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Bad Neustadt
Diagnose Demenz: Was man darüber wissen sollte und warum es in der Medizin Hoffnung für die Zukunft gibt
Von den ersten Anzeichen einer Demenz über die klinischen Untersuchungen bis zur Therapie. Experten des Rhön-Klinikums in Bad Neustadt geben Rat.
Ein Herbst des Lebens, der ängstigt. Menschen mit Demenz verlieren sich Stück für Stück ein bisschen mehr. In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung.
Foto: Getty Images | Ein Herbst des Lebens, der ängstigt. Menschen mit Demenz verlieren sich Stück für Stück ein bisschen mehr. In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung.
Sigrid Brunner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:16 Uhr

Welches Datum ist heute? Welcher Wochentag? Zählen Sie in siebener Schritten, beginnend bei 100 rückwärts. Das sind Aufgaben eines von mehreren Tests, mit dem geprüft werden kann, ob bei einem Menschen eine Demenz vorliegen könnte. In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung.

Die Zahl, die auf Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft beruht, steigt kontinuierlich an. Damit ist Demenz eine der großen Herausforderungen, sowohl gesundheitlich als auch gesellschaftlich.

Zum vierten Mal nimmt der Landkreis Rhön-Grabfeld vom 15. bis 24. September mit zahlreichen Veranstaltungen an der Bayerischen Demenzwoche teil. Dr. Hassan Soda, Chefarzt der Klinik für Akutneurologie/Stroke Unit und neurologische Intensivmedizin sowie Oberarzt und Facharzt für Neurologie, Dietrich Hartmann, vom Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt antworten auf Fragen zum Thema Demenz.

Symptome, Diagnose und Therapien bei Demenz: Oberarzt Dietrich Hartmann und Chefarzt Dr. Hassan Soda von der Neurologie am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt klären über die Krankheit, die eine steigende Zahl von Menschen trifft, auf.
Foto: Sigrid Brunner | Symptome, Diagnose und Therapien bei Demenz: Oberarzt Dietrich Hartmann und Chefarzt Dr. Hassan Soda von der Neurologie am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt klären über die Krankheit, die eine steigende Zahl von ...

Was sind die ersten Anzeichen einer Demenzerkrankung?

Am Anfang der Krankheit sind häufig das Kurzzeitgedächtnis und die Merkfähigkeit gestört. Wo ist mein Geldbeutel? Wo ist meine Scheckkarte? Wohin gehe ich zum Einkaufen? Mit Fragen wie diesen werden die anfänglichen Beschwerden im Alltag spürbar. 

Wer sollte bei einem Anfangsverdacht der erste medizinische Ansprechpartner sein?

Wer glaubt, an einer Demenz erkrankt zu sein, wendet sich am besten zuerst an den Hausarzt oder die Hausärztin. Diese kennen ihre Patienten in der Regel schon länger und können Veränderungen einschätzen. Der Hausarzt wird erste Untersuchungen vornehmen oder die Person an einen Facharzt, einen Neurologen, überweisen.

Welche Tests können die Vermutung in Richtung einer Demenz erhärten?

Es gibt vier häufig verwendete Tests in Hinblick auf eine Demenz, die in der Regel der Neurologe beim ersten Besuch durchführt. Mit dem "Mini-Mental-Status-Test" zum Beispiel werden dem Patienten oder der Patientin einfache Fragen gestellt, und zwar in Richtung Orientierung (Datum, Wohnort), Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit oder Sprache. Beim "Uhrentest" soll das Ziffernblatt nachgezeichnet werden. Die anderen Tests gehen in ähnliche Richtungen. 

Wie geht es danach weiter? Wie wird die Diagnose einer Demenz gestellt?

Es folgen die sogenannte Anamnese und klinische Untersuchungen. "Dazu gehören Gespräche mit dem Patienten und den Angehörigen, um den Betroffenen als Ganzes, seine Beschwerden und seine Krankheitsgeschichte inklusive Vorerkrankungen kennenzulernen", erläutert Dr. Hassan Soda. Es wird geprüft, ob es neurologische Ausfälle oder Hinweise für andere neurologische oder psychische Erkrankungen gibt.

Für die weitere Diagnostik sind darüber hinaus Laboruntersuchungen, Bildgebungen des Gehirns mit CT und MRT, EEG zum Messen der Gehirnströme oder auch eine Lumbalpunktion, um das Nervenwasser zu untersuchen, aufschlussreich. Mit diesen Untersuchungen kann unter anderem festgestellt werden, ob die Beschwerden vielleicht an einer Entzündung oder einem Tumor liegen. Man kann auch sehen, ob ein Abbauprozess im Gehirn stattgefunden hat. Schließlich wird versucht, eine Klassifikation der vielen verschiedenen Demenzarten vorzunehmen.

Sollten Demenzkranke ihre Diagnose erfahren?

"Auf jeden Fall", sagt Soda. Medizinische Klarheit könne auch eine Erleichterung sein und wenn man sich der Wahrheit stelle, sei auch ein besserer Umgang mit der Krankheit möglich. 

Welche Medikamente helfen bei einer Demenz?

Es gibt keine Heilmittel, sondern nur Medikamente, die den Krankheitsprozess verlangsamen können. Diese sorgen dafür, dass die Nervenzellen wieder besser miteinander kommunizieren können. In der Regel werden Antidementiva und gegebenenfalls Antidepressiva verabreicht.

Gibt es noch weitere Therapiemöglichkeiten?

Weitere Therapien sind: Ergo- und Physiotherapie, Milieutherapie, Psycho- und Verhaltenstherapie, kognitives Training, Kunst- und Musiktherapie, Logopädie, Selbsterhaltungstherapie, sensorische Therapie oder auch eine tiergestützte Therapie. Diese Therapien können helfen, bestimmte Fertigkeiten länger zu erhalten. Bewegung in der Natur ist wichtig, eine gesunde Ernährung sowie Gehirntraining, beispielsweise mit Sudoku. 

Kann eine Demenz wieder besser werden?

Liegt dem demenziellen Prozess eine andere Erkrankung wie zum Beispiel Depression, Entzündung oder Alkoholmissbrauch zugrunde, kann sich nach Behandlung der Ursache auch die Demenz bessern. Bei den primären Demenzen ist eine Verbesserung leider aktuell nicht zu erwarten. 

Die Großmutter litt an Demenz. Ist die Wahrscheinlichkeit groß, ebenfalls daran zu erkranken?

Eine genetische Übertragung ist eher selten: Bei der Alzheimer-Demenz liegt die unmittelbare Erblichkeit bei 1 bis 2 Prozent. Es gibt aber zudem genetische Faktoren, die das Risiko für die Alzheimer-Krankheit erhöhen können.

Worauf ist beim Umgang mit Demenzerkrankten zu achten?

Die Angehörigen sollten sich gut informieren, um die Krankheit besser zu verstehen, und klar und transparent mit dem Betroffenen kommunizieren. Zu empfehlen ist, nicht auf die Defizite, sondern wertschätzend auf die Möglichkeiten hinzuweisen. "Seien Sie geduldig, einfühlsam und geben Sie dem Erkrankten genügend Zeit", rät Oberarzt Dietrich Hartmann betroffenen Angehörigen. "Schaffen Sie eine strukturierte Umgebung und sorgen Sie für eine vertraute Routine", ergänzt Dr. Hassan Soda.

Gibt es eine Vorbeugung gegen Demenzerkrankungen?

Eine gesunde Lebensweise kann das Risiko deutlich reduzieren. Dazu gehört, den Alkoholkonsum zu reduzieren, nicht zu rauchen, auf ein gesundes Körpergewicht sowie eine gute und vitaminreiche Ernährung zu achten, viel Bewegung und die Vermeidung von Stress.

Macht die Medizin Fortschritte in der Bekämpfung von Demenz-Erkrankungen?

Zwei neue Wirkstoffe gegen die Alzheimer-Demenz machen Hoffnung auf die Zukunft: Lecanemab und Donanemab. Es handelt sich um einen Antikörper, der sich gegen die schädlichen Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn richtet. Lecanemab ist bereits in den USA zugelassen, in der EU läuft das Zulassungsverfahren noch. Donanemab wartet noch auf die Zulassung durch die amerikanische Kontrollbehörde FDA. Das Medikament wird dem Körper über eine Infusion zugeführt.

Primäre und sekundäre Demenz

Man unterscheidet zwei Arten von Demenz: primäre und sekundäre Demenz. Die sekundäre Demenz ist die Folge einer anderen Grunderkrankung, wie zum Beispiel einem Schädel-Hirn-Trauma.
Bei der primären Demenz, die mit 90 Prozent den weitaus größten Anteil einnimmt, liegt die Krankheitsursache hingegen direkt im Gehirn. Dazu gehört die Alzheimer-Demenz, die zwei Drittel davon ausmacht. Darüber hinaus gibt es noch die eher seltenen Arten: frontotemporale, Lewy-Body-, Parkinson- und vaskuläre Demenz.
Am Donnerstag, 21. September, referieren Dr. Hassan Soda und Dietrich Hartmann über Symptome, Diagnose und Therapie bei Demenz. Beginn ist um 16 Uhr im Bildhäuser Hof in Bad Neustadt. Flyer zur Bayerischen Demenzwoche liegen aus oder können im Landratsamt unter Tel.: (09771) 94-433 angefordert werden.
Quelle: sbr
 
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