Eine 78-jährige Frau, die stark gehbehindert ist. Ein Balkon, der für sie deshalb sehr wichtig ist und den sie ihr "Tor zur Außenwelt" nennt. Ein Vermieter, der eben diesen Balkon absperrt, weil er einsturzgefährdet sei. Eine 1,20 Meter hohe schwarze Platte, die den Blick nach draußen einschränkt. Das war die Ausgangslage. Es geht aber noch weiter: Zwei Freunde, die das nicht hinnehmen wollen und kurzerhand die Absperrung entfernen und den Balkon mit Vierkanthölzern abstützen.
Was war geschehen? Brigitte Dietz aus Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) ist körperlich eingeschränkt und kann sich nur sehr schlecht fortbewegen. Eine umso größere Bedeutung nimmt ihr Balkon ein. Hier verbringt sie normalerweise in der warmen Jahreszeit den größten Teil des Tages und plaudert mit Passanten. Dann kam die Mitteilung von ihrem Vermieter, dem Münchner Wohnungsunternehmen Dawonia Real Estate, dass sie ihren Balkon aus "verkehrssicherungstechnischen Gründen" nicht mehr betreten dürfe. Dauer ungewiss. Der Zugang zum Balkon wurde mit einer schwarzen Holzfaserplatte versperrt. Nicht nur ihr Balkon war von der Maßnahme betroffen, sondern noch weitere im Stadtgebiet.
Der abgesperrte Balkon hat für großes Aufsehen gesorgt
Die Berichterstattung über ihren versperrten Balkon habe für großes Aufsehen gesorgt, erzählt Brigitte Dietz dieser Redaktion. Viele hätten Anteil an ihrer Geschichte genommen. Kurz nach der Veröffentlichung habe die Dawonia ihr eine andere Wohnung im Nachbarhaus angeboten. Aus mehreren Gründen käme diese jedoch für sie nicht infrage. "Ich möchte meine gewohnten vier Wände nicht verlassen", sagt sie.
Nun überschlugen sich die Ereignisse. Auslöser waren Renate und Michael Diestel aus Unsleben. Beide sind im Landkreis Rhön-Grabfeld keine Unbekannten. Sie arbeitet als Tierärztin und er ist seit vielen Jahren Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes. Die Diestels seien langjährige Freunde von ihr, so Brigitte Dietz. Sie hätten sich bei ihr gemeldet und gesagt: "Wir schauen uns das mal an." Dabei ist es nicht geblieben. Am Samstag hätten sie die Platte entfernt, damit sie wieder auf ihren Balkon könne. Den Balkon selbst haben sie mit Pfeilern abgestützt.
Sorge um die Gesundheit von Brigitte Dietz
"Wir kennen Frau Dietz schon seit Jahren", erklärt Renate Diestel auf Nachfrage dieser Redaktion ihre Beweggründe. "Der Gedanke war für mich unerträglich, dass sie mehr oder minder im Dunkeln sitzt. Sie litt schon einmal an einer Depression. Das darf nicht wieder geschehen." Sie habe mit ihrem Mann gesprochen und sie seien sich einig gewesen, dass hier wertvolle Lebenszeit verloren gehe. "Wir haben für uns beurteilt: Was wiegt schwerer, die Bedenken oder der seelische Schaden, der wegen des Ausgesperrtseins entstehen kann?", fügt Michael Diestel hinzu. Sie hätten der "Mitmenschlichkeit", wie der Unslebener es formuliert, den Vorrang gegeben.
"Wir nahmen die Bedenken der Dawonia ernst und sicherten den Balkon gut ab", meint Michael Diestel. "Von dem Balkon geht keine Gefahr aus", ist er überzeugt. Die Diestels haben unter dem vorderen Bereich des Balkons ein Brett gelegt und dieses mit Vierkanthölzern von zehn bis zwölf Zentimetern Breite befestigt.
Die Familie Diestel steht zu ihrem Handeln
"Wir haben das Naheliegende getan, aus dem Glauben heraus, dass die Dawonia auch selbst darauf hätte kommen können. Dagegen kann man nichts haben", erklärt Michael Diestel weiter. "Was macht meine Entscheidung in München mit den Menschen vor Ort? Geht es nicht besser? Das hätte sich die Dawonia vorher überlegen müssen", meint er. Es sei auch im Sinne des Vermieters, wenn es seinen Mietern gut geht. "Und Brigitte Dietz ging es nicht gut." Sie stünden zu ihrem Handeln und seien auch gerne bereit, mit der Dawonia zu reden, wenn es Probleme gebe.
Am Montag rief Brigitte Dietz ihren Vermieter in München an, um ihm von der Entfernung der Absperrung und den Sicherungsmaßnahmen zu erzählen. Die Frau am Telefon sei sehr nett und verständnisvoll gewesen, wenn sie auch nicht unerwähnt gelassen habe, dass das nicht rechtens gewesen sei, schildert sie das Gespräch. Sie habe jedoch angekündigt, dass nochmals ein Gutachter kommen würde, der die Konstruktion der Diestels in Augenschein nehme und prüfe, ob das Ganze sicher ist und bleiben kann. Solange dürfe sie den Balkon nicht betreten.
Erneut prüft ein Gutachter den Balkon
Die neueste Entwicklung erstaunte dann die 78-Jährige: Mitte der Woche teilte sie Redaktion mit, dass sich die Mitarbeiterin der Dawonia bei ihr gemeldet und mitgeteilt habe, dass ein Gutachter erneut den Balkon geprüft und dabei festgestellt habe, dass nicht der Boden des Balkons, sondern die Umrandung das Problem sei. Die Holzkonstruktion der Diestels müsse zwar entfernt werden, habe die Frau ihr gesagt, in den nächsten Tagen werde jedoch ein Schreiner bei ihr vorbeikommen und eine Holzverkleidung errichten. Dann könne sie wieder auf ihren Balkon. Diese Nachricht erhalte sie noch schriftlich, sei ihr versichert worden.
Auf schriftliche Nachfrage bestätigt die Dawonia diese neue Entwicklung offiziell nicht. Dafür erläutert sie in ihrem Antwortschreiben die Beweggründe für die Balkonsperrungen. "Wir sind uns bewusst darüber, dass ein Balkon ein Stück Lebens- und Wohnqualität darstellt", betont Maren Holtermann, Abteilungsleiterin Mieterdialog/Kommunikation. Sie seien "alles andere als glücklich" darüber, dass sie aus Sicherheitsgründen gezwungen gewesen seien, Balkone zu sperren. "Es blieb uns jedoch keine Wahl, da nach Begutachtung deutlich wurde, dass zumindest ein theoretisches Risiko bei der Nutzung der Balkone vorhanden ist." Man tue alles, um "die Situation schnellstmöglich zu beseitigen", so Holtermann.
Vermieter: Schwarze Holzplatte ist nicht das Optimum
Der Balkon von Brigitte Dietz wie auch die anderen würden nach Einschätzung der Dawonia einer Sanierung bedürfen. Wie das Wohnungsunternehmen zu dieser Beurteilung gekommen ist beziehungsweise auf die Frage dieser Redaktion, auf welcher Grundlage das Gutachten beruht, dazu machte Maren Holtermann keine Angaben.
Dafür räumt die Dawonia ein, dass die Optik der schwarzen Holzplatte "schon aus ästhetischen Gründen nicht das Optimum darstellt". Derzeit prüfe man, ob künftig andere Lösungen möglich wären. In Bezug auf die Entfernung der Holzplatte findet die Kommunikationsleiterin deutliche Worte: Dem Vermieter obliege die Verantwortung für die Verkehrssicherung. "Insofern ist die Mieterin zu einer eigenmächtigen Beseitigung der verkehrssichernden Einrichtungen und zum Betreten des Balkons definitiv nicht befugt."
Für Brigitte Dietz heißt es jetzt abwarten. Zum einen auf die schriftliche Bestätigung der Dawonia und zum anderen auf den Schreiner. Dann würde sich tatsächlich ihr "Tor zur Außenwelt" wieder für sie öffnen.
Dann hat man die Aufgabe, den Mieter vor Schaden zu schützen, und wehe man tut das nicht...
Dann kann es zu solchen Situationen kommen...
Und ganz ehrlich: Nur solche Situationen bringen uns weiter...
Es kommen neue Aspekte ins Spiel....
Und dann spulen die sich in München auf, was rechtens ist und was nicht. So schnell kann man gar nicht mit dem Kopf schütteln wie man möchte.
Mir drängt sich der Verdacht auf, dass im Zeitalter der Gewinnmaximierung schwarze Spanplatten justament da auftauchen könnten, wo man jemanden entmieten muss, um das Objekt für einen zahlungskräftigeren Mieter freizubekommen... ist natürlich dann eher weniger gut, damit in der Presse aufzutauchen...