Es gab ein leichtes Raunen, Tuscheln, vorsichtiges Gelächter bei der jüngsten Sitzung des Bad Neustädter Stadtrates, als stellvertretender Bürgermeister Norbert Klein die Liste der entschuldigt fehlenden Ratsmitglieder abarbeitete. Wieder einmal war der Sitz von Gerald Pittner leer geblieben.
Das häufige Fehlen des Stadtrates der Freien Wähler fällt schon eine geraume Zeit auf, nicht nur Insidern der Ratspolitik. Dabei hatte er seiner langjährigen Stadtratsarbeit die Treue versprochen, als er 2018 nach einer Zitterpartie bei der Stimmenauszählung im zweiten Anlauf den Sprung in den Bayerischen Landtag schaffte: "Die Stadtratsarbeit will ich auf jeden Fall weiterführen. Das ist Arbeit an der Basis. Der politische Betrieb in München ist ja auch etwas abgehoben", hatte Pittner nach 100 Tagen im Maximilianeum noch im Februar 2019 verkündet.
Keine zweite Periode im Landtag
Allzu viel geblieben ist von dem hehren Vorhaben nicht. Und auch Gerald Pittner muss sich eingestehen, dass es auf diese Weise wohl nicht weitergehen kann. "Ich denke darüber nach, ob ich dem Auftrag der Wählerinnen und Wähler noch richtig nachkommen kann", so Pittner gegenüber dieser Redaktion.
Für den Bayerischen Landtag wird der Amtsrichter kein zweites, genauer gesagt drittes Mal kandidieren. Aber warten, bis irgendwann im nächsten Jahr der neue Landtag seine Arbeit aufnimmt, das will Pittner auch nicht. "Das wäre bestimmt noch ein Jahr, wo es zu terminlichen Überschneidungen kommt", so der Herschfelder.
Mag sein, dass also demnächst der Mandatsverzicht offiziell im Stadtrat behandelt wird, weil Pittner Platz macht für einen Parteikollegen oder eine Parteikollegin, die mehr Zeit für die Gremienarbeit hat. Offiziell ist bereits sein Abschied aus der Landespolitik. Im September hatte er gegenüber dieser Redaktion einen Verzicht auf eine weitere Kandidatur bereits verkündet. Fünf Abgeordnete aus Unterfranken scheiden insgesamt aus.
Kein Rückhalt im Bezirk
Im September ließ Pittner Unstimmigkeiten in der Landtagsfraktion anklingen. Die Arbeit sei zwischen den Abgeordneten "ungerecht verteilt", wird Pittner zitiert. Im Mai war Pittner bei der Bezirksversammlung der Freien Wähler gegen die Kultus-Staatssekretärin Anna Stolz aus Arnstein (Lkr. Main-Spessart) bei der Wahl zum Vorsitz der Bezirksvereinigung durchgefallen.
Man erhoffe sich von Stolz mehr Sichtbarkeit in der politischen Debatte und den Sozialen Medien. Tatsächlich kam von Pittner eher wenig Pressearbeit aus München in den Wahlkreis im Vergleich zu anderen Landtagsabgeordneten. Auch der Facebook-Auftritt von Gerald Pittner fällt immer wieder durch eine wenig professionelle Betreuung auf – mit vielen Freiheiten in der Orthografie.
"Es gibt politische, aber auch familiäre Gründe", so Pittner zu seinem Abschied aus der Landespolitik. Wichtige Zeit mit der Familie habe durchaus gefehlt. Was das Politische betreffe, so wolle er nicht nachhaken. "Aber ich bin nicht mit allen Sachen einverstanden, wie es in der Parteipolitik aber eben ist", sagt der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler.
"Einen großen Punkt" habe die Landesregierung in Sachen Klimaschutz gemacht, findet Pittner. Der Standort Bischofsheim für das Biodiversitätszentrum sei ein Beweis, dass man "schon etwas erreichen kann" in München. Auch die Arbeit im Haushaltsausschuss habe ihm Gestaltungsmöglichkeiten geboten.
Auf der Negativliste stehen für den einzigen Rhön-Grabfelder im Landtag fehlende Erfolge bei der Energiewende. Die 10-H-Regelung bei der Windkraft und immer noch zu viel Bürokratie seien Hemmschuhe zur Energiewende. Pittner wünscht hier mehr Entscheidungskompetenz auf kommunaler Ebene.
Steht das Kreistagsmandat von Gerald Pittner in Rhön-Grabfeld zur Disposition?
Im Stadtrat von Bad Neustadt könnte er früher als gedacht auf Entscheidungsmöglichkeiten verzichten. Für sein Kreistagsmandat gilt das nicht. "Landrat Thomas Habermann hat mich immer unterstützt, um die Arbeit für den Landkreis und in München verbinden zu können", sagt Pittner. Der aktuelle Verlauf einer Sitzungswoche lasse sich besser mit Kreistagssitzungen kombinieren als mit Stadtrats-Terminen. Es sei insbesondere die zeitintensive Arbeit im Masken-Ausschuss, die ihn stark an die Landeshauptstadt binde, so Pittner.
"Insgesamt werde ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Zeit in München zurückblicken", weiß Pittner schon jetzt. Politisch will er sich jedenfalls nicht komplett zurückziehen. "Ich habe ein gewisses Alter, die Rückkehr in den Richterdienst ist eher unwahrscheinlich", sagt er. "Auf der anderen Seite kann ich mir noch nicht vorstellen, 365 Tage im Jahr mit dem Wohnmobil zu reisen", schmunzelt Pittner.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass er 2020 nur noch einmal für den Stadtrat kandidiert hat, um im Falle einer erneuten Kandidatur für den Landtag 2023 dem Wähler sagen zu können: Ich bin ja ein Mann der Basis, der vor Ort in der Stadt äußerst fleißig immer für die Bürger da ist. Aber jetzt . . .