Es war Mitte März, als der Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt zuletzt über die Situation rund um das Coronavirus informiert hatte. Kurz davor, am Abend des 14. März, ist dort der erste Patient behandelt worden, der sich mit dem Virus infiziert hatte und deshalb längere Zeit intensiv beatmet werden musste. Jetzt, rund acht Wochen später, trafen sich Verantwortliche und Ärzte am Campus erneut, um über die vergangenen Wochen zu reden, in denen die Corona-Krise ein ständiger Begleiter war und auch noch immer ist.
Eine erfreuliche Nachricht schickte Prof. Bernd Griewing, Vorstand Medizin, im Rahmen des Pressegesprächs am Montagnachmittag gleich vorneweg und bestätigte damit einen positiven Trend auch im Landkreis Rhön-Grabfeld. Im Moment habe man keine Patienten mehr, die man aufgrund einer nachgewiesenen Covid-19-Erkrankung stationär am Campus behandeln müsse.
Wieviele Coronafälle wurden am Campus behandelt?
Das sah in den vergangenen Wochen noch anders aus, wie Griewing anhand von Infektionszahlen unterstrich. Demnach sind am Campus bis vergangenen Freitag 41 Patienten behandelt worden, 15 von ihnen lagen auf der Intensivstation und mussten beatmet werden, acht sind an den Folgen der Erkrankung verstorben. An allen Klinikstandorten des Konzerns gab es in Spitzenzeiten bis zu 70 Corona-Patienten.
Neben einem Dankeschön an alle Beteiligten, sei es Mitarbeiter, Patienten und deren Angehörige, Behörden oder Politik habe man laut Bernd Griewing beobachten können, "dass die Menschen in einer solchen Krise zusammenstehen." Zudem habe man eine große Anerkennung seitens der Bevölkerung bekommen. "Kinder haben Bilder gemalt und von einzelnen Mitarbeitern wurde mir berichtet, dass sie beim Verlassen der Klinik Applaus bekommen haben", so der Vorstand Medizin.
Ersteinschätzung beginnt beim Rettungsdienst
Dr. Michael Schneider, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme, berichtete aus seinem Bereich, der in den vergangenen Wochen sowohl als zentrale Anlaufstelle für die Covid-Patienten, als auch als Schnittstelle zwischen Rettungsdienst und Kliniken diente. Bereits der Rettungsdienst führte demnach eine Ersteinschätzung durch, ob typische Corona-Symptome beim Patienten vorliegen und meldete den möglichen Verdachtsfall telemedizinisch an die Notaufnahme.
Über einen speziellen Isolationseingang wurden diese Patienten dann in die Klinik gebracht und in einem speziellen Bereich versorgt, bevor entschieden wurde, ob der Patient möglicherweise stationär aufgenommen werden muss.
Spezieller Abstrichcontainer für Mitarbeiter
Neben Patienten sind auch Mitarbeiter, die Verdachtsfälle waren, von einem festen Team über einen speziellen Abstrichcontainer vor der Notaufnahme auf das Virus getestet worden. Bei keinem positiv getesteten Mitarbeiter habe die Krankheit jedoch einen schweren Verlauf genommen, betonte Bernd Griewing in diesem Zusammenhang.
Was jedoch Dr. Michael Schneider vor allem im März auffiel, waren die stark rückläufigen Zahlen von Patienten, die in die Notaufnahme kamen. "Wir vermuten, dass die Menschen Angst hatten, sich zu infizieren", so Schneider. Aufgrund des wichtigen zeitlichen Faktors bei beispielsweise Schlaganfällen oder Herzinfarkten sei es jedoch ihm zufolge grob fahrlässig, die Symptome bei Beschwerden nicht ernst zu nehmen. Man stelle in der Notaufnahme sicher, dass dort ein niedriges Infektionsrisiko herrsche. Durch organisatorische Maßnahmen werden Patienten von Corona-Patienten getrennt und können dann jeweils behandelt werden.
20 Prozent weniger Schlaganfall-Patienten im April
Rückläufige Patientenzahlen stellte auch Dr. Hassan Soda, Chefarzt für Akutneurologie, Stroke Unit und Intensivmedizin fest. Im April sei die Behandlung von Schlaganfall-Patienten um 20 Prozent weniger geworden. "Unsere Strukturen haben es aber trotz Corona erlaubt, dass weiterhin alle Schlaganfall-Patienten behandelt werden konnten", unterstrich Soda.
Für die Corona-Patienten, die beatmet werden mussten, habe man laut Soda eine extra Station in der Neurologischen Klinik mit insgesamt 14 Betten eingerichtet - für regionale und überregionale Patienten. So sollte sichergestellt werden, dass keine Vermischung mit Patienten stattfindet, bei denen die Krankheit milder verlief.
Corona-Stufenplan am Campus
Über den Stufenplan, wie die Patienten im Hinblick auf das Coronavirus versorgt wurden, ging Dr. Michael Dinkel, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, ein. Neben den Intensivfällen gab es eine spezielle Station für Patienten, die zwar nicht nach Hause entlassen werden konnten, denen es aber verhältnismäßig gut ging. Zudem waren separat in einem Bereich Verdachtsfälle untergebracht.
Auch in den Spitzenzeiten zu Ostern, als einige Coronafälle auf der Intensivstation lagen, "haben wir immer noch Luft nach oben gehabt", fügte Dinkel an, sodass auch Patienten aus Bad Kissingen oder Baden-Württemberg übernommen werden konnten. Zudem habe man sich nicht verschlossen und angeboten, Patienten aus weiteren bayerischen Hotspots wie Weiden oder Oberbayern zu übernehmen. "Da haben wir uns gewundert, dass die Patienten dann nicht verlegt wurden", gab der Chefarzt zu.
Auch wenn die Infektionswelle zuletzt auch im Landkreis abgeklungen ist, spielt der Umgang mit dem Coronavirus am Campus auch im Hinblick auf die Planungen zur schrittweisen Rückkehr in den Regelbetrieb eine große Rolle. Neben den zurzeit geltenden Besucherregelnhat die Klinik laut Stefanie Straub, Kaufmännische Direktorin, dafür ein spezielles Hygiene- und Aufnahmekonzept erstellt.
Das müssen Patienten in Zukunft beachten
Dieses beinhaltet zum einen, dass Mitarbeiter, Patienten und Besucher in der Klinik einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. "Dazu gehört auch, dass bereits einen Tag vor der geplanten Aufnahme jeder Patient abtelefoniert und ein Fragebogen-Screening durchgeführt wird", so Straub. Man wolle so vorab mögliche Covid-Verdachtsfälle herausbekommen und die Patientensicherheit gewährleisten. Am Aufnahmetag selbst werden die Fragen wiederholt und bei den Patienten wird zusätzlich eine Fiebermessung durchgeführt.
Auch werde man laut Straub trotz derzeit nicht vorhandener Patienten die Corona-Stationen mit Intensiv- und Normalbetten aufrechterhalten, "um auch im Regelbetrieb recht schnell reagieren zu können, falls eine neue Infektionswelle kommen sollte." Als Ausgleichszahlung gibt es deshalb vom Bund, wie überall im Land, pauschal für jedes freigehaltene Bett pro Tag 560 Euro.
Bewertung für mögliche Lerneffekte
"Es bleiben Aufgaben", so Bernd Griewing im Hinblick auf die Zukunft. Man werde die Erlebnisse aus der Zeit von März bis Mai bewerten, um herauszufinden, was man für mögliche spätere Situationen lernen könne. Auch die Politik sei gefragt, beispielsweise im Hinblick auf genügend Schutzausrüstung oder Schulungs- und Ausbildungskonzepte für das medizinische Personal.
Einig waren sich aber alle Beteiligten, dass das Corona-Szenario noch nicht vorbei sei. "Covid wird ein Alltagsfaktor bleiben, ein Teil unseres Lebensrisikos", so Griewing. Als Gedankenstütze für den Alltag könnte da, wie es Michael Dinkel beschrieb, die sogenannte "AHA-Formel" dienen: Abstand, Hygiene, Alltagsmasken.