
Das Ausmaß dessen, was die Männer und Frauen über ihre Zeit vor über 50 Jahren im evangelischen Kinderheim in Willmars schildern, wird immer ungeheuerlicher. Zuerst waren es Vorwürfe gegen den Diakon, der von 1969 bis 1971 als Heimleiter fungierte. Danach kamen die Beschuldigungen gegen den früheren Ortspfarrer der kleinen Gemeinde im Landkreis Rhön-Grabfeld hinzu. Er hatte viele Jahre im Nicolhaus die Heimaufsicht.
Hermann Ammon und Klaus Spyra hatten die schweren Missbrauchsvorwürfe erstmals öffentlich gemacht. Inzwischen hat sich die Zahl der Opfer, die teilweise in die Öffentlichkeit gingen, auf sechs erhöht. Und es werden jetzt insgesamt fünf Personen der körperlichen Gewalt und des sexuellen Missbrauchs bezichtigt, darunter eine Person, die zum Umfeld des Kinderheimes gehörte.
In einem Gespräch mit dieser Redaktion erzählte eine betroffene Frau, was diese Person ihr einst angetan habe. Sie spricht von Vergewaltigung außerhalb des Kinderheims. Von großen Schmerzen. Sie sei 14 Jahre alt gewesen.
Betroffener spricht von "pädokriminellem Netzwerk"
Jetzt nahm die Frau erstmals an einem der Aufarbeitungstreffen in Willmars mit Betroffenen und Vertreterinnen von Diakonie und der Landeskirche teil und berichtete dort.
Die Reaktion sei betretenes Schweigen gewesen, sagt Klaus Spyra nach dem Treffen. "Man hätte eine Nadel fallen hören". Für ihn sind die Vorfälle im Kinderheim und ihre Dimension monströs. Er vermutet ein "pädokriminelles Netzwerk".

Hermann Ammon sagt: "Für uns ist eine Welt zusammengebrochen." Dieser jetzt auch beschuldigte Mann sei von ihnen bislang als freundlich und gut empfunden worden.
Er und Spyra hätten nicht gewusst, dass der Beschuldigte außerhalb und auch im Heim Mädchen verbal sexuell belästigt habe und handgreiflich geworden sein soll.

Nachdem die Betroffene einem Kind aus der Mädchengruppe anvertraut hatte, was ihr von diesem Mann außerhalb des Heims angetan worden sei, habe es der Heimleitung "gepetzt". Diakon und Pfarrer verhörten daraufhin die damals 14-Jährige. Vor allem "der Pfarrer wollte alles ganz genau wissen und hat ständig nachgefragt", sagt sie.
Größere Konsequenzen blieben aus. Die Betroffene sagt, der Beschuldigte habe ein Hausverbot erhalten. Allerdings habe es gegen sie, das 14-jährige Opfer, Androhungen gegeben, sie in ein Heim für schwer Erziehbare zu schicken.
Betroffene berichtet: Pfarrer führte Mädchen Zäpfchen ein
Die Frau hat bis heute detaillierte Erinnerungen an ihre Zeit im Nicolhaus. Fast zehn Jahre war sie dort und musste schwere Arbeiten leisten. Das habe zu körperlichen Schädigungen geführt, unter denen sie bis heute leide.
Auch sei es zu massiven Übergriffen durch den Pfarrer selbst gekommen. Er habe den Mädchen auf der Krankenstation Zäpfchen eingeführt. "Das hat immer sehr weh getan."
Bei Bestrafungen – etwa Schläge auf den nackten Po – hätten die Mädchen auch dann ihre Unterhosen herunterziehen müssen, als sie ihre Menstruation hatten. "Es war uns so peinlich", sagt die Frau.
Heimleiterin und "Hausmutter" soll Verhältnis mit Jungen gehabt haben
Kein Geheimnis habe die frühere Heimleiterin, die "Hausmutter", zu ihrem Verhältnis mit einem älteren Heimjungen gemacht. Als sie das Nicolhaus verließ, "hat sie ihn mitgenommen".
Andere Vorwürfe gegen die Heimleiterin hatte unter anderem das frühere Heimkind Waltraud Niklaus im November im Gespräch mit dieser Redaktion geäußert. Die Leiterin habe versucht, ihre Mutter von einer Anzeige gegen den Pfarrer abzuhalten, sagt Niklaus. Er habe bereits vor Gericht gestanden, die Mutter brauche nichts zu unternehmen.
Der Auslöser, dass sich weitere ehemalige Heimkinder entschlossen haben, über ihre Zeit im Nicolhaus zu berichten, war ein Artikel dieser Redaktion. Darin wirft der frühere Bürgermeister von Willmars und Lokalhistoriker Gerhard Schätzlein Ammon und Spyra vor, zu lügen. Ihre Erzählungen seien Schwindel. Sie seien nur aufs Geld aus, das die Kirche ihnen zahlt.
Das sorgte für Entrüstung bei anderen ehemaligen Heimkindern. Spyra und Ammon sind sich inzwischen sicher: Es bleibt nicht bei den fünf Beschuldigten.
Der Täter ist, wie bekannt, ja schon verstorben.
Die Frage die sich jetzt für mich stellt ist jene:
Könnte eigentlich eine rechtliche Prüfung, des ehemaligen Bürgermeister
und Lokalhistoriker, wegen Mitwisserschaft und Strafvereitelung eingeleitet werden.
Da man ja schon im Verlauf den Eindruck bekam, daß dieser „FREUND“ die Opfer
als Lügner bezeichnete und seinen „FREUND“ als integer bezeichnete.
Wundere mich schon daß da mit einer Vehemenz die Glaubhaftigkeit der Opfer
angezweifelt wird, vor allem von diesem Herrn Schätzlein.
Daher müsste m.M. nach eine rechtliche Schuldbeteiligung geprüft werden,
da ja das deutsche Rechtssystem immer einen Schuldigen sucht.
Handlungsleitend waren also Status, Amt, Netzwerke und Kumpanei, der "Ruf" der Institution zählte mehr als das Recht auf Leib und Leben der Schützlinge.
Hinzu kommt: je länger und beharrlicher die dreisten autoritären Bagatellisierungs- und Vertuschungsversuche erfolgen, desto mehr Vertrauen wird zerstört.
Der Vertrauensverlust in Institutionen ist ja mittlerweile nicht mehr kleinzureden und Inhalt von Analysen und Podiumsdiskussionen…