
Die Patienten kommen gern und die Versorgungsassistentinnen der Hausarztpraxen sparen sich Fahr- und Rüstzeiten: Seit eineinhalb Jahren gibt es im Streutal sogenannte Versorgt-am-Ort-Räume. Hausbesuche werden durch das Konzept neu gedacht: Patientinnen und Patienten, die noch mobil sind, können auf Empfehlung ihres Hausarztes zu festen Sprechzeiten in Behandlungsräume kommen, die es mittlerweile in acht Gemeinden gibt. Dort versorgt qualifiziertes medizinisches Fachpersonal Wunden, misst Blutdruck und nimmt Blut ab.
Das Pilotprojekt "Versorgt am Ort" (VaO) für die gesundheitliche Versorgung der Patienten und Entlastung der Arztpraxen auf dem Land funktioniert, davon zeigte sich auch das bayerische Gesundheitsministerium überzeugt. Zur Eröffnung des ersten VaO-Raums im Mai 2023 in Stockheim kam der damalige Gesundheitsminister Klaus Holetschek persönlich und übergab einen Scheck über 500.000 Euro zur Finanzierung der Kosten an die Projektverantwortlichen.
Sabine Dittmar sichert Unterstützung zu
Das Projekt tritt nun in eine Phase ein, in der er es darum geht, den Status als Modellprojekt abzustreifen und die Überführung in eine Regelleistung mit Abrechnungsmöglichkeit zu schaffen. Dabei gibt es einige Hürden zu überwinden, wie einer der Initiatoren, Werner Palancares vom Verein Heimatunternehmen Bayerische Rhön, und Projektleiter Reiner Hofmann von der Universität Bayreuth bei einer Zwischenbilanz am vergangenen Donnerstag in Stockheim deutlich machten.

Für ihr Anliegen holten sie fachkundige Unterstützung ins Boot: Sabine Dittmar, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, lobte das Projekt und sicherte zu, sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) und dem Verband der Gesetzlichen Krankenversicherung(GKV) für den Fortbestand einzusetzen.
Im Streutal droht Ärztemangel
Die SPD-Abgeordnete, selbst Ärztin mit Berufserfahrung, informierte sich auf Einladung der Streutalallianz über die Grundlagen des Projekts, das sie für zukunftsfähig hält. Im Gespräch mit Ärztin Ute Schloe und den Versorgungsassistentinnen Simone Günther, Sabine Scheidler, Jasmin Reuter und Heidi Link erfragte sie Erfahrungen in der Praxis und hakte nach, wo Probleme liegen. Auch Vertreter der AOK Bayern und der SBK (Siemens Betriebskrankenkasse) saßen mit am runden Tisch, um zu beraten, welche Regelungen gefunden werden müssen, um "Versorgt am Ort" langfristig zu etablieren. Denn wenn man das Alter der Hausärzte in der Region zugrunde legt, ist im Streutal in wenigen Jahren ein Ärztemangel zu befürchten und das Konzept wichtiger denn je.

Das wichtigste Anliegen für die Zukunft des Konzepts: Bislang können die Ärzte die Leistung ihrer Fachangestellten nur abrechnen, wenn diese die Patienten zu Hause besuchen, nicht aber, wenn die Versorgung in einem VaO-Raum erfolgt, so Hofmann. Denn das sieht der Regelleistungskatalog der Kassenärztlichen Vereinigung nicht vor. Die dort erbrachten Leistungen werden derzeit aus dem 2023 eingerichteten 500.000-Euro-Topf des bayerischen Gesundheitsministeriums bezahlt. Ist das Geld aus der Anstoßförderung aufgebraucht, droht dem Projekt der Kollaps.
Änderung im Bundesmantelvertrag für Ärzte angestrebt
Entsprechend streben die Beteiligten die Änderung einer Passage im Bundesmantelvertrag für Ärzte an, die besagt, dass künftig auch in Versorgungsräumen Hilfeleistungen erbracht werden dürfen, so Hofmann. Und es gibt noch ein zweites großes Anliegen: Die Leistungen, die von den medizinischen Fachangestellten erbracht werden dürfen, sollen erweitert werden. Dahinter steht nun auch die KVB, wie Werner Palancares aufzeigte.

Hier tut sich aber gleich das nächste Problem auf: Wenn die Versorgungsassistentinnen in den VaO-Räumen mehr Leistungen erbringen dürfen als bislang, muss wieder ein Konzept ausgearbeitet werden. Das wird wohl länger dauern, als die Projektlaufzeit für das Modell "Versorgt am Ort" veranschlagt und auch entsprechend finanzierbar ist. "Also müssen wir wieder auf Geldsuche gehen", so Palancares.
VaO-Räume sind auch soziale Treffpunkte
Sabine Dittmar versprach, umgehend mit dem Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern, Christian Pfeiffer, Kontakt aufzunehmen und die Ausweitung der Leistungen sowie Finanzierungsmöglichkeiten auszuloten. Denn ihrer Meinung nach werden durch "Versorgt am Ort" nicht nur die Ärzte entlastet, sondern auch das Berufsbild der medizinischen Fachangestellten aufgewertet.
Stockheims Bürgermeister Martin Link, zugleich Vorsitzender der Streutalallianz, verwies noch auf einen anderen Vorteil, den das Konzept "Versorgt am Ort" bietet: "Die Räume sind mittlerweile auch zu sozialen Treffpunkten in der Gemeinde geworden", zeigte er auf.
Auf der Suche nach einer Viertelmillion Euro
Dies ist ein weiterer wichtiger Baustein des Projekts, befand Sabine Dittmar. Sie will nun Gesprächsrunden mit potenziellen Geldgebern und dem GKV-Spitzenverband anstoßen, um Möglichkeiten zu finden, das Projekt langfristig am Leben zu erhalten. Um "Versorgt am Ort" bis Ende 2026 als Modell ohne Finanzierung durch die Krankenkassen weiterführen zu können, ist laut Werner Palancares eine Summe von 150.000 bis 250.000 Euro nötig.
Ob das Konzept danach als Regelleistung der Krankenkassen getragen wird? Sabine Dittmar will dies nach allen Seiten ausloten, dämpfte aber auch gleich die Erwartungen: "Solche Prozesse brauchen ihre Zeit. Bis zur Bundestagswahl werden wir das nicht mehr klären können."