
"Du kriegst nur Geld, wenn du auch gute Ideen hast", hatte Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann jüngst beim Besuch des bayerischen Wirtschaftsministers in Bad Neustadt erklärt – und Hubert Aiwanger kurzerhand gleich ein Konzept mit nach München geschickt. "regioFIT-NES" lautet der Titel einer Lösungsstrategie für das von der aktuellen Arbeitsmarktkrise gebeutelte Rhön-Grabfeld. Federführend mit ausgearbeitet hat das Papier Rhön-Grabfelds Wirtschaftsförderer Jörg Geier. Im Interview verrät er Details zum Konzept.
Jörg Geier: Die 2010 erfolgreich etablierte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft soll in der Region gestärkt werden. Damals war aus der Siemens-Krise heraus das Technologietransferzentrum für Elektromobilität (TTZ-EMO) als ausgelagerte Forschungseinrichtung der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt in Bad Neustadt entstanden. Die Hochschulaktivität der THWS in Bad Neustadt soll weiter ausgebaut werden, damit die Unternehmen zu breiteren Forschungsfeldern Zugang erhalten und sich neues Knowhow erschließen können. Das Ziel sind dann neue Produkte, die hier Arbeitsplätze schaffen.
Geier: Ja. Gemeinsam mit der THWS könnte ein Unternehmen an neuen Komponenten forschen, die Effizienzsteigerungen in der Produktion bewirken. Auf Basis dieser neuen Erkenntnisse könnten bisherige Produkte gegebenenfalls günstiger produziert werden, was die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellt, oder man verfügt dann über ein Knowhow, das im Bereich des Maschinenbaus für ein neues Produkt nutzbar ist. Am Ende beider Maßnahmen stehen Arbeitsplätze für die Region.
Geier: Ziel ist die Ausweitung der THWS-Aktivität in Bad Neustadt. Ob hierfür ein neues TTZ im Raum stehen könnte oder die bisherige Struktur ausgeweitet wird, kann erst dann debattiert werden, wenn ein Signal aus München kommt, dass man regioFIT-NES eine entsprechende Strahlkraft zutraut.
Geier: Institutionell die THWS, die Stadt Bad Neustadt und der Landkreis Rhön-Grabfeld, die Unternehmen und, ganz wichtig, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Letztere sind es, die den Fortschritt in Produkte fließen lassen müssen. Landrat Thomas Habermann und Bürgermeister Michael Werner bespielen seitens der Region die politischen Kanäle. Für das Konzept und die Projektkoordination sind aktuell Professor Jan Schmitt, neuer Vizepräsident der THWS, und ich zu nennen.
Geier: Im Hinblick auf M-E-NES und die Digitale Arena kann man darauf verweisen, dass in der Vergangenheit bereits 23,5 Millionen Euro für ähnliche Projektthemen investiert wurden. Nun gibt es seitens der Unternehmen schon ein paar Gedanken zu möglichen Projektideen und vor allem ein paar Infrastrukturthemen, der in der jüngsten Bad Neustädter Stadtratssitzung erörterte Elektrolyseur ist wohl aktuell das prominenteste.
Geier: Die Mittel in unserer Skizze sehen wir als staatliche Zuschüsse. Wir gehen von einem Budget aus, das, anders als bei M-E-NES, aus unterschiedlichen Fördertöpfen stammen muss, weil sich die Themen zum Teil doch sehr unterscheiden, aber in der Region zusammenlaufen. Es ist natürlich ein Unterschied, ob ein multinationales Unternehmen, ein innovativer Mittelständler, eine Hochschule oder eine Kommune als Antragsteller fungiert. Das hat Auswirkungen auf die Höhe der Förderquote.
Geier: Angedacht ist Oktober 2024 bis Dezember 2029. 63 Monate Laufzeit ist der Standardzeitraum, der für den Hochlauf eines wissenschaftlichen Instituts mindestens angenommen werden sollte.
Geier: Für dieses Projekt gibt es grundsätzlich schon eine Förderkulisse, es wäre aber in unserer Situation wünschenswert, wenn die Förderquote der aktuellen Kulisse nach oben korrigiert werden könnte. Insofern ist dieses Projekt ein Teilprojekt der Skizze regioFIT-NES.
Geier: Die Menschheit schmeißt zu viele Rohstoffe weg. In vielen Elektrogeräten stecken seltene Erden, Edelmetalle, wiederverwertbare Chemikalien und Elemente, die man in speziellen Verfahren recyceln und wieder dem Kreislauf zuführen kann. Gegebenenfalls bieten sich hier mit regional tätigen Unternehmen und unserem kreiseigenen Kommunalunternehmen Optionen, neue Möglichkeiten zu erschließen.
Geier: Industrielle Resilienz zielt darauf ab, Unternehmen widerstandsfähig gegenüber Störungen zu machen, etwa gegenüber wirtschaftlichen Schwankungen, technologischen Umbrüchen oder Naturkatastrophen. Dabei hilft es schlichtweg, mehrere Branchen bedienen zu können. Die Evolution hat gezeigt, dass Generalisten bessere Chancen haben, sich durch Krisen zu manövrieren.

Geier: Es geht in diesem Bereich um Zuführ-, Greif- und Fügebewegungen, also technische Hilfsmittel für Produktionsstraßen. Maschinenbaukomponenten wie beispielsweise Förderbänder sind häufig noch mechanisch. Letztlich zielen Projektideen darauf ab, diese intelligenter und digitaler zu machen. Dieser Aspekt des Maschinenbaus ist in Rhön-Grabfeld bereits stark ausgeprägt, zielt bislang aber stark auf die Bedarfe der Automobilindustrie. Eine Erweiterung auf andere Branchen könnte diese regionale Kompetenz nicht nur stabilisieren, sondern sogar zu einem Wachstum anhalten. Hier bietet sich großes Potenzial für zusätzliche Arbeitsplätze.
Geier: Die Verbesserung des 110kV-Netzes ist ein Thema, das auch jenseits der Konzeptskizze überregional ein unzureichend bearbeitetes Projekt ist. RegioFIT-NES erwähnt das vorgelagerte Netz, die Mittel werden aber nicht mit eingepreist. Hier muss die bundesweite Netzplanung harmonisiert und vor allem finanziert werden.
Geier: Wir können hier keine Zahlen benennen. Kurzfristig wird das Konzept nicht ausreichen, um 800 Arbeitsplätze zu schaffen, aber es schafft mittel- und langfristige Perspektiven. Es hängt davon ab, wie erfolgreich die unternehmerischen Projekte vom Markt nachgefragte Produkte hervorbringen.
Geier: Wir müssen nun in den Austausch mit dem Wirtschafts- und dem Wissenschaftsministerium. Die Terminkoordination für unseren München-Besuch ist im Gange.