Es war am 18. Januar, als in dieser Zeitung das erste Mal wegen des zweiten Todesfalls in der chinesischen Metropole Wuhan über das neuartige Coronavirus berichtet wurde. Kein langer Text, ein paar Zeilen über die Lungenkrankheit, verfasst von der Deutschen Presseagentur.
Zu diesem Zeitpunkt dachte auch Heribert Heuring - wie viele andere wahrscheinlich auch - nicht daran, wie sehr das Virus das Leben und die Gesellschaft bald weltweit beeinflussen wird. "Was machen die denn da für ein Fass auf", so seine erste Reaktion. Zu weit weg schien das Virus, über das bis dato noch wenig bekannt war.
Neun Monate später sieht das der 52-jährige Mellrichstädter ganz anders. Er musste einen schweren Verlauf einer Covid 19-Erkrankung durchmachen, lag deshalb im künstlichen Koma, mehrere Wochen lang im Krankenhaus und sagt heute: "Ich bin froh, diese zweite Chance zu haben."
Warum er sich bereit erklärt hat, seine Geschichte öffentlich zu erzählen? "Ich will in gewissem Maße Aufklärung betreiben", spricht er auch in Richtung von Corona-Leugnern. "Es fehlt an Leuten, die sich hinstellen und sagen: 'Das ist kein Witz, das ist bei weitem kein Witz'."
Im ersten Moment an eine Grippe gedacht
Dass Heribert Heuring diese lange Corona-Odyssee durchmachen musste und dies auch teilweise auch heute noch tut, war dem Familienvater zum diesjährigen Osterfest noch nicht einmal ansatzweise klar. "Erst einmal dachte ich 'nur' an eine Grippe", erinnert er sich an erste Symptome an Karfreitag Anfang April zurück, als sich Deutschland im Lockdown befand. Heuring schränkte bereits zuvor seine Sozialkontakte stark ein, ging abseits der Arbeit nur noch selten vor die Tür und kaum noch einkaufen. Also eigentlich vorbildlich.
Ein paar Tage später verschlechterte sich jedoch sein Zustand. "Dann habe ich gemerkt, irgendwas passt nicht", so Heuring, der sich müde und schlapp fühlte und kaum noch aus dem eigenen Bett kam. Sein Arzt riet ihm am Telefon, die Symptome weiter zu beobachten und bei einer Verschlimmerung zu handeln. "Ich habe dann zu meiner Frau gesagt, dass sie einen Notarzt rufen soll. Das ist alles, aber keine Grippe mehr", sagt er, der sich nicht mehr wie ein 52-Jähriger fühlt. Trotz Atembeschwerden dachte er jedoch weiter nicht daran, dass dies alles lebensbedrohlich für ihn sein könnte.
Erinnerungen ließen allmählich nach
Beim Abtransport ins Krankenhaus wurde er dann als Corona-Verdachtsfall eingestuft, aus dem Verdacht wurde kurze Zeit später eine Bestätigung. An viele Dinge, die in den folgenden Tagen passiert sind, kann sich Heribert Heuring aufgrund des Sauerstoffmangels nicht mehr erinnern. "Ich hätte nie gedacht, dass mich das so strecken würde", sagt er heute rückblickend. Aufgrund einer bereits vorhandenen chronischen Bronchitis in Verbindung mit der viralen Corona-Infektion entschieden sich die Ärzte dann, den Mellrichstädter ins Koma zu versetzen und ihn künstlich zu beatmen.
"Er hatte aufgrund des aggressiven Verlaufs keine Reserven mehr in seiner Lunge", beschreibt es Dr. Hassan Soda, einer der behandelnden Ärzte am Rhön-Klinikum Campus. Durch die Beatmung sollte das geschwächte Immunsystem wieder gestärkt werden, damit es gegen die Covid-Viren ankämpfen könne. Nach etwa zwei Wochen holten die Ärzte Heribert Heuring aufgrund stabiler gewordener Werte aus dem künstlichen Koma, seine Lunge konnte wieder selbstständig Dienst tun. Das war am 6. Mai.
Nicht nur ein schlechter Traum
Im ersten Moment nach der Rückkehr aus dem Koma dachte er zunächst, einfach aus einem schlechten Traum aufgewacht zu sein. "Man denkt, alles ist gut. Aber nichts ist gut", bemerkte er. In der folgenden Zeit musste er sich erst einmal selbst sortieren und für sich herausfiltern, welche Erinnerungen Traum und welche Realität waren. Erst mit der Zeit wurde ihm bewusst, in welch lebensbedrohlicher Situation er sich befand. Auf rund 40 Prozent beziffert Hassan Soda allgemein bei solchen Beatmungs-Patienten das Risiko, nicht zu überleben.
Ein gefrorener Wackelpudding als persönliches Eldorado
Auch deshalb konnte es Heribert Heuring nur schwer ertragen, als er im Radio von Demonstrationen hörte, an denen unter anderem Corona-Leugner teilnahmen. "Ich würde sie sehr gerne mal hier durchführen", dachte er sich, als er noch auf der Intensivstation lag. Er kann nicht nachvollziehen, wenn Menschen davon sprechen, dass der Staat Corona inszeniert habe.
Realisiert hat Heribert Heuring mit dem zunehmenden Prozess des Erwachens auch die Tatsache, welche körperlichen Einschränkungen die Infektion mit sich brachte. Neben ergrauten Haaren und eingefallener Haut konnte er sich unter anderem zunächst weder artikulieren noch Essen oder Getränke selbstständig zu sich nehmen, geschweige denn aufstehen. "Ich hab nie geglaubt, was man alles wieder lernen muss und was man verlieren kann, was einem so selbstverständlich vorkam", blickt er auf diesen aufwändigen Lernprozess zurück. "Ein gefrorener Wackelpudding war plötzlich das Eldorado für mich."
Ein positives Beispiel für andere Patienten
Über seinen Gesundheitszustand haben sich neben den Ärzten, die auch Erfahrungswerte für kommende Patienten sammeln wollten, auch viele Krankenschwestern erkundigt, die sich teilweise schon im Feierabend befanden. "Sie alle haben mehr für mich getan, als sie wahrscheinlich hätten tun müssen", bedankt sich Heuring für die Unterstützung. Lob gab es auch vom Campus. "Das gesamte Team hat sich über seine positive Entwicklung gefreut und darüber, dass wir ihm helfen konnten. Das gibt auch uns etwas zurück", so Hassan Soda, der Heribert Heuring nach den insgesamt zehn Wochen Krankenhausaufenthalt als ein positives Beispiel für andere Patienten nennt.
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus folgten für Heuring 36 Reha-Termine, in denen er vor allem in der Anfangszeit große Fortschritte machte."Ich wollte immer weiterkommen, bis mich der Arzt sogar einmal bremsen musste", so Heuring, der nur ganz selten Gedanken in sich trug, warum es ausgerechnet ihn so schwer erwischte. "Ich weiß bis heute nicht, wie ich mich angesteckt habe und ich will auch keinem mit Vermutungen einen schwarzen Peter zuschieben", sagt er. Davon habe er schließlich nichts.
Nachwirkungen als Begleiter
Anfang Oktober hatte der Mellrichstädter in der Klinik nach der absolvierten Reha sein Abschlussgespräch. "Das war es aber leider noch nicht", ist sich Heribert Heuring dessen bewusst, dass die Nachwirkungen der Corona-Infektion noch eine ganze Weile Begleiter bleiben werden und dass es keine hundertprozentige Garantie dafür gibt, ohne bleibende Beeinträchtigungen davon zu kommen. "Das ist mein Ding, womit ich klar kommen muss. Darüber spricht aber in der Öffentlichkeit kaum einer." Er tut es, um aufzuklären.
Ich bin Krankenschwester und weiß genau, was sie durchmachen mussten !
Gute Besserung, Herr Heuring!!!