Es schafft Gemeinschaft, Betroffenheit und am Ende vielleicht ein bisschen Dankbarkeit für das Gute in der Welt: An diesem Freitag präsentiert die Udo-Lindenberg-Mittelschule Mellrichstadt stolz ihr neues Projekt "Bis es dunkel wird". Eine Weihnachtsgeschichte, die eine über 70 Jahre alte Kurzgeschichte, ein vor 40 Jahren veröffentlichtes Lied und den Wunsch nach Frieden auf der Welt in sich vereint. Zusammengefasst in einem Video, das die Schrecken des Kriegs thematisiert, aber auch bewusst machen soll, in welch guten Zeiten viele von uns leben. Aber eben nicht alle. Und genau hier nimmt alles seinen Anfang.
Die Schulfamilie der Udo-Lindenberg-Mittelschule ist bekannt dafür, Flagge zu zeigen gegen Diskriminierung und Rassismus, aber auch kreativ zusammenzuarbeiten und die Gemeinschaft zu stärken. An diese Ideale will Schulleiter Achim Libischer auch in diesem Jahr anknüpfen. Er hatte die Idee, die Kurzgeschichte "Nachts schlafen die Ratten doch" von Wolfgang Borchert mit dem Udo-Lindenberg-Song "Wozu sind Kriege da" von 1981 miteinander zu verknüpfen. Die bewegende Geschichte, 1947 in der Nachkriegszeit entstanden, und das Lied, geschrieben in einer Zeit, als der Kalte Krieg die Welt in Atem hielt, zeigen auf, was heute noch viele Menschen rund um den Globus erleben: Angst, Leid, Zerstörung und Vertreibung.
Yousef hat die Geschichte am eigenen Leib erlebt
Während Jugendliche nahezu in ganz Europa in Frieden aufwachsen, müssen Menschen im Nahen Osten um ihr Leben fürchten. So wie Yousef, der mit seiner Familie aus Syrien floh und Borcherts Geschichte am eigenen Leib erlebt hat, wie er sagt. "Ich habe viel Grausames gesehen", flüstert der junge Mann, der die siebte Klasse der Mittelschule besucht und seinen Mitschülern sehr persönlich von Krieg und Flucht erzählt hat. "Die Geschichte wiederholt sich, sie ist heute so aktuell wie vor 75 Jahren", sagt Achim Libischer mit Blick auf die Flüchtlingskinder, die an der Schule unterrichtet werden. Für ihn ein Grund mehr, das Thema aufzuarbeiten und in einen Appell für Frieden umzuwandeln.
Dafür steht auch Lukas, der für seine Schule erst kürzlich ein Courage-Coaching-Seminar in Würzburg absolviert hat (die Mittelschule gehört bekanntlich dem Netzwerk "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" an). "Unter den Teilnehmern waren zwei Flüchtlinge", berichtet er, und was sie zu erzählen hatten, habe ihn sehr berührt. "Sie mussten alles zurücklassen und neu anfangen, auch eine neue Sprache lernen. Für sie war es wichtig, Hilfe zu finden statt ausgegrenzt zu werden", sagt der Achtklässler. Das will er auch an der Mittelschule umsetzen.
Jamal ist als Schauspieler ein Naturtalent
"Das Thema hat uns emotional sehr gepackt", bestätigt auch Lehrerin Kerstin Sauer, die für die musikalische Gestaltung des neuen Weihnachtsvideos verantwortlich zeichnet. Kriegsberichte im Fernsehen zu sehen, ist eine Sache. "Aber wenn dies einem Mitschüler passiert, das bleibt haften." Und soll als Botschaft nach außen transportiert werden.
Die Umsetzung in ein acht Minuten langes Video ist professionell und ergreifend. Für Mitwirkende wie für Zuschauer. Eingebettet in Gesangspassagen spielen Jamal aus der sechsten Klasse und Sophia aus der zehnten Jahrgangsstufe die an Borcherts Klassiker angelehnte Geschichte um einen neunjährigen Jungen nach, der seinen nach einem Bombenangriff getöteten Bruder bewacht, um ihn vor den Ratten zu beschützen. Besonders Jamal habe sich dabei als Naturtalent herausgestellt, so die Verantwortlichen. Auch der Gesang beeindruckt. Kerstin Sauer hat intensiv mit den Protagonisten geübt, die Soloparts übernehmen, und zum Finale einen großen Chor zusammengestellt, der aus 250 Kehlen eine Frage formuliert: "Wozu sind Kriege da?"
Zwei Monate Arbeit stecken in acht Minuten Kunst
Rund zwei Monate haben Jugendliche und Lehrer investiert, um aus dem Video ein kleines Kunstwerk zu machen. Lehrerin Lena Grötsch, zuständig für Technik und Organisation, hatte sogar einen Facebook-Aufruf gestartet, um im Vorspann echte Ratten zeigen zu können. Die Trümmerszenen wurden auf den Rothhaupt-Gelände in Stockheim gedreht, wo gerade Altbauten abgerissen wurden.
Für die Gesangseinlagen hatten sich zahlreiche Schülerinnen und Schüler gemeldet. Kerstin Sauer freut sich, dass die jungen Leute den Mut aufbringen, allein vor der Kamera zu singen. "Zumal das Stück wirklich schwierig ist." Elias aus der sechsten Klasse sieht sich da schon als alten Hasen. Er hat schon im vergangenen Jahr einen Einzelpart im Weihnachtsvideo "Imagine" gesungen. "Frau Sauer hat gesagt, sie braucht mich unbedingt", gibt er stolz preis. Für Laura aus der neunten Klasse war das Gesangstück hingegen eine Premiere. "Ich war zwar sehr aufgeregt, aber es hat viel Spaß gemacht", versichert sie rückblickend.
Die Gesangseinlagen wurden im Tonstudio von Sebastian Schneider aus Mellrichstadt aufgenommen, der auch die einzelnen Videosequenzen gedreht und zusammengefügt hat. "Die Zusammenarbeit ist für uns natürlich Gold wert", lobt Achim Libischer den Fachmann, der nach dem Erfolg von "Imagine" im vergangenen Jahr – das Video wurde knapp 23 000-mal geklickt – wieder viel Zeit und Herzblut in das neue Projekt investiert hat.
250 Schülerinnen und Schüler singen "Wozu sind Kriege da?"
Zu guter Letzt hat der große Chor, der die Abschlusspassage singt, voll eingeschlagen. 250 der insgesamt 350 Schülerinnen und Schüler der Mittelschule singen das 40 Jahre alte Lied von Udo Lindenberg über die Unsinnigkeit von Kriegen. Das wird sicher auch dem Meister gefallen, der von der Schule über das neue Weihnachtswerk informiert wird. "Die Begeisterung in den Klassen, die einzeln dafür geprobt haben, war immens", freut sich Kerstin Sauer. Beeindruckend dazu die schwarz-weiß-Bilder, abwechselnd Nah- und Gesamtaufnahmen der singenden Schüler, die im großen Pausenhof der Schule auch die Abstandsregeln einhalten konnten.
"Eigentlich war zum Abschluss des Jahres heuer ein Theaterstück geplant", sagt Rektor Libischer. Doch wie im Vorjahr machte die Corona-Pandemie dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. "Folglich haben wir uns erneut für ein Video mit besonderer Botschaft entschieden." Das ist in zweierlei Hinsicht wichtig für die Schulfamilie, so Libischer. "Wir wollten zum einen etwas Verbindendes für alle Schüler vor den Festtagen schaffen. Darüber hinaus wollen wir mit dem Video aber auch ein Statement in der Weihnachtszeit setzen und eine Friedensbotschaft in die Welt aussenden." Mission erfüllt – sehen Sie selbst!
Das Weihnachtsvideo 2021 wird an diesem Freitagmorgen auf der Online-Plattform YouTube veröffentlicht und kann auch unter www.mittelschule-mellrichstadt.de abgerufen werden.