechs Jahre später wurde dort bei 30 000 Besuchern die Arbeit des Fotografen Gunter Sachs gezeigt, der auch als Filmemacher erfolgreich war.
Im Mai 2011 erschoss sich Sachs in seinem Haus im schweizerischen Gstaad. In seinem Abschiedsbrief begründete er den Suizid damit, dass er bei sich Symptome von Alzheimer festgestellt habe – eine Krankheit, mit der er nicht leben wollte.

Ich stimme den anderen Kommentaren gerne zu.
Muss man sich wundern, dass ihm aufgrund seiner Lebensgeschichte evtl. nicht viel an der Firma gelegen ist? Akzeztiert wurde er seitens des Mangments und der Arbeiter wohl nie. Meiner Meinung nach war er einfach zu modern für Schweinfurt und das "muffige" Industrieumfeld mit seinen konservativen Managern und den Proletariat am Band.
Gunter Sachs kann stolz auf sich sein - er hat sich seine Herkunft nicht ausgesucht und hat dennoch das Beste draus gemacht, sein eigenes Ding eben... Er war im Gegensatz zu seinem Vater integer und das ist letztlich das was ihn auszeichnet. Sein Vater war nie ein Vorbild, er hat sich seinen "Nachruhm" lediglich mit viel Geld gekauft, Gunter hingegen bleibt ein Vorbild für jeden freiheitsliebenden Menschen.