
Jahrzehnte lang Lehrer in Filke, Willmars und Ostheim, lange Jahre Kreisrat, 15 Jahre Bürgermeister von Willmars und mehrfacher Sportfunktionär: Gerhard Schätzlein war immer aktiv. Nach seiner Pensionierung wurde er zu einem der wichtigsten Chronisten der Rhön und der deutsch-deutschen Grenze. Rund 20 Bücher - mit Bedeutung weit über die Rhön hinaus - hat er verfasst, dazu kommen zahllose Beiträge und Aufsätze in anderen Werken und Zeitschriften.

Nun muss er das Schreiben weitgehend einstellen, aber nicht, weil er inzwischen 86 Jahre alt ist. Die Formulierung "aus gesundheitlichen Gründen" will er in diesem Zusammenhang auch nicht hören. "Bitte schreiben Sie klipp und klar, bei mir wurde beginnende Demenz festgestellt. Dann versteht das jeder", so seine klare Ansage.
Das letzte Buch wird wohl nicht mehr fertig
Es sei natürlich enorm schmerzhaft gewesen, als ihn die Ärzte über die Diagnose informiert hätten, beschreibt er seine Situation bei einem Glas Wasser im schattigen Vorgarten seines gemütlichen Heims mitten im grünen Filke. Damit sei für ihn klar gewesen, dass er "mit dem Schreiben aussetzen" müsse, wie der das Ende seiner Tätigkeit als Buchautor umschreibt.

Somit wird "Grenzland Rhön", ein politisch-historischer Wanderführer durch das Dreiländereck mit vielfältigen Erinnerungen an die ehemalige innerdeutsche Grenze, das er mit Hans-Dieter Bienieck verfasst hat, sein letztes Buch bleiben. 2022 wurde es veröffentlicht, in diesem Jahr erschien schon die zweite Auflage, wie der Autor zufrieden betont.
Der Erfolg seiner anderen Bücher, deren Restbestände er nun vergünstigt über seinen bewährten Partner, die Druckerei Mack in Mellrichstadt verkaufen will, war unterschiedlich. Die Bände drei Bände von "Grenzerfahrungen" sind gut gelaufen, ebenso das Buch über den Reichsarbeitsdienst in der Rhön. In diesem Zusammenhang nennt er auch das Mammutwerk "Flucht aus der DDR" oder die Sammlung "Steinkreuze und Kreuzsteine im Landkreis Rhön-Grabfeld". Weniger zufrieden ist er zum Beispiel mit dem Interesse an seiner Biografie des Meiningers Hans Ender.

Ein Buch über die ehemalige Pionierkompanie Helmershausen in der thüringischen Nachbargemeinde, die für die gefährlichen Bau- und Sprengarbeiten am DDR-Todesstreifen, den Zaunbau, das Verlegen der Minen und die Installation der Selbstschussanlagen in Teilen der Rhön zuständig war, ist zwar weit gediehen. Es fertigzustellen, traut er sich nicht mehr zu, was er zutiefst bedauert.
Den Büchern ihren Sinn erhalten
Auch wenn das für ihn ebenfalls sehr schmerzhaft ist, er ist ein Macher und hat nun begonnen, sein Archiv und seine Bibliothek aufzulösen. Er habe sich gefragt, wie viel Zeit ihm noch bleibe und was dann aus seinen Unterlagen und Büchern werde. In seiner Familie sei das Interesse gering. "Wenn ich mich jetzt nicht kümmere, müssen meine Töchter irgendwann alles nach Brendlorenzen bringen", womit er den dortigen Wertstoffhof meint. Und das will er ihnen nicht zumuten, zudem will er den Büchern "ihren Sinn erhalten", wie er es nennt.
Und es gibt noch einen Grund, weshalb er sein geräumiges Arbeitszimmer aufgegeben und räumen will. Gemeinsam mit seiner ebenfalls gesundheitlich angeschlagenen Frau möchte Schätzlein möglichst lange in dem Wohnhaus in Filke bleiben. Und deshalb soll in seinem bisherigen Arbeitsraum Platz für eine Pflegerin entstehen, die das gewährleisten soll.

Somit stand er vor dem Problem, was mit den vielen tausend Büchern, Akten, Bildern und sonstigen Unterlagen geschehen soll, die nun nicht mehr von ihm gebraucht werden und weggeworfen werden müssten. Es sei denn, es findet sich jemand, der sie braucht, sie vor allem auch wertschätzt. Denn, dass die Unterlagen und Bücher, die er teils für viel Geld beschafft hat, bei jemanden "gut aufgehoben" sind, der sie auch zu schätzen weiß, ist für Gerhard Schätzlein die Voraussetzung, dass er sie abgibt. "Sonst kann ich sie auch wegwerfen."
Noch viele Schätze in den Regalen
Und es gibt Interessenten. Als künftige Nutzer seiner Schätze sind schon das Kreisarchiv Meiningen, das Rhönmuseum, das Heimatmuseum Kaltennordheim, die Gemeinde Willmars und die Stiftung Point Alpha an ihn herangetreten. Bereits mehrfach haben ihn deren Mitarbeiter besucht und zahlreiche Kisten mit Unterlagen nach Geisa mitgenommen. Darunter auch einen besonderen "Schatz": Die abertausenden von Seiten der Sammlung aller Tagesmeldungen der DDR-Grenztruppen zwischen 1948 und 1990, die Schätzlein für rund 10.000 Mark kopiert hat. Aber er hat auch schon aussortiert und war mehrfach am Wertstoffhof und hat inzwischen wertlos gewordene Papiere entsorgt.

So haben sich die Regalreihen in seinem Arbeitszimmer und in einem Nebengebäude, das ebenfalls mit Schriftstücken gefüllt war, etwas gelichtet. Überall stehen Bücherstapel herum, viele zeitgeschichtlichen Werke, Judaika oder auch NS-Literatur. In einem Regal sind Büchern und Unterlagen gestapelt, die mit den Namen der Abholer versehen sind. So finden sich in all dem Durcheinander noch "viele Schätze", wie ihr bisheriger Besitzer betont.
Doch noch ein Aufsatz in der Planung
Nun bietet Gerhard Schätzlein an, dass sich Interessenten bei ihm melden, einen Termin mit ihm vereinbaren und dann vorbeischauen können. Bedingung ist, dass sie die Bücher auch wertschätzen. Denn wie er mehrfach betont, ist das alles sehr schmerzhaft für ihn. "Aber es wird leichter, ich weiß, dass die Sachen in gute Hände kommen."

Aber Gerhard Schätzlein wäre nicht er selbst, würde er das Schreiben ganz lassen. Er hat da schon ein Projekt. In einem Beitrag für die Mitgliederzeitung des Rhönklub, will er seine Erkenntnisse über eine Ruine an der Hochrhön zusammenfassen. Verfasst werden soll der Artikel in seinem neuen kleinen Arbeitszimmer, in dem nur ein kleines Regal Platz findet. Die Frage, welche Bücher hier bald stehen werden, kann er noch nicht beantworten.
Gerhard Schätzlein ist erreichbar unter der Mailadresse thesaurus@t-online.de oder telefonisch unter (09779) 8207.