
Zwei Missbrauchsbetroffene werden der Lüge bezichtigt. Sie seien nur auf Geld aus, das die evangelische Kirche ihnen zahlen würde, meint ein Bürger aus Willmars. Seine harten Äußerungen hätten in dem kleinen Ort im Landkreis Rhön-Grabfeld für Unverständnis gesorgt, sagt Dagmar Herda. Als Vorsitzende des Diakonievereins ist sie verantwortlich für das evangelische Kinderheim Nicolhaus.
Ehemaligen Heimkindern zufolge war die Einrichtung in Willmars in den 1960er und 1970er Jahren ein Ort der körperlichen, psychischen und sexualisierten Gewalt. Sie seien dort - und im Pfarrhaus - brutal geschlagen und vergewaltigt worden. Klaus Spyra und Hermann Ammon haben Vorwürfe öffentlich gemacht und beschuldigen einen ehemaligen Heimleiter sowie den damaligen Ortspfarrer. Seither rumort es in Willmars.
Der frühere Bürgermeister, Lehrer und Lokalhistoriker Gerhard Schätzlein schickte dieser Redaktion nach der Veröffentlichung der Vorwürfe der beiden früheren Heimkinder ein zweiseitiges Schreiben. Er sprach von "Gegendarstellung" und kündigte bei der Vereinbarung eines Treffens in Willmars 20 Menschen an. Sie würden "Beweise" bringen, dass der beschuldigte Pfarrer unschuldig sei und verleumdet würde.
Zu dem Treffen im Haus von Schätzlein im Willmarser Ortsteil Filke kam dann nur ein mit ihm befreundetes Ehepaar.
Ammon und Spyra betonen: "Wir nehmen nichts zurück, wir stehen zu unseren Vorwürfen gegen den Diakon und den Pfarrer." Ebenso ein dritter Betroffener, der jedoch nicht an die Öffentlichkeit wolle. Sie könnten nachvollziehen, dass ihre Aussagen im Ort für Entsetzen sorgten und zurückgewiesen würden – "weil sie so furchtbar sind, nicht nur für uns".
"Wir waren sadistischer Gewalt ausgesetzt", sagt Spyra. Er frage sich, ob der mit dem damaligen Pfarrer befreundete Dorflehrer damals tatsächlich nichts mitbekommen habe. "Wut und Trauer!", so fasst der 62-Jährige seine Reaktion auf Schätzleins "Gegendarstellung" zusammen. Er fragt sich, warum der frühere Lehrer und Bürgermeister den Pfarrer so vehement verteidige, den Diakon und Heimleiter jedoch nicht.
Was Ammon klarstellen will: "Von den Dorfbewohnern ging für uns Kinder keine Gefahr aus. Dort sind wir angstfrei herumgelaufen."
Kirche und Diakonie erkennen Vorwürfe an
Die Kirche und die Diakonie haben die Vorwürfe der Betroffenen anerkannt. Von der Sprecherin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Christine Büttner, heißt es auf Nachfrage: "Die Aussagen der betroffenen Personen sind für uns absolut glaubwürdig." Und: "Wir teilen Herrn Schätzleins Aussage so nicht."
Auch Dagmar Herda vom Diakonieverein Willmars stellt sich hinter Spyra und Ammon und den dritten Betroffenen. Willmarser hätte ihr mitgeteilt, wie entsetzt sie über Schätzleins Lügenvorwürfe seien. Sie wüssten, dass der damalige Pfarrer willkürlich gewalttätig gewesen sei. Die Hinweise auf sexualisierte Gewalt könnten sie jedoch weder bestätigen noch widerlegen.
Zur weiteren Klärung fanden inzwischen in Willmars zwei Gespräche der Betroffenen mit Diakonie und der evangelischen Landeskirche statt. Die vielen Fragen der ehemaligen Heimkinder seien noch nicht beantwortet worden, sagen Ammon und Spyra. Ihnen wurde bereits von der Kirche eine finanzielle Anerkennung zugesprochen, sie fordern jedoch zusätzlich eine konsequente Aufarbeitung.
Landeskirche kündigt externe Aufarbeitung an
Auf Nachfrage teilt die Sprecherin der Landeskirche mit: "Unter Beteiligung der betroffenen Personen soll es eine externe Aufarbeitung geben. Dafür müssen unter anderem noch die Fragen nach den nötigen Expertisen der aufarbeitenden Personen und der Finanzierung geklärt werden. Die betroffenen Personen werden an diesem Prozess beteiligt."
"Extern" bedeutet laut Ammon und Spyra: "Historiker und Juristen sollen unseren Fall untersuchen." Bereits vorab haben beide Einsicht in die Personalakte des beschuldigten Pfarrers gefordert. Die Kirche hat sie laut Büttner eingesehen. Ob es darin Hinweise auf missbräuchliche Verhaltensweisen gibt, darüber könne aufgrund des Persönlichkeitsschutzes auch posthum keine Auskunft gegeben werden.
In der "Klärungsphase": Noch unklar, wie Aufarbeitungsprozess aussehen wird
Zur Frage, warum noch keine Vertreterin oder kein Vertreter der Landeskirche zum Gespräch mit der Gemeinde nach Willmars kam, teilt die Sprecherin mit: Die "Klärungsphase" laufe noch, es gebe "noch keine konkreten Ergebnisse", wie der externe Aufarbeitungsprozess aussehen werde. Dies ginge nur in enger Abstimmung mit dem Diakonieverein Willmars. Man informiere in absehbarer Zeit vor Ort durch einen Vertreter der Kirche und des Diakonievereins über den aktuellen Stand.
Inzwischen haben sich weitere Betroffene bei der Redaktion gemeldet.
Der Diakonieverein Willmars hat seit kurzem eine eigene Homepage. Infos unter www.diakonieverein-willmars.de
Da gehe ich mit Ihnen Herr Arold konform.
Wenn man ja diese Berichterstattung bis jetzt verfolgt hat, stehen die Verfehlungen/Verbrechen, wohl außer Frage.
Wie ja auch schon berichtet, halten sich ja der größte Teil der Einwohner bedeckt oder haben sich lediglich anonym der Main Post gegenüber geäußert.
Ist auch in einem Ort diese Größe nachvollziehbar. Kein Alleinstellungsmerkmal.
Steht man auf der Seite der Betroffenen wird einem wohl das Leben in Willmars zur
Hölle gemacht.
Lediglich der Lokalhistoriker hat von Beginn an die Opfer als Lügner denunziert und den Beschuldigten die Stange/Loyalität bekundet.
Jetzt darf ich auch noch lesen, daß dieser Mensch, für seine Betätigung für die Freundschaft zwischen Thüringen und Bayern mit Pauken und Trompeten geehrt wurde.
Weshalb wird meiner Meinung nach eine zweifelhafte Person, im Sinne der Aussagen zur Missbrauchssituation, der Rote Teppich ausgerollt?