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Bad Königshofen / Würzburg
Nach der Bejagung in Main-Spessart: Wie mit der steigenden Anzahl der Nilgänse in Unterfranken umgehen?
Bis August ist Schonzeit und keine Nilgans darf gejagt werden. Statt Schießgewehr soll jetzt ein Schweißdraht helfen, den Bestand zu reduzieren.
So putzig wie hier auf dem Dachfirst zeigt sich die Nilgans nicht immer. Bis zu zwei Kilogramm Kot scheiden die Gänse pro Tag aus. Die Hinterlassenschaften verschmutzen Hausdächer, Wege und  Gewässer. 
Foto: Jerry-Louis Ruff, dpa | So putzig wie hier auf dem Dachfirst zeigt sich die Nilgans nicht immer. Bis zu zwei Kilogramm Kot scheiden die Gänse pro Tag aus. Die Hinterlassenschaften verschmutzen Hausdächer, Wege und  Gewässer. 
Henrik Rampe
Henrik Rampe
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:36 Uhr

Kot auf der Liegewiese und auf Radwegen, abgefressene Äcker und vertriebene Störche. Überall, wo die Nilgans aktuell auftaucht, sorgt sie für negative Schlagzeilen. Bei Karlstadt (Landkreis Main-Spessart) fand in der zweiten Januarwoche eine revierübergreifende Jagd statt. 50 Jäger erlegten 30 Nilgänse. Mehr werden es auch erstmal nicht. Von Mitte Januar bis Anfang August ist Schonzeit in Bayern. Es braucht andere Mittel und Wege, um die Population zu begrenzen. 

Wie viele Nilgänse gibt es in Unterfranken?

Gezählt hat sie niemand, es gibt nicht einmal aktuelle Schätzungen. Vor fünf Jahren gingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bayernweit von 100 bis 200 Brutpaaren aus. Seitdem die Nilgans in den 1990er Jahren über das Rheintal in die Mainregion wanderte, nimmt die Population rasant zu. Aktuell dürften es über 1000 Brutpaare in Bayern sein. Genaue Angaben für Unterfranken wollen weder der Landesjagdverband Bayern noch die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) machen. Was hingegen feststeht: Die Nilgans zählt zu der Vogelart, die sich am schnellsten ausbreitet.

Eine Nilgans kommt selten allein - wie die Nilgansfamilie in Karlstadt beweist.
Foto: Björn Kohlhepp | Eine Nilgans kommt selten allein - wie die Nilgansfamilie in Karlstadt beweist.

Vom Nil an den Main – warum fühlt sich die Nilgans bei uns überhaupt wohl?

Der Name verrät es: Das natürliche Verbreitungsgebiet der Nilgänse liegt in Afrika im Niltal und südlich der Sahara. Doch bereits im alten Griechenland wurden die Tiere als Ziervögel gehalten. Mittlerweile fühlen sich die Nilgänse in unseren Breitengraden so heimisch, dass sie offiziell als Neozoen gelistet sind – als Tierart, die mit menschlicher Hilfe weit weg von ihrem ursprünglichem Lebensraum ansiedelt. 

Dabei stellt die Nilgans keine hohen Ansprüche. Heimisch wird sie in Feuchtwiesen, in Bach- und Flussauen, Kiesgruben und Parkteichen. Bei ihrer Brutzeit ist die Nilgans genau so flexibel wie beim Brutplatz – Hauptsache Wasser ist in der Nähe.

Natürliche Fressfeinde hat die Nilgans keine, die Bedingungen in Unterfranken sind ideal für die subtropische Vogelart. "Milde Winter, flaches Land, grüne Wiesen, Weiher und Weiden - hier findet die Nilgans alles, was sie liebt", sagt Christian Wagner von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).

Jäger Günther Ruf mit den erlegten Nilgänsen am Karlburger Mainufer. Auch ein Kormoran ist dabei.
Foto: Karlheinz Haase | Jäger Günther Ruf mit den erlegten Nilgänsen am Karlburger Mainufer. Auch ein Kormoran ist dabei.

Wird die Nilgans zum Problemvogel? 

Eine Plage? Ein aggressiver Vogel, der überall seinen Kot hinterlässt? Eine Bedrohung für andere Vogelarten? Viel Kritik und eine lange Liste an Vorurteilen, die dem 70 Zentimeter großem Vogel entgegenschlagen. Aber der Reihe nach: Die Nilgans steht auf der Liste der "invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung", was keine Auszeichnung für die Nilgans ist. Denn auf der Liste der Europäischen Kommission landen exotische Tiere und Pflanzen, die zumindest potenziell zum Problem für heimische Arten werden, weil sie mit ihnen um Nahrung und Nistplätze konkurrieren. 

Die Gänse gelten dabei nicht gerade als zimperlich: Vereinzelt vertreiben sie sogar Greifvögel und Störche aus dem Nest. Der Naturschutzbund (NABU) ist einer der wenigen Fürsprecher des Wasservogels, da bislang wissenschaftlich nicht belegt sei, dass die eingeschleppte Art heimische Vögel gefährdet. 

Wie hat die Nilgans bisher in Unterfranken für Aufsehen gesorgt?

In Unterfranken macht die Nilgans seit Jahren von sich reden. Ein Problem sind verkotete Wiesen wie am Badesee Erlabrunn (Lkr. Würzburg). Ein Jagdpächter erschoss daraufhin Nilgänse am See, die Tierrechtsorganisation Peta stellte Strafanzeige. 

In Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) soll ein 90 Zentimeter hoher Zaun neben den Fußwegen der Maradiesseen, die Vögel verdrängen. In Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld) nistete sich im Sommer 2020 eine Nilgans-Familie auf dem Kirchturm ein. Beim ersten Ausflug stürzten die Jungtiere vom 65 Meter hohen Turm auf die Straße, der Verkehr wurde kurzzeitig gestoppt. In Karlstadt (Lkr. Main-Spessart)  hat sich ein Jäger als Koch versucht, die exotische Gans gerupft, ausgenommen und anschließend im Vakuum gegart. "Dann ist sie butterzart und schmeckt hervorragend", erzählte Jäger Günther Ruf nach seinem Kochexperiment. 

Für die Landwirte ist die Nilgans kein Festmahl, sondern ein Erntefresser. Allein in der Region Sand/Haßfurt verursachten Nilgänse 2022 Fraßschäden in Höhe von 39.000 Euro. "Trauriger Rekordwert", sagt Klaus Pieroth, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands.

Abschießen, verscheuchen oder Eier unfruchtbar machen: Wie umgehen mit der Nilgans?

Besonderen Schutz genießt die eingebürgerte Nilgans nicht. Im Gegenteil: Mit "Management-Maßnahmen" fordert die EU-Kommission dazu auf, die Ausbreitung der Nilgans zu stoppen.

In Unterfranken haben sie es auf die schonende und die rabiate Weise versucht. Seit 2014 darf in Bayern auf die Nilgans geschossen werden. Und das passiert immer häufiger, vor allem in Unterfranken – in keinem Regierungsbezirk werden mehr Nilgänse geschossen.

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Von 2014 bis 2021 hat sich die Zahl der geschossenen Nilgänse mehr als verdreifacht. 1023 Tiere erlegten die unterfränkischen Jäger im Kalenderjahr 2021, bayernweit sind es 2993. Der Aufwand ist groß, die Beute oft gering.

"Gänsemanagement" ist ein Wort, das Christian Wagner täglich benutzt. Als Landschaftsökologe koordiniert er das Gänsemanagement bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Die Arbeit geht ihm nicht aus. Seit Mai 2022 dürfen die Eier bis zum 14. Tag der Ei-Entwicklung unfruchtbar gemacht werden. Dabei schlitzt ein fixierter Schweißdraht das angebrütete Ei an und über eine Kanüle werden Erdpartikel ins Eigelb eingeführt.

Fünf Jahre lang wurde die Methode unter anderem im Maintal getestet. Für den Ökologen Wagner ist der Ansatz effizient und human, weil er den Nachwuchs töte bevor er ein Schmerzempfinden ausbilde. Nur braucht es für die sogenannte Gelegebehandlung eine Ausnahmegenehmigung, eine Durchleuchtungsstation, um das Entwicklungsalter des Eis zu bestimmen und gute Ortskenntnis. Nilgänse ziehen sich in der Brutzeit oft in Kiesgruben oder Erdhöhlen zurück, um fünf bis zehn Eier zu legen. 

Schreckschusspistolen, Modellflugzeuge, Drohnen und Laser, egal, was bisher sonst zum Einsatz kam – der Wasservogel lässt sich damit maximal kurzfristig verscheuchen. 

Mit einem Zaun sollen die Nilgänse in  Marktheidenfeld von den Maradiesseen vertrieben werden. Eine Öffnung im Zaun durchkreuzte kurzzeitig den Plan. 
Foto: Nicolas Bettinger | Mit einem Zaun sollen die Nilgänse in Marktheidenfeld von den Maradiesseen vertrieben werden. Eine Öffnung im Zaun durchkreuzte kurzzeitig den Plan. 

Wie verhalte ich mich gegenüber der Nilgans?

"Auf keinen Fall füttern", sagt Hartwig Brönner, stellvertretender Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz in Bayern. Die Vögel würden sich merken, wo es ein attraktives Futterangebot gibt und immer wieder an die Orte zurückkehren. Vogelschützer Brönner wünscht sich deshalb mehr "Füttern verboten"-Schilder am Main und Mülleimer, die regelmäßig geleert werden. Ansonsten gelte das Prinzip, was immer zum Tragen kommt, wenn Menschen auf Tiere treffen: "Wenn du mir nichts tust, dann tue ich dir auch nichts." Nur wenn Nilgänse gestresst werden oder Spaziergänger sich zu nah an ihre Jungtiere wagen, beginnen sie, ihren Nachwuchs zu verteidigen.

 
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  • UweSteigemmann
    An einem mir bekannten Vogelschutzgebiet waren viele Jahre Unmengen an verschiedenen teils seltenen Wasservögel zu beobachten. Seit dem die Nilgans sich dort niedergelassen hat, sind kaum noch andere Wasservögel hier. Die Nilgans hat diese nicht nur vergraben sondern auch die Kücken und Eier der anderen Vögel getötet und zerstört. Nicht mal die großen Greife trauen sich mehr an die Nilgans ran. Sogar der Waschbär und Fuchs werden vertrieben. Leider wieder mal ein Beispiel dafür das der Mensch diese Art nicht hätte einschleppen dürfen.
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Die Nilgans hätte andere Wasservögel vergraben schreiben Sie. Das wäre in der Tat ein seltsames Verhalten. Bären vergraben gelegentlich ihre Beute. Aber Nilgänse?
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  • GWM
    Ich vermute, das vergrämen gemeint war... Fand die Idee aber lustig, wie diese Gänse wasservögel einbuddeln.
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  • jebusara@web.de
    So ist das halt, wenn eine invasive Lebensart der einheimischen Konkurrenz macht. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo es lästig wird.
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  • GWM
    So oder so ähnlich sehen das die indigenen Völker weltweit auch im Hinblick auf europäischen Kolonisierungswahnsinn .

    Außerdem gehören Kartoffeln und Tomaten in Deutschland ausgemerzt und die Truthahnhaltung verboten!
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  • g.a.diener
    so ein schmarrn
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  • GWM
    Wow !
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  • Doedi.wue
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  • FischersFritz
    Insgesamt erscheint mir das menschliche Denken und Handeln oftmals geradezu schizophren. Dass sich Tier- und Pflanzenarten stärker ausbreiten, die an Umgebungsbedingungen besser angepasst sind, nennt man Evolution. Und dagegen ist - zumindest langfristig - nix zu machen.

    Erst vollkommen blindwütig den eigenen Lebensraum verändern, sich dann über Veränderungen der Flora und Fauna wundern und am Ende versuchen, sich mit einem irrwitzigen Aufwand gegen evolutionäre Prozesse zu stellen … Herr wirf Hirn vom Himmel!
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  • GWM
    Vor ein paar Tagen habe ich am Rande meines Wohnortes ein Pärchen dieser schönen Vögel beobachtet.

    Da hab ich dann extra meinen Hund an die Leine genommen,
    damit der die Gänse bloß nicht aufscheucht .
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  • Mementomori
    @GWM...dann geht es ihnen sehr schlecht, denn andere können nicht nur ein Pärchen, sondern Zig Vögel vom Küchentisch aus auf den Nachbarsdächern beobachten....das ist ein Segen, denn die Nachbarn beobachten das gleiche Schauspiel auf deren Dächern!
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  • joebleifuss
    Wenn die wildschweine auf einem frisch gesäten Acker sich der Nahrung bedienen , ist das Geschrei der Landwirte am nächsten Tag groß und der Jägerschaft wird Untätigkeit unterstellt. Wenn aber den ganzen Tag Rabenvögel Korn für Korn über Stunden in großen Scharen futtern und jetzt ja aktuell auch noch die Nilganz sich hier damit beschäftigt das Saatgut zu verspeisen, schauen die Bauern geduldig zu . Für den Schaden von der Sau gibts wildschadensersatz für den Schaden durch die Vögel nicht .
    Eine Abschussprämie vom Vater Staat könnte eine Animation zur intensiveren Bejahung werden .
    Ansonsten ist die Jägerschaft ja in vieler Augen nur noch ein Dienstleister .
    Der aber für seine Dienstleistungen auch noch bezahlt
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  • zwrecht@aol.com
    das geht so aus wie das "Bibermanagement". Kläranlagen und Dämme werden unterspült, Äcker und Wiesen unter Wasser versumpft, Bäume unter Wasser gesetzt bis sie absterben, ganze Ufersäume werden kilometerweit entwaldet. Und dann wenn die hinter dem Biberdamm liegenden nachfolgenden Bäche austrocknen und unzählige gefährdete andere Arten längst umgekommen sind oder die Kläranlage nicht mehr funktioniert...dann...dann....dann und erst nach dem letzten "dann" dürfen sie entnommen werden. Eine invasive Art mit Schutzzeiten? Wo fängt das an, wo hört das auf? Wenn schon die EG mal für invasive in Ihrer Verordnung Nr. 1143/2014 vom 22. Oktober 2014 vorschreibt: Invasive Arten in einem frühen Verbreitungsstadium sollen im Sinne der Verordnung vollständig bekämpft werden." Was gibts dann für Fragen, Schutzzeiten beim Wort "vollständig? ". Nur deutsche Bürokratie und zaudernder Scholzismus suchen da noch Interpretationsspielräume. Also ran an die fette Gans!
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  • Platons
    1.000 Brutpaare gibt es mit Sicherheit schon zwischen Würzburg und Marktheidenfeld. Im Artikel steht das diese 2.000 Tiere Bayernweit vorkommen aber auch knapp 3.000 im Jahr 2021 geschossen wurden. Dann wäre die Population rückläufig ?
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  • georg-ries@web.de
    wenn sie gut schmecken, dann bejagen und genießen!
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Den Pharaonen dienten u.a. Nilgänse als Proviant auf dem Weg ins Jenseits. Und die Pharaonen wussten sicher was gut ist.
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  • GWM
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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