Nahwärmenetze sind gegenwärtig in einer Reihe von Dörfern im Landkreis Rhön-Grabfeld in aller Munde. So auch in Lebenhan. Dort hat sich das Thema Nahwärme jedoch nicht aus einer Interessensgemeinschaft herausgebildet, sondern stellt ein Angebot der örtlichen Biogasanlagenbetreiber Jürgen und Markus Schwemin dar. Wie kam es dazu?
Im Zuge der Bestrebungen, das ehemalige Schloss Löwenhain in Lebenhan in ein Schlossinternat mit Gymnasium und Tennis-Leistungssport um- und auszubauen, kamen die Familie Schwemin und die Schlossinternat Bad Neustadt Projektbau GmbH aufeinander zu, um die Energieversorgung der neuen Einrichtung mit Nahwärme aus der Biogasanlage zu erörtern.
Interesse an Nahwärme: Hohe Rücklaufquote der Bevölkerung von Lebenhan
Im nächsten Schritt fragte Schwemin in einer sehr gut besuchten Versammlung die Ortsbevölkerung von Lebenhan nach dem Interesse an einer Nahwärmeversorgung des Dorfes. Die Rücklaufquote von rund 90 schriftlichen Interessenserkundungen war enorm. Auf Basis der Daten, welche bei der Aktion abgefragt wurden, erstellte die Firma Enerpipe aus Hilpoltstein ein Nahwärmekonzept für Lebenhan.
Daneben nahmen die Eheleute Peter und Carmen Küth sowie Alexander Vonderau und Juliane Eisenschmidt – alles Lebenhaner Bürger – ihr Engagement aus Bürgersicht für das Projekt auf. Interessierte Bürgerinnen und Bürger konnten sich in das Projekt einbringen.
Zuletzt stellte Enerpipe in einer Versammlung erste konkrete Konzepte durch die Vertreter Stefan Hippeli (Fladungen) und Markus Euring (Bastheim) vor. Nach der aktuellen Interessensbekundung hätte ein Wärmenetz in Lebenhan rund 90 Anschlussnehmer. Die Wärmeerzeugung würde durch die Biogasanlage und einen absichernden Hackschnitzelkessel auf dem Betriebshof Schwemin östlich von Lebenhan erfolgen.
Der Bau von über sechs Kilometern an Leitungen steht im Raum
Zur Absicherung von Spitzenlasten und der Sicherung eines gleichmäßigen Netzbetriebes dient auf dem besagten Betriebshof zusätzlich ein Großpufferspeicher. Würden die derzeitigen Interessenten sich alle anschließen lassen, wären 6,2 Kilometer Wärmenetzleitungen zu bauen. Der Wärmebedarf wurde mit knapp 2,9 Millionen Kilowattstunden (kWh) berechnet. Empfohlen wird in den Gebäuden der Anschlussnehmer die Schaffung eines Pufferspeichers.
Zudem kam die Gründung einer Genossenschaft ins Gespräch. Deren Aufgabe wäre die Planung der Wärmeverteilung, der notwendigen Bauarbeiten für das Netz, einschließlich Materialbereitstellung und der Pufferabgabetechnik an den Verbrauchsstellen mit Heizzentrale, Hydraulik und Steuerungstechnik. Diese Leistungen umfassen ein Investitionsvolumen von knapp drei Millionen Euro. Die aktuelle Förderung könnte diese Kosten um circa 1,1 Millionen Euro mindern. Die restlichen Aufwendungen wären von den Anschlussnehmern zu finanzieren.
Vorgeschlagen wurde von Enerpipe eine Eigenkapitalquote von rund 900.000 Euro, die als Investitionsbeitrag auf die Anschlussnehmer umgelegt würde. Das ergäbe einen einmaligen Anschlussbeitrag von 12.000 Euro pro Anwesen. Der verbleibende Finanzierungsbedarf sollte über Fremdkapital zur Abdeckung gelangen.
Nahwärme in Lebenhan: Welche Kosten die Anschlussnehmer tragen müssten
Um das Fremdkapital zu finanzieren, regten die Planer sogenannte "verzinsliche Nachrangdarlehen" an, vornehmlich durch die Anschlussnehmer. Das ist bei solchen Gemeinschaftsprojekten häufig der Fall. Als monatliche Grundgebühr hat Enerpipe 40 Euro kalkuliert. Der Wärmepreis dürfte aus heutiger Sicht bei circa 10,5 bis 12,5 Cent pro kWh liegen. Bei den Anschlussnehmern direkt verbleiben die Kosten für die Erdarbeiten auf dem eigenen Grundstück und der Anschluss der Pufferspeicher im Haus an die bestehende Heizungsanlage.
In einem ausführlichen Vergleich ermittelte Stefan Hippeli die Nahwärmeversorgung derzeit als die günstigste Betriebsform gegenüber Öl-, Holz-, Pellets- oder Wärmepumpenheizungen unter Berücksichtigung der effektiven Kosten. Hippeli und Euring gehen bei zügigem und komplikationslosen Verlauf von Planung und Bau frühestens von einer Wärmelieferung Ende 2025 aus.
Um in eine detaillierte und verbindliche Planung einzusteigen, benötigen die Projektbetreiber eine weitere schriftliche Absichtserklärung bis 30. August dieses Jahres. Danach wäre der nächste Schritt zunächst die Entscheidung über die Bildung einer Genossenschaft.
Auf Rückfrage aus der Versammlung wurde die übliche Einlage als Genossenschaftsmitglied mit 3000 Euro benannt. Die sachliche Diskussion führte weiter zur Empfehlung, dass sich Hauseigentümer bei einem Energieberater melden sollten, wenn sie Veränderungen an ihrem Heizsystem planen.
Wie viel Wärme bräuchte das Schlossinternat in Lebenhan?
Auf eine weitere Rückfrage nach der Berücksichtigung des Schlossinternats sagten die Planer, dass diese mit etwa 25 Prozent des Wärmebedarfs berücksichtigt seien und bei deren Nichtteilnahme die Kosten durch entsprechende Reduktion nicht höher sein werden. Ebenso war Thema die Liefersicherheit und die Preisstabilität der Wärmeabgabe durch den Erzeuger, welche laut Enerpipe mit langfristigen Verträgen so weit wie möglich sichergestellt werde.
Auch nach dem Beratungsstand mit der Stadt Bad Neustadt wurde sich erkundigt, ohne deren Zustimmung zu einer Wegenutzung das Projekt nicht möglich ist. Nach Auskunft der Versammlungsleitung ist die Stadt involviert, die Gespräche werden jetzt intensiviert.
Markus Euring nahm abschließend das positive Stimmungsbild der Versammlung auf und unterstrich die gegenwärtig hervorragenden Voraussetzungen in Lebenhan für eine Nahwärmeversorgung durch die vorhandene Biogasanlage und die günstige Fördersituation.
Nach Information von Alexander Vonderau hat mittlerweile eine breit aufgestellte Arbeitsgemeinschaft aus Bürgerinnen und Bürger von Lebenhan die Arbeit mit Blick auf die anstehenden umfangreichen Handlungsfelder aufgenommen. Das Ziel: Die Maßnahme umzusetzen.