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Nordheim
Streutalallianz: Bei der Energiewende sollen die Bürger profitieren, nicht große Konzerne
Im Streutal sollen Bürger-Energieprojekte forciert werden. Investoren von auswärts sind dabei außen vor, der Gewinn bleibt in der Region. Wie das gelingen kann.
Für eine naturverträgliche Gestaltung von Solar-Freiflächenanlagen plädiert Maritta Wolf, die Arten- und Klimaschutzmanagerin im Landkreis Rhön-Grabfeld. So könnte sie aussehen: Am Boden wachsen Kulturpflanzen, darüber erzeugen Solarmodule sauberen Strom.
Foto: Ralf Lienert | Für eine naturverträgliche Gestaltung von Solar-Freiflächenanlagen plädiert Maritta Wolf, die Arten- und Klimaschutzmanagerin im Landkreis Rhön-Grabfeld.
Georg Stock
 |  aktualisiert: 09.05.2022 02:24 Uhr

Er ist nicht zu überhören. Der Lockruf nach dem Gold der Sonne mag verführerisch sein – und doch ist Vorsicht geboten. Statt sich vom Goldrausch durch den Bau großflächiger Photovoltaik-Freianlagen anstecken zu lassen, ist die Botschaft der Bürgermeister in der Lenkungsgruppe der Streutalallianz an die Bevölkerung diese: Vor allem Projekte, die unter den Begriff Bürgerenergie fallen, sind in der Region für eine klimaneutrale Zukunft wichtig.

Der Einsatz regenerativer Energien stellt eine Herausforderung dar, bietet zugleich aber auch Chancen für Land und Leute. Freilich gilt dabei zu beachten: "Wenn wir diesen Prozess, diese Entwicklung nicht selbst organisieren, dann werden wir organisiert", mahnte Michael Diestel, BBV-Kreisgeschäftsführer und Agrokraft-Chef, als Referent in der Allianz-Sitzung mit Nachdruck an.

Gemeinden sollen die Energiewende selbst bestimmen

"Selbstbestimmt und eigenverantwortlich" sind daher die Schlagworte, die Diestel mit Blick auf die Energiewende in den Gemeinden an die Adresse der Bürger herausstellte. Verknüpften sie doch als roter Faden drei Referate mit den Themen "Potenzialflächen für Photovoltaikanlagen" (Maritta Wolf, Arten- und Klimaschutzbeauftragte des Landkreises Rhön-Grabfeld), "Konzept Agrokraft" (Michael Diestel) sowie "Neuigkeiten Überlandwerk Rhön" (die Geschäftsführer Joachim Schärtl und Roland Göpfert) miteinander. Themenblöcke also, die im Kontext zum Ausbau regenerativer Energien stehen und aktuell ausgiebig diskutiert werden.

"Wenn wir diese Entwicklung nicht selbst organisieren, dann werden wir organisiert."
BBV-Kreisgeschäftsführer Michael Diestel zur Energiewende in Rhön-Grabfeld

Am Ende stand nach mehr als zwei Stunden geballter Information am runden Tisch in der Kulturscheune ein Fazit, das als erster Schritt hin zu einem Bündnis zu sehen ist: In Bürgerenergie-Projekte investieren gemeinsam Akteure wie Landkreis, Gemeinden sowie Allianzen, Überlandwerk Rhön und Agrokraft, regionale Banken und andere heimische Verbände oder Organisatoren wie auch Landwirte und Privatleute. "Das ist Zukunft", lautete der einhellige Tenor. Denn die Wertschöpfung bleibt vor Ort. Und Konzerne oder Investoren von auswärts bleiben außen vor.

Appell an die Bürger: In Arbeitskreisen selbst aktiv werden

Mit dieser ausführlichen Themen-Präsentation hatten Allianzvorsitzender Martin Link und Allianzmanagerin Gertraud Kokula den Nerv der Zeit getroffen. Für die Lenkungsgruppe richtungsweisend war der Blick auf Themen wie Energieeinsparung, effektive Energieverwendung und Möglichkeiten zur Nutzung von erneuerbarer Energie gerichtet. Wie es Michael Diestel in seinem Vortrag zum Konzept der Agrokraft GmbH ausführte, die die Projektierung, Initiierung, Realisierung und Optimierung von eigenständigen Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien, Landwirtschaft und Regionalentwicklung zum Ziel hat.

Das Energiedorf Großbardorf (im Bild die Biogasanlage) ist für BBV-Kreisgeschäftsführer Michael Diestel ein Erfolgsmodell in Sachen Klimaschutz und Energiewende.
Foto: Regina Vossenkaul | Das Energiedorf Großbardorf (im Bild die Biogasanlage) ist für BBV-Kreisgeschäftsführer Michael Diestel ein Erfolgsmodell in Sachen Klimaschutz und Energiewende.

Um für sauberen Strom und die Energiewende auf lokaler Ebene Überzeugungsarbeit zu leisten, ist dem Agrokraft-Chef kein Weg zu weit und keine Stunde zu viel. Das Modell der Bürgerenergie wie auch die Vokabel Energiebündnis sind für ihn zwei Schlüsselworte, wenn es darum geht, eine dezentrale Energieversorgung mit regenerativen Energien zu gestalten. Sein dringlicher Appell an die Gemeinden und ihre Bürger: "Werden Sie selbst aktiv und nehmen das Heft des Handelns in die Hand. Gründen Sie daher Erneuerbare-Energie- beziehungsweise Klimaschutz-Arbeitskreise mit bürgerschaftlichem Engagement. Nutzen Sie dies als Chance und stärken so die Region."

Energiedorf Großbardorf: Erfolgsmodell in Sachen Klimaschutz und Energiewende

Als Paradebeispiel eines Erfolgsmodells in Sachen Klimaschutz und Energiewende nannte Diestel das Energiedorf Großbardorf, das auf dem langen Weg in die Klimaneutralität in der Region ganz vorne ist. Mit Projekten wie dem Bürger-Solarkraftwerk Großbardorf, der Biogasanlage Großbardorf oder dem Windpark Großbardorf-Sulzfeld, um nur drei von insgesamt acht Projekten zu nennen.

"Nehmen Sie das Heft des Handelns in die Hand. Nutzen Sie dies als Chance und stärken so die Region."
BBV-Kreisgeschäftsführer Michael Diestel richtet einen Appell an die Bürger

Zum Thema Photovoltaik-Freiflächenanlagen hatte Maritta Wolf als Arten- und Klimaschutzmanagerin des Landkreises zunächst in einer Übersicht "Kriterien für eine naturverträgliche Gestaltung von Solar-Freiflächenanlagen" erläutert und dazu aufgerufen, den Artenschutz in Solarparks zu optimieren. Beispielsweise durch den Einsatz einer Agri-Photovoltaikanlage, die für eine Doppelnutzung steht: Am Boden wachsen die Kulturpflanzen, darüber erzeugen Solarmodule sauberen Strom. Zum anderen hat sie die Ergebnisse einer Luftbildanalyse von möglichen Photovoltaikanlagen auf bereits versiegelten Flächen im Landkreis aufgezeigt. Und dabei die Bereiche zusammengezählt, die in öffentlicher Hand sind: Rund 1,2 Hektar besitzt der Bund, 1,2 Hektar der Landkreis und etwa 7,1 Hektar besitzen die Kommunen.

Überlandwerk Rhön plant zwei neue Tochtergesellschaften

Die Präsenz der Doppelspitze in der Geschäftsführung des Überlandwerks Rhön (ÜWR) hat die Aktualität der Themen rund um die Energiewende in der Streutalallianz unterstrichen. Neben der Sicherstellung der Stromversorgung und Verteilung in der Rhön (Referat Roland Göpfert) wird der Umweltschutz im Unternehmen großgeschrieben. Dafür engagiert sich der kommunale Stromversorger in Projekten zur Nutzung regenerativer Energien und bietet seit Jahren Ökostromprodukte an (Vortrag Joachim Schärtl). Zur Ansage von "ÜW-Neuigkeiten" kündigten die beiden Geschäftsführer die Gründung von Tochtergesellschaften unter dem Dach der Überlandwerk Rhön Natur (Verwaltungsgesellschaft mbH) an, die da neu sind "ÜWR Mobilität" sowie "ÜWR Naturstrom".

Momentan scheint die Nutzung von ausschließlich Ökostrom (Stand 1990 gerade einmal ein Prozent Anteil, im Jahr 2020 dann 17 Prozent) einfach utopisch. Doch war sich die Bürgermeister-Runde einig, mit zunächst kleinen Schritten und der Umsetzung einzelner Projekte einen Beitrag für saubere Energie wie auch Schonung der Ressourcen leisten zu können. Allgemein also auf eine bessere Lebenssituation abzuzielen, die im Streutal den Blick auf das Landschaftsbild einschließt, das in Sachen Tourismus und Fremdenverkehr ja eine besondere Gewichtung erfährt. Das liegt auch Ludwig Fleckenstein – zu Gast in der Sitzung als Vorsitzender des Nordheimer Angelvereins – am Herzen, der für die Natur und die Schönheit im Streutal alle Augen offen halten will.

 
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