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Hendungen
Streutalallianz: Photovoltaik erzeugt Goldgräberstimmung
Investoren von auswärts planen große Photovoltaik-Anlagen im Streutal. Die Bürgermeister der Allianzgemeinden befürchten, dass Ackerland zum Spekulationsobjekt verkommt.
Mit Solarparks lässt sich Geld verdienen. Investoren von auswärts wollen dazu im Streutal Äcker in Industrieflächen umwandeln.
Foto: Symbolbild Thomas Obermeier | Mit Solarparks lässt sich Geld verdienen. Investoren von auswärts wollen dazu im Streutal Äcker in Industrieflächen umwandeln.
Georg Stock
 |  aktualisiert: 09.02.2024 21:33 Uhr

Es herrscht Goldgräberstimmung – hierzulande, im Streutal. Seit mit Solarparks auf Ackerland viel mehr Geld zu verdienen ist als beispielsweise mit dem Anbau von Getreide. Vor allem Investoren von auswärts sind in der Region unterwegs, um Äcker in Industrieflächen umzuwandeln und – zum Teil – große Photovoltaik-Freiflächenanlagen zu errichten. Und die Rolle der Landwirte? Einerseits bringt ihnen der Boom von Solarparks wirtschaftliche Vorteile und konstantes Einkommen, andererseits verlieren sie mitunter kostbares Ackerland. Ein brisantes Thema auch in der Streutalallianz, dem sich die Bürgermeister der Lenkungsgruppe offen und ausgiebig in seiner ganzen Bandbreite widmeten.

Ein Wort vorweg: Wichtig war dem Allianzvorsitzenden Martin Link und seinen Bürgermeister-Kollegen in der Hendunger Mehrzweckhalle der Aspekt, dass die Bedeutung der Energiewende nicht in Frage gestellt wird. Ganz im Gegenteil, ist doch der Einsatz regenerativer Energien (Bioenergie, Biogas, Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft) die Zukunft. Dennoch ist der Zeigefinger schon auch darauf gerichtet, dass nicht passieren dürfe, „umweltfreundliche Energie zu erzeugen und gleichzeitig die Umwelt zu schädigen“, so der einhellige Tenor.

Erneuerbare Energien auf wertvollem Ackerland

Was heißt Photovoltaik? Bei der photovoltaischen Nutzung von Sonnenenergie wird die Strahlung der Sonne von Solarmodulen in elektrische Energie umgewandelt. An dieser Stelle kommt das Überlandwerk Rhön (ÜWR) als Energieversorger und Netzbetreiber ins Spiel. Vom kommunalen Versorgungsunternehmen waren Prokurist Joachim Schärtl und Roland Göpfert als Technischer Leiter der Einladung gefolgt, um neben aktuellen Informationen noch Erklärungen aus technischer Sicht zu geben und das Thema Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV) umfassend zu beleuchten (siehe Info-Box).

Energiewende ja, aber . . . Die Gemeindechefs sehen sich im Zwiespalt. Im Ringen um erneuerbare Energien mehr und mehr wertvolles Ackerland zu opfern, sehen die Allianz-Bürgermeister durchaus kritisch. Zumal es, wie sich in der ausgiebig und offen geführten Diskussion zeigte, nicht an Alternativen mangelt: Neben vorhandenen Dächern könnten entsprechende Flächen entlang von Autobahnen und Bahntrassen sowie Konversionsareale zur Erzeugung von Solarstrom genutzt werden.

Der grüne Strom aus Photovoltaik-Anlagen fließt aber nicht permanent, wie der Technische Leiter des ÜWR mit Blick auf die zwei Seiten der Medaille anmerkte. Gerade in Zeiten des größten Stromverbrauchs (Winter, Dunkelheit und Kälte) produzieren die Photovoltaik-Anlagen kaum, während zur Sommerszeit, wenn sich die Menschen gern im Freien aufhalten, die PV-Anlagen – ohne den entsprechenden Verbrauch - mit voller Leistung produzieren. Die Folge: Das Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Erzeugung lässt sich immer schwerer halten, was die Netzstabilität in Deutschland negativ beeinflusst. Das Netz kann keine Energie speichern. Für eine großtechnische Nutzung  fehlt noch die geeignete Technologie.

Blick auf das Landschaftsbild

Einig war sich die Bürgermeister-Runde darin, einheitliche „Leitplanken“, also Rahmenbedingungen, für die Allianz-Kommunen aufzustellen. Vor allem auch mit Blick auf das Landschaftsbild, das in Sachen Tourismus und Fremdenverkehr eine besondere Gewichtung erfährt. Ebenso hilfreich ist es, kommunale Ausbauziele, beispielsweise eine Begrenzung der Anlagenflächen, zu formulieren und nach außen zu kommunizieren. Schließlich hat die Kommune noch ein Faustpfand in der Hand: Für Freiflächen-Photovoltaikanlagen, die im Außenbereich als selbständige Anlagen errichtet werden sollen, ist generell eine gemeindliche Bauleitplanung erforderlich.

In Stockheim, Ostheim und Nordheim haben die Rathauschefs die Antennen ausgefahren, was die Anfragen von Investoren nach Agrarflächen für Freianlagen betrifft: In Stockheim sind 14 Hektar betroffen, in Ostheim 17 Hektar und in Nordheim (allein drei Anfragen) 28 Hektar. Macht zusammen 59 Hektar.

Schließlich ließ Oberstreus Bürgermeister Stefan Kießner in zweifacher Hinsicht aufhorchen. Erst stellte er den Beitrag der Kommunen zur Energiewende heraus, indem sie die Infrastruktur, beispielsweise für die SuedLink-Stromtrasse, über ihre Gemarkungen ermöglichen. Dann informierte er über ein Gespräch mit einem vermeintlichen Investoren, der sein Interesse an einer Photovoltaik-Anlage nicht an den finanziellen Gewinn knüpfte, sondern es rein mit der Anlage als Immobilie begründete. Ackerland sozusagen als Spekulationsobjekt! Zudem wird die Energiewende auf kommunaler Seite durch alternative Wärmekonzepte beziehungsweise PV-Anlagen auf Dächern öffentlicher Gebäude direkt angegangen, wie Nordheims Bürgermeister Thomas Fischer anmerkte.

Daten, Zahlen und Fakten im Photovoltaik-Wechselspiel

Stromerzeugung mit der Sonne zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Die Tabellen und Übersichten, die Roland Göpfert in seiner Präsentation zum Thema Photovoltaik-Freiflächenanlagen erstellt hat, haben ihre Aussagekraft. Der Technische Leiter des Überlandwerks Rhön (ÜWR) hat die Anlagen, die von Projektanten und Investoren angefragt wurden, und die errichteten oder im Bau befindlichen Anlagen gegenübergestellt. Einmal für das Gebiet der Streutalallianz, zum anderen für das Netzgebiet ÜWR gesamt, jeweils seit 2018.
Der Blick auf das Gebiet der Streutalallianz: Für Photovoltaikanlagen (PV) gab es insgesamt 43 Anfragen, gebaut beziehungsweise im Bau befindlich sind lediglich acht Anlagen. Umgerechnet sind das 19 Prozent. Die Anschlussleistung aller avisierten Anlagen summiert sich dabei auf 234 177 kW oder die dreifache Höchstlast des ÜWR-Versorgungsgebiets, wie Göpfert das Potenzial aufzeigte. Die Anschlussleistung der gebauten und der im Bau befindlichen Anlagen beträgt bei voller Erzeugungslast 8919 kW, was nur vier Prozent gegenüber den avisierten Gesamtanlagen ausmacht. Zum Vergleich: Diese 8919 kW entsprechen zu zwei Dritteln dem Verbrauch der Stadt Mellrichstadt in der Höchstlast von Industrie und Privat-Haushalten.
Ein Blick auf das Netzgebiet des ÜWR: Angefragt wurden insgesamt 151 Photovoltaikanlagen, gebaut beziehungsweise derzeit im Bau sind 47 Anlagen. Das sind 31 Prozent. Als Leistungssumme aller nachgefragten Anlagen sind stolze 493 688 kW ausgewiesen, was laut Roland Göpfert mehr als einem Drittel der Leistung des ehemaligen Kernkraftwerks Grafenrheinfeld entspricht. Die tatsächliche Anschlussleistung der gebauten und derzeit im Bau befindlichen Anlagen ist mit 31 679 kW angegeben, also 6,5 Prozent der avisierten Gesamtanlagen. Die Dimension der 31 679 kW fasst in etwa die elektrische Leistung der Städte Bad Neustadt und Mellrichstadt zusammen.
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  • H. E.
    Nichts gegen "Goldgräberstimmung"

    Nur wem dient diese und auf wessen Kosten?

    Hierzu zur unverbindlichen Info/Diskussion

    -ntv- vom 24.07.2020 berichtet unter dem Titel

    "Zoll wittert Riesenbetrug bei Solarmodulen"

    Artikelauszug:
    Ein Unternehmen aus München wird verdächtigt, 33 Millionen Euro an Steuern und Zollgebühren hinterzogen zu haben. Durch einen Trick soll die Firma aus China importierte Photovoltaikanlagen zu Dumpingpreisen angeboten haben. Auch die Abnehmer stehen nun im Visier der Ermittler. Der deutsche Zoll hat einen mutmaßlichen Großbetrug bei der Einfuhr von Solarmodulen aus China aufgedeckt.

    Näheres über o.g. Quelle
    alternativ:
    www.n-tv.de/wirtschaft/Zoll-wittert-Riesenbetrug-bei-Solarmodulen-article21930906.html
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  • S. D.
    das nenne ich grüne Nachhaltigkeit und Regionalität: Deutschland, das sich nicht selbst versorgen kann, sondern auf Lebensmittelimporten angewiesen ist, pflastert seine Felder mit Solarmodulen zu. Und kriegt das gespritzte oder Gen-Ware aus Übersee. Nebenbei will man in einem überbevölkerten Land auch noch die Grenzen weit öffnen, was weiteren CO2- Ausstoß und Flächenfras für Neubausiedlungen verursacht. Viel ökologische wäre, Solarmodulen nur auf Scheunen und Häusern und anders bauen, kleinräumig mit Mehrfamilienhäusern. Wo die Feldqualität sehr schlecht ist und die letzte Jahre ohnehin fast nichts wuchs, sollten Solarmodulen möglich sein, aber sie gehören gesetzlich verboten auf Feldern mit guter Bodenqualität.
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  • H. E.
    "Photovoltaikanlagen verursacht Goldgräberstimmung"

    ergänzend Sprichwort: "Gier frißt Hirn"

    Beachte u.a. Grundgesetz Artikel -20a-
    (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere)
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  • H. E.
    Referenzbeispiel: diese "Goldgräberstimmung" gab`s schon mal in der Prokon-Windkraft u.s.w.

    Bei manchen dürfte diese "Goldstimmung" mittlerweile verstummt sein
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  • J. S.
    Flächenfrass vom Feinsten unter einem vermeindlichen grünen Deckmantel!
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