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Bad Neustadt
Wie das Pflegepersonal am Rhön-Klinikum eineinhalb Jahre Corona erlebte
Die Corona-Pandemie veränderte den Pflege-Alltag am Bad Neustädter Campus stark. Welche großen Herausforderungen zu bewältigen waren und was Rückhalt gab.
Von einer großen Veränderung im Pflege-Alltag (Archivfoto) aufgrund der Corona-Pandemie sprachen die Verantwortlichen des Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt.
Foto: Daniel Peter | Von einer großen Veränderung im Pflege-Alltag (Archivfoto) aufgrund der Corona-Pandemie sprachen die Verantwortlichen des Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt.
Christian Hüther
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:40 Uhr

Es war eines der großen Symbole im vergangenen Jahr zu Beginn der Corona-Pandemie. Menschen auf der ganzen Welt standen auf ihren Balkonen oder an den Fenstern und klatschten teilweise minutenlang. Der Beifall galt den Pflegekräften als Dankeschön und Anerkennung für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Behandlung von Corona-Patienten.Der Applaus ist längst verhallt, erst recht jetzt in den aktuellen Zeiten von niedrigen Inzidenzwerten im gesamten Land.

Im Rahmen eines Pressegesprächs am Rhön-Klinikum beschrieb Andreas Eckhardt, wie die Pflegekräfte am Bad Neustädter Campus die vergangenen rund eineinhalb Jahre Corona erlebten. Die Pandemie habe den Alltag der Pflege stark verändert, so der Pflege-Gesamtleiter am Campus. An vorderster Front haben in der ersten Welle Angst und Bedenken einen großen Raum in der täglichen Arbeit eingenommen. "Wir waren immer Lernende gewesen und sind es immer noch", beschrieb es Eckhardt rückblickend.

Dieses 'Corona-Foto' entstand zu Beginn der Pandemie im März 2020 am Rhön-Klinikum Campus. Damals schickte man einen Appell an die Bevölkerung, zuhause zu bleiben.
Foto: Merita Syla/Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt | Dieses "Corona-Foto" entstand zu Beginn der Pandemie im März 2020 am Rhön-Klinikum Campus. Damals schickte man einen Appell an die Bevölkerung, zuhause zu bleiben.

Teambildung als größte Herausforderung

Er meinte damit vor allem eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit, die nach dem Ausbruch der Pandemie am Campus aufgebaut werden musste. "Die Teambildung war hier die größte Herausforderung", so der Pflegeleiter, der in diesem Zusammenhang von einer "riesen Rochade" unter den Mitarbeitern sprach. Unter anderem auch (Physio-)Therapeuten, Reinigungs- oder Küchenkräfte, sie alle mussten in Kombination mit dem Pflegepersonal für einen reibungslosen und vor allem sicheren Alltag sorgen, um sich selbst, aber auch den Patienten vor einer Ausbreitung des Virus zu schützen.

Neue Strukturen waren nach der Gründung von Corona-Stationen nötig geworden, Personal aus verschiedenen Abteilungen arbeitete fortan in völlig neuen Teams zusammen, diverse Schulungen waren nötig. Hinzu kamen Zusatzarbeiten, wie beispielsweise die Corona-Abstriche bei den Patienten. "Wir mussten Verdachtspersonen isolieren und fernhalten von anderen Patienten", erläuterte Andreas Eckhardt die Schwierigkeit im täglichen Arbeitsalltag. So lagen auf einer Station nur nachweislich positive Corona-Patienten, auf einer anderen ausschließlich die Verdachtsfälle. Patienten mussten je nach Krankheitsgrad kurzfristig verlegt werden. 

Freiwillig in geteilte Quarantäne

Pflegemitarbeiter, die zwischenzeitlich in Quarantäne mussten, erschwerten die ohnehin angespannte Situation noch stärker. Das Personal begab sich teilweise gar freiwillig in eine geteilte Quarantäne, isolierte sich abgesehen von der Arbeit und den Wegen dorthin zuhause - auch an Feiertagen wie Weihnachten oder Silvester. 

Da aufgrund des Besuchsverbotes (mit Ausnahme der Sterbebegleitung) für die Patienten monatelang alleine Videotelefonie möglich war, um mit ihren Angehörigen in Kontakt zu treten, waren die Mitarbeiter auch vermehrt als Gesprächspartner für die Patienten im Einsatz. "Auch sie haben dabei gelitten", so Eckhardt. Schließlich überlebten viele die Corona-Infektion trotz längerer Pflege nicht. Das betraf vor allem die Patienten, die beatmet werden mussten. 

Psychologisches Angebot für Mitarbeiter

Auch aus diesem Grund schaltete der Campus eine Krisenhotline, die mit Psychologen besetzt war. Zudem wurde die Möglichkeit von Einzelgesprächen und ein monatliches Treffen angeboten. "Das Pflegepersonal hatte in der ersten Welle vor allem Angst, seine Angehörigen anzustecken", beschrieb Dr. Martin Siepmann, Ärztlicher Direktor der Psychosomatischen Klinik, die Problematik. Zudem können Depressionen unter der Dauerbelastung entstehen.

Inwieweit er beruflich in der Zukunft mit dem zuletzt öffentlich oft erwähnten "Post -Covid-Syndrom" zu tun haben werde, muss sich erst noch zeigen. Bislang gab es am Campus noch wenige solcher Patienten, das Syndrom alleine sei bisher noch nicht wirklich gut beschrieben und trete meist erst sechs Monate nach der Infektion auf. "Es betrifft vor allem Menschen, die mit der Erkrankung erst gut klarkommen, deren Batterie durch Covid dann aber leer wurde", so Siepmann. Das Gehirn könnte aufgrund der Immunabwehr des Körpers auf die Infektion erkranken. 

Zurück zum Pflegepersonal. Dieses hätte laut Andreas Eckhardt zwischen täglicher Arbeit und begrenzter Freizeit noch einen anderen Spagat hinlegen müssen. "In der Öffentlichkeit und auf Social Media ist das Corona-Thema oft verharmlost worden. Außen herrschte eine andere Wahrnehmung als intern täglich erlebt", so der Pflegeleiter.

Dankesbriefe auf Station aufgehängt

Für Rückhalt hätten aber die Rückmeldungen von Angehörigen von Corona-Patienten gesorgt. Auf einer großen Tafel auf der Isolierstation wurden alle Briefe aufgehängt, teilweise erreichten die Mitarbeiter auch kleine Präsente zum Dank für ihren Einsatz. "Die Wertschätzung für ihre Arbeit ist entscheidend, das kann man gar nicht genug honorieren", bedankte sich Andreas Eckhardt beim Personal. 

Im Rückblick auf die schwierigen eineinhalb Jahre kann er als Verantwortlicher heute aufgrund des entstandenen Zusammenhalts innerhalb der Teams ein "starkes, positives Fazit" ziehen. Auf der einen Seite herrsche Freude bei den Mitarbeitern über die aufgelöste Isolierstation, ein Schritt zurück zur ersehnten Ruhe. Unter den völlig neu zusammengewürfelten Teams kam aber auch Wehmut auf, dass die gemeinsame Zeit vorbei sei und jeder wieder an seinen "normalen" Arbeitsort zurückgekehrt ist.

Viel Zeit für Wehmut blieb jedoch nicht angesichts der Tatsache, dass momentan viele Patienten versorgt werden müssen, deren verschobene Operationen nachgeholt oder die aufgrund von verschleppten Krankheiten erst jetzt vorstellig wurden. 

 
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