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Bad Neustadt
"Wir fühlen uns hilflos": Vermieter lässt 86-jährige Bad Neustädterin monatelang ohne Heizung wohnen
In Alma Hinkels Mietwohnung war mehr als acht Monate lang die Heizung defekt. Selbst nach einer Gerichtsverhandlung tat sich nichts. Jetzt gibt es Grund zur Hoffnung.
Im März fiel in der Wohnung von Alma Hinkel (Mitte) die Heizung aus. Als es auf den Herbst zuging, zog die 86-Jährige zu ihrer Tochter Irina Fischer (rechts) und ihrer Enkelin Katharina Fischer.
Foto: René Ruprecht | Im März fiel in der Wohnung von Alma Hinkel (Mitte) die Heizung aus. Als es auf den Herbst zuging, zog die 86-Jährige zu ihrer Tochter Irina Fischer (rechts) und ihrer Enkelin Katharina Fischer.
Sigrid Brunner
 |  aktualisiert: 14.12.2024 02:32 Uhr

Acht Monate lang funktionierten in der Wohnung der 86-jährigen Alma Hinkel in der Martin-Luther-Straße in Bad Neustadt die Heizung und das Warmwasser nicht. Acht Monate lang bemühten sich Tochter Irina Fischer und Enkelin Katharina Fischer auf verschiedenen Wegen darum, dass die Gastherme repariert wird. Ohne Erfolg. Schließlich wandten sie sich an diese Redaktion, die sich erfolglos um eine Stellungnahme des Vermieters bemühte, und erzählten ihre Geschichte. 

"Am 22. März dieses Jahres, ich war gerade bei meiner Mutter, tat es plötzlich einen lauten Schlag und die Heizung fiel komplett aus", berichtet Irina Fischer, die zwei Häuser weiter ebenfalls in der Martin-Luther-Straße wohnt. Schon vorher sei die Gastherme, die nicht nur für die Heizung, sondern auch für das warme Wasser zuständig ist, in der Mietwohnung wiederholt ausgefallen. Nicht nur einmal habe sie den Notdienst rufen müssen. Sie habe sich deswegen an den Hausmeister und an die Hausverwaltung selbst gewandt.

Die Tage, Wochen und letztendlich auch die Monate vergingen

Der Monteur habe ihr vor dem Ausfall, führt die 64-Jährige weiter aus, einen Knopf im Innenleben der Therme gezeigt, mit dem sie den Apparat wieder in Gang setzen konnte. Das sei aber immer nur für kurze Zeit gut gegangen. "Nach dem Knall habe ich mich dann nicht mehr an den Knopf getraut."

10,8 Grad Celsius zeigte das Thermometer Mitte November im Wohnzimmer von Alma Hinkel. Ihre Pflanzen wurden von den Fensterbänken gestellt, damit sie dort nicht zu Schaden kommen.
Foto: René Ruprecht | 10,8 Grad Celsius zeigte das Thermometer Mitte November im Wohnzimmer von Alma Hinkel. Ihre Pflanzen wurden von den Fensterbänken gestellt, damit sie dort nicht zu Schaden kommen.

Die Tage, Wochen und schließlich auch die Monate vergingen, ohne dass sich am Zustand der Heizung etwas verändert habe, erzählt Irina Fischer. Wiederholt hätten sie sich und ihre schließlich beauftragte Rechtsanwältin an die Hausverwaltung beziehungsweise deren Rechtsanwalt mit der Aufforderung gerichtet, die Therme instand zu setzen.

In der Wohnung wurden von der Familie elektrische Heizlüfter aufgestellt

Alma Hinkel wohnt seit rund zehn Jahren in der Martin-Luther-Straße. Sie wurde im Süden des Kaukasus geboren. 1996 zog sie mit ihrem Mann, der inzwischen gestorben ist, nach Bad Neustadt. Ihre Tochter Irina Fischer kam in Kasachstan auf die Welt und lebt seit 1993 mit ihrer Familie in Bad Neustadt.

Die 86-Jährige ist stark gehbehindert, zweimal am Tag kommt der Pflegedienst. Unter anderem, um sie zu waschen. "Wir mussten immer mit dem Wasserkocher das Wasser heiß machen und mittels einer Schüssel meine Mutter waschen", so Irina Fischer. Damit es in der Wohnung nicht zu kalt wurde, habe man elektrische Heizkörper und Heizlüfter aufgestellt.

Um für Wärme zu sorgen, wurde im Schlafzimmer von Alma Hinkel ein elektrischer Heizkörper aufgestellt.
Foto: René Ruprecht | Um für Wärme zu sorgen, wurde im Schlafzimmer von Alma Hinkel ein elektrischer Heizkörper aufgestellt.

Als es schließlich aber immer kälter wurde, haben sie und ihr Mann die Mutter schließlich Mitte September zu sich geholt. "Wir haben uns Sorgen gemacht. Meine Mutter ist auf einen Gehstock und Rollator angewiesen und kann sich selbst nur schlecht helfen", erklärt die Tochter.

Eine Matratze in der Küche musste als Schlafplatz herhalten

Irina Fischer lebt mit ihrem Mann in einer Zweizimmerwohnung: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad und WC. Als ihre Mutter bei ihnen einzog, erhielt diese das Schlafzimmer. Sie und ihr Mann, beide bereits Rentner, schliefen jeweils im Wohnzimmer auf der Couch und auf einer ausklappbaren Matratze auf dem Küchenfußboden.

In dem Haus lebt noch über den Eltern Tochter Katharina mit Familie. Aber auch dort ist der Platz begrenzt. Außerdem ist eine Treppe für die 86-Jährige zu beschwerlich.

"Ich schäme mich, dass ich im Bett meiner Tochter und meines Schwiegersohns schlafe", sagte dazu Alma Hinkel Mitte November bei dem Gespräch mit dieser Redaktion. "Sollen wir uns schämen, dass Du erfrierst?", entgegnete damals ihre Tochter darauf.

Das Haus, in dem Alma Hinkel wohnt, gehört der Majo Immobilien GmbH aus dem hessischen Friedberg. Vorbesitzer war das Münchner Wohnungsunternehmen Dawonia. Dieses hat 2023 seine 411 Bad Neustädter Wohnungen verkauft.

Eine Sitzung des Amtsgerichts endete mit einem Vergleich

Am 15. Oktober landete die Angelegenheit sogar vor dem Amtsgericht in Bad Neustadt. Die Sitzung endete mit einem Vergleich, laut dem die Majo Immobilien GmbH bis zum 31. Oktober 2024 dafür sorgen soll, dass Warmwasser und Heizung in der Wohnung von Alma Hinkel funktionieren. Zu diesem Zweck soll sich die Majo Immobilien GmbH mit Irina Fischer in Verbindung setzen, um einen Termin für den Monteur zu vereinbaren, so der Inhalt des Vergleichs.

Trotz Vergleichs, die Heizung blieb kalt. "Es gab keine Reaktion, es war keiner da", sagt dazu Irina Fischer. Anfang November habe sich nochmals ihre Rechtsanwältin an den Anwalt der Majo Immobilien GmbH gewandt und diesem mitgeteilt, dass, da bislang keine Behebung der Mängel erfolgte, nun die Miete gekürzt werde. Auch danach habe sich niemand bei ihr gemeldet, so Irina Fischer.

"Wofür gibt es Gesetze, wenn jeder machen kann, was er will?"
Enkelin Katharina Fischer

"Wir fühlen uns so hilflos. Wofür gibt es Gesetze, wenn jeder machen kann, was er will?", zeigte sich Katharina Fischer Mitte November frustriert. Auch ihre Mutter Irina sagte damals: "Ich verstehe die Welt nicht mehr, dass so etwas möglich ist."

Am Freitag, 22. November, kam ein Handwerker

Im Zuge ihrer Recherchen gab diese Redaktion auch der Majo Immobilien GmbH die Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Diese blieb aus. Dafür stand am Freitag, 22. November, ein Handwerker vor der Tür. Dieser machte sich zugleich an die Reparatur der Gastherme. Nachdem er feststellen musste, dass alle Arbeiten den Apparat nicht dauerhaft zum Laufen brachten, wurde letztendlich eine neue Therme bestellt.

Die neue Gastherme soll in dieser Woche eingebaut werden. "Wir freuen uns sehr", ist Irina Fischer erleichtert über die Entwicklung. Sie sei auch froh, dass eine Zeit voller Anspannung vorbei ist. Es seien teilweise schwierige Monate gewesen. Die nun hoffentlich ein glückliches Ende finden.

 
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Kommentare
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  • Carmen Holzheimer
    Sowas darf es nicht geben. Wo bleibt da der Rechtsstaat?
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  • Kai-Uwe Patz
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Ute Schlichting
    "Wir fühlen uns so hilflos. Wofür gibt es Gesetze, wenn jeder machen kann, was er will?", zeigte sich Katharina Fischer Mitte November frustriert. Auch ihre Mutter Irina sagte damals: "Ich verstehe die Welt nicht mehr, dass so etwas möglich ist." Tja das fragt sich der Normal Bürger. Aber wahrscheinlich gelten für Reiche andere Regeln. Aber wehe die hätten die Miete gemindert. Hätte ich gemacht ab dem dritten Tag wo ich eine kalte Hütte habe. Da wäre der Vermieter flott geworden. Ganz bestimmt.
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