
Es ist, wie wenn man mit einem Messer hineinsticht. Mit diesen drastischen Worten beschreibt Elfriede Link die stechenden Schmerzen, die sie in ihrer linken Hand unterhalb des Daumens hatte. Besonders schlimm seien diese gewesen, wenn sie eine Getränkeflasche aufdrehte, ein Tuch auswrang oder den Schlüssel im Schloss umdrehte. Beim Radfahren habe ihr jedes Mal davor gegraut, die Gangschaltung am Lenkrad zu betätigen. Zudem nähe und stricke sie sehr gerne. Auch das sei mit Schmerzen verbunden gewesen. Schließlich habe die Hand sogar im Ruhezustand weh getan.
Das gehört der Vergangenheit an. Der Grund für die Beschwerden war eine Arthrose im sogenannten Daumensattelgelenk in der Mittelhand. Das ist das Gelenk zwischen dem großen Vieleckbein in der Handwurzel und dem ersten Mittelhandknochen. Nach längerer Leidenszeit entschloss sich die 59-jährige Burgwallbacherin schließlich im vergangenen Jahr zu einer Operation. Heute dreht und biegt Elfriede Link den Daumen in alle Richtungen: "Es geht alles wieder und tut nicht mehr weh."
Zwei Operationsmethoden sind beim Daumensattelgelenk möglich
Die Operation führte Prof. Dr. Jörg van Schoonhoven, Chefarzt der Klinik für Handchirurgie am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt, durch. Zwei verschiedene OPs seien möglich, um gegen das schmerzhafte Aufeinanderreiben der Knochen am Daumensattelgelenk vorzugehen, erläutert er.

Bei der traditionelleren Variante werde der kleinere der beiden Gelenkpartner, das Vieleckbein, entfernt. In der Lücke bilde sich dann eine Narbe, die den Knochen ersetzt. Mit sechs Monaten dauere die Rekonvaleszenz nach dieser Operation recht lange, führt van Schoonhoven einen Nachteil ins Feld. In Bad Neustadt werden heute nur etwa acht bis zehn Prozent aller Patienten auf diese Weise operiert, vor allem dann, wenn die zweite Variante nicht möglich ist.
Bei dieser Operation, die auch bei Elfriede Link durchgeführt wurde, wird das verschlissene Gelenk durch ein künstliches mobiles Kugelgelenk – die Daumensattelgelenkprothese – ersetzt. Dazu werden, beschreibt der Chirurg den Eingriff, die betroffenen Gelenkflächen des ersten Mittelhandknochens und des Vieleckbeins sparsam entfernt. Am Vieleckbein wird eine Pfanne und am Mittelhandknochen ein Schafft verankert. Der Prothesenhals sorgt für die notwendige Distanz zwischen den beiden Knochen, und die Kugel in der Pfanne erlaubt die Bewegung.
Volle Beweglichkeit rund sechs Wochen nach der Operation
Mit der OP, die in der Handchirurgie in Bad Neustadt seit etwa fünf bis sechs Jahren durchgeführt wird, würden sehr gute Ergebnisse erzielt werden, betont Prof. van Schoonhoven. Die meisten Patienten hätten nach zirka sechs Wochen wieder die volle Beweglichkeit des Daumens zurückerlangt. "Gegenüber sechs Monaten bei der anderen OP ist das ein enormer medizinischer Fortschritt."
Die Operation dauere etwa eine Stunde. Van Schoonhoven führt diesen Eingriff etwa 130 Mal im Jahr durch. Arthrose am Daumensattelgelenk ist eine der häufigsten Arthrosen beim Menschen.
Jörg van Schoonhoven ist 62 Jahre alt und wurde in Rheine in Westfalen geboren. Er studierte in Hamburg Medizin und ist Facharzt für Orthopädie und Handchirurgie. 1994 bewarb er sich in Bad Neustadt bei Prof. Ulrich Lanz, der überregional als Koryphäe in der Handchirurgie galt. Von da an ist er mit einer kurzen Unterbrechung am Rhön-Klinikum beschäftigt, seit 2006 als Chefarzt der Handchirurgie.
Jörg van Schoonhoven: "Die Handchirurgie ist die schönste Fachrichtung in der Medizin"
Für van Schoonhoven ist die Handchirurgie "die schönste Fachrichtung in der Medizin". Insbesondere gefällt ihm das große Behandlungsspektrum und die Vielfalt, was jedoch auch eine Herausforderung sei. Die Handchirurgie reiche von der "normalen" Operation nach einem Knochenbruch bis zur Mikrochirurgie bei Nerven. Jede Technik werde angewandt, von großen Schrauben bis zu mikroskopischen Nähten.
Was sind die schwierigsten Operationen in der Handchirurgie? "Keine einfache Aufgabe ist die Replantation abgetrennter Gliedmaßen", antwortet darauf Jörg van Schoonhoven. Je nach Anzahl der Finger könne die OP drei bis 14 Stunden dauern. Die Schwierigkeit sei, dass nicht nur die Knochen wiederhergestellt werden müssen, sondern auch die Sehnen, Blutgefäße, Nerven und die Haut, sodass anschließend die Finger überleben und auch eine Funktion haben.
Daumenhypoplasie: Wenn ein Baby ohne Daumen geboren wird
Kompliziert sei auch die Operation bei einem Kleinkind, das ohne Daumen geboren wird. Die sogenannte Daumenhypoplasie kommt gar nicht so selten vor. In dem Fall werde der Zeigefinger zum Daumen umfunktioniert, erklärt der Arzt. Auch hier gehe es nicht nur um das Umlagern von Gelenken, sondern auch von Sehnen und Muskeln. "Das so zu machen, dass es funktioniert, ist nicht leicht", sagt van Schoonhoven. Etwa 25 bis 30 Mal hat er diese OP schon durchgeführt. Ein Beleg dafür, dass die Handchirurgie in Bad Neustadt ein großes medizinisches Zentrum ist.

In der Handchirurgie gibt es auch noch bislang ungelöste Probleme. "Wir haben noch keinen wirklich guten Gelenkersatz für das Handgelenk", bedauert der Mediziner. Alle Versuche in diese Richtung seien bislang nicht zufriedenstellend. Van Schoonhoven hofft, dass die Forschung hier bald erfolgreich ist.
Für den Arzt ist es immer ein schönes Erlebnis, wenn der Patient ihm nach der Genesung rückmeldet, dass er nun wieder deutlich mehr Lebensqualität hat. Ein solch positives Feedback bekam er auch von Elfriede Link: "Mein rechter Daumen macht ebenfalls schon Probleme. Ohne große Sorge würde ich ihn auch operieren lassen", meint die 59-Jährige, die beruflich der Medizin nahesteht. Sie arbeitet als Krankenschwester am Campus, justament sogar in der Handchirurgie. "Meine eigene Krankengeschichte hilft mir nun im Umgang mit Patienten."
Die Mutter zweier Kinder und Großmutter zweier Enkel ist froh, dass sie wieder ihren Alltag ohne Schmerzen in der linken Hand bewältigen kann. Selbst die Feinmotorik funktioniere. "Mittlerweile denke ich gar nicht mehr daran, dass in meinem Daumen eine Prothese sitzt."