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Mellrichstadt
Landrat Habermann zur Notarztstudie: "Wir sind uns einig, dass die Standorte bleiben, wie sie sind."
Gute Nachrichten für Mellrichstadt und Bischofsheim: Rhön-Grabfelds Kreisräte positionierten sich gegen die Notarztstudie und für einen Standort-Erhalt.
Dr. Georg Kochinki, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, informierte den Kreistag Rhön-Grabfeld über die notärztliche Versorgungssituation im Landkreis.
Foto: Heiko Becker | Dr. Georg Kochinki, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, informierte den Kreistag Rhön-Grabfeld über die notärztliche Versorgungssituation im Landkreis.
Ines Renninger
 |  aktualisiert: 01.08.2024 02:42 Uhr

Im Herbst 2022 veröffentlichte das Bayerische Innenministerium eine Notarztstudie, die eine Reform des Notarztsystems andenkt. Das Planungsszenario der Studie sieht für den Landkreis Rhön-Grabfeld eine Streichung der Notarztstandorte Bischofsheim und Mellrichstadt vor. Stattdessen soll ein neuer Notarztstandort in Bastheim errichtet werden. 

Wie realistisch ist es, dass die Empfehlungen der Notarztstudie in Rhön-Grabfeld umgesetzt werden und welche Möglichkeiten gibt es, das abzuwehren – diese Frage stellte sich der Rhön-Grabfelder Kreisrat Peter Suckfüll gemeinsam mit fünf weiteren Vertretern der CSU-Fraktion und bat um Information des Kreistags. In der jüngsten Sitzung berichtete Notarzt Dr. Georg Kochinki aus Stockheim, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst im Rettungsdienstbereich Schweinfurt, über die Ist-Situation und potenzielle Auswirkungen der Studie. 

Studie hat Empfehlungs-Charakter, die Entscheidung treffen die Rettungsverbände vor Ort

Sowohl Georg Kochinki als auch Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann, verwiesen auf den Empfehlungs-Charakter der Notarztstudie. Es gebe "keinerlei Gebot", die Studien-Empfehlungen umzusetzen. Letztlich träfen die Rettungsverbände vor Ort die Entscheidung.

Wie ist die momentane Notarzt-Situation? In Rhön-Grabfeld würden laut Kochinki aktuell circa 80.000 Einwohner auf 1000 Quadratkilometern Fläche über vier Notarztstandorte (Bad Neustadt, Bad Königshofen, Mellrichstadt und Bischofsheim) versorgt. Pro Standort leisteten weniger als zehn aktive Notärzte Dienst. Statistisch gesehen seien diese zwischen 45 und 70 Jahre alt. Ihre Dienste absolvieren sie als Selbstfahrer nahezu zu 100 Prozent in der Freizeit, so Kochinki. 

Vor allem in Bad Königshofen und Mellrichstadt können Notarzt-Dienste oft nicht besetzt werden

Hintergrund und Anlass der Studie, so Kochinki, seien die zunehmenden Besetzungsprobleme in vielen Notarztstandorten. Für das erste Halbjahr 2024 hatte Kochinki die Rhön-Grabfeld-Zahlen mitgebracht: Auch dort existiert das Problem nicht-besetzter Dienste. Während der Standort Bad Neustadt zwar nahezu "vollbesetzt" war, lagen die nicht-besetzten Stunden in Bischofsheim bei circa 40 Prozent, in Bad Königshofen und Mellrichstadt jeweils bei rund 60 Prozent.

Die Empfehlungen der Notarztstudie, die Standorte Bischofsheim und Mellrichstadt zu schließen und stattdessen einen neuen Standort Bastheim zu errichten, bezeichnete Kochinki als Ergebnisse eines mathematischen Algorithmus, die "an der Realität vorbei" gingen. "Ich kenne keinen PC, der schon mal ein gutes Bier auf dem Kreuzberg getrunken hat", sprach er den Ergebnissen schmunzelnd lokale Kompetenz ab. Zumal die Studie von Voraussetzungen wie einem fest etablierten Telenotarztsystem ausgehe, die aktuell gar nicht gegeben seien. 

Klare Positionierung von Landrat Thomas Habermann pro Bischofsheim und Mellrichstadt

Ob es entsprechend sinnvoll sei, dass der Kreistag einen Antrag stelle, mit der Studie und ihren Ergebnissen keinesfalls einverstanden zu sein, wollte Suckfüll in der anschließenden Diskussion wissen. "Brauchen wir nicht", so Habermanns klare Antwort. "Wir sind uns einig, dass die Standorte, wie wir sie haben, bleiben, wie sie sind", positionierte sich der Landrat, der in der Verbandsversammlung des Zweckverbandes Schweinfurt vertreten ist, klar.

Auch wenn die Empfehlungen der Studie nicht umgesetzt werden, das Personalproblem und der fehlende Notarzt-Nachwuchs existiere, so Kochinki. Ein Grundproblem sei die notärztliche Vergütung: In Thüringen verdiene man zweieinhalb Mal so viel wie in Bayern. Landrat Habermann empfahl, über Dinge zu diskutieren, die man beeinflussen könne. Die Vergütung werde von Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung festgelegt.

Was der Landkreis tun kann, um die Notarzt-Situation zu verbessern

"Was können wir aus Landkreis-Sicht tun?", wollte Sonja Reubelt (CSU) von Kochinki wissen. Der Notarzt wünschte sich eine "grundsätzliche Würdigung des gesamten Gesundheitssystems" und eine stärkere Dezentralisierung der Strukturen.

Mellrichstadts Bürgermeister Michael Kraus (Freie Wähler) appellierte in die Runde, auch "das Fass, Standorte von Rettungswagen noch einmal aufzumachen". Zwar seien die Bereiche Rettungsdienst und Notarzt unterschiedliche Systeme, die aber gerade in Mellrichstadt in der Vergangenheit "oft gegeneinander aufgewogen" worden seien. Konnten Rettungswagen Hilfsfristen nicht einhalten, sei argumentiert worden: "Es besteht eine gute notärztliche Versorgung." Was umso brisanter sei, wenn man um die unbesetzten Notarzt-Dienste in Mellrichstadt wisse.

Wenn benachbarte Notarztstandorte die Versorgung unbesetzter Standorte mit übernehmen

Bischofsheims Bürgermeister Georg Seiffert (CSU) warb für eine "Gesamtschau". Der Bischofsheimer Notarzt sei mittlerweile quasi regulär im Einzugsgebiet Mellrichstadt bis Bad Brückenau unterwegs. Bei Berechnungen müssten nicht nur Bevölkerungszahlen, sondern sowohl die Arbeitsplatz-Situation als auch der Tourismus-Faktor berücksichtigt werden, warb er. An frequentierten Wochenenden verdreifache sich die Bevölkerung rund um den Kreuzberg mitunter schnell. 

Nicht-besetzte Stunden bedeuteten nicht fehlende Versorgung, dankte Habermann für die Klarstellung. Benachbarte Standorte würden in diesen Fällen die Notarzt-Versorgung gewährleisten, stellte der Landrat klar. Im internationalen Vergleich sei man immer noch gut aufgestellt.

Einen "schmunzelnden Satz zum Schluss"erlaubte sich Kochinki, der auch bundesländerübergreifend in der Luftrettung arbeitet: "Morgen ist Mellrichstadt nicht besetzt." Aus Suhl sei das Team mit dem Rettungshubschrauber in wenigen Minuten da.

 
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