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Augsburg
Gibt es neue Hoffnung für Alzheimer-Patienten?
Rund 270.000 Menschen in Bayern leiden an einer Demenz-Erkrankung, der Großteil davon an Alzheimer. Hoffnungen schürte zuletzt eine neue Antikörper-Studie. Gelingt endlich der Durchbruch?
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Foto: Patrick Pleul, dpa | Im Freistaat leiden dem bayerischen Gesundheitsministerium zufolge derzeit rund 270.000 Menschen an einer Demenz.
Stephanie Sartor
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:46 Uhr

Es fing an mit Kleinigkeiten. Damit, dass sie einfach immer mehr vergaß, sich weniger merken konnte. Aber schließlich war sie 85 Jahre alt – dass einen da das Gedächtnis ab und an im Stich lässt, sei normal, meinte damals jedenfalls der Hausarzt. Nur: Normal war das eben nicht. Und es wurde immer schlimmer. Irgendwann etwa fand die Zugehfrau das Essen, das sie der Seniorin ins Haus brachte, völlig verschimmelt im Keller. Jens Schneider hat das alles hautnah mitbekommen. Denn die Frau, die sich immer mehr von der Person entfernte, die sie einmal war, war seine Schwiegermutter. "Sie kam dann in die Geriatrie. Und dort hieß es, dass sie nicht mehr nach Hause könne", erzählt Schneider, Vorstandsmitglied der Alzheimer Gesellschaft Augsburg. 15 Jahre ist das alles her, für den heute 81-jährigen Schneider war es der erste Kontakt mit der Erkrankung, die der Wissenschaft nach wie vor große Rätsel aufgibt – und gegen die es bis heute kein Heilmittel gibt.

Hoffnungen, die Krankheit besiegen zu können, werden immer wieder geschürt. Erst vor Kurzem hatte der US-Pharmahersteller Eli Lilly die Phase-III-Studienergebnisse seines Alzheimer-Antikörpers Donanemab veröffentlicht. Demnach verlangsamte die Therapie die klinische Verschlechterung der Erkrankung um 35 Prozent im Vergleich zur Placebo-Gruppe.

Der Antikörper soll die Ablagerungen im Gehirn entfernen können

Der Antikörper zielt auf schädliche Proteinablagerungen im Gehirn ab, die sogenannten Amyloid-Plaques. Donanemab soll in der Lage sein, diese Ablagerungen zu entfernen. Ein anderer Antikörper, Lecanemab, soll die Entstehung der Plaques sogar verhindern. Im Januar 2023 wurde er von der US-Arzneimittelbehörde FDA zur Behandlung von Alzheimer zugelassen. "Die Antikörper binden an Amyloid-Proteine und können dafür sorgen, dass die Amyloidablagerungen aufgelöstwerden", erklärt Dr. Matthias Riepe, Professor für Gerontopsychiatrie an der Universität Ulm und Chefarzt der Abteilung Akutgeriatrie und Gerontopsychiatrie am Bezirkskrankenhaus Günzburg. "Wir haben also mittlerweile zwei Substanzen, bei denen eine klinische Wirkung nachgewiesen wurde und die eine patientenrelevante Besserung zeigen", sagt der Alzheimer-Experte. Nach vielen erfolglosen Versuchen in der Vergangenheit, der Erkrankung beizukommen, sei das eine vielversprechende Basis.

Bis die Menschen in Deutschland aber davon profitieren könnten, wird es wohl noch dauern. Für Donanemab ist noch keine Zulassung beantragt, für Lecanemab wurde der Antrag bei der Europäischen Zulassungsbehörde eingereicht. "Man darf gespannt sein, wann wir einen oder beide Antikörper in Deutschland einsetzen können", sagt Riepe.

Studien zeigten zum Teil schwere Nebenwirkungen

Allerdings hätten die Studien bei einem Teil der Patientinnen und Patienten auch schwere Nebenwirkungen gezeigt, etwa Schwellungen oder Blutungen im Gehirn, sagt Riepe und ergänzt: "Alzheimer ist eine fürchterliche Erkrankung, sowohl für den Betroffenen auch für die Angehörigen. Man muss deswegen zwischen Wirkung und Nebenwirkung genau abwägen und, eben weil die Erkrankung so schlimm verläuft, mitunter auch schwere Nebenwirkungen in Kauf nehmen."

Im Freistaat leiden dem bayerischen Gesundheitsministerium zufolge derzeit rund 270.000 Menschen an einer Demenz. Aufgrund der demografischen Veränderungen könne bis 2030 von einem Anstieg auf 300.000 Betroffene sowie bis 2040 von einem Anstieg auf 380.000 ausgegangen werden. Und wahrscheinlich sind es noch viel mehr. "Bei Demenz ist mit einer erheblichen Dunkelziffer zu rechnen. So geht eine deutsche Studie davon aus, dass lediglich rund 40 Prozent der Über-70-Jährigen demenziell Erkrankten auch eine Demenzdiagnose aufweisen", sagt ein Ministeriumssprecher. Bei rund 60 bis 80 Prozent der Menschen mit Demenz handelt es sich nach Angaben des Ministeriums um eine Alzheimer-Demenz. Ungefähr 15 bis 20 Prozent der Erkrankten sind an einer vaskulären Demenz– verursacht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn – erkrankt. Bei hochbetagten Menschen kommen auch Mischformen vor.

Bei Alzheimer liegt die Lebenserwartung bei acht bis zehn Jahren

Der Gesundheitszustand der Betroffenen verschlechtert sich im Laufe der Jahre zunehmend, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei acht bis zehn Jahren. Todesursächlich ist meist nicht die Demenzerkrankung selbst, sondern etwa eine Lungenentzündung, begünstigt durch eine demenzbedingte Schluckstörung. "Menschen mit Alzheimer-Demenz leben oftmals für lange Zeit mit der Erkrankung. Der Bayerischen Staatsregierung ist die Lebensqualität der Betroffenen ein großes Anliegen", sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) gegenüber unserer Redaktion. Der Freistaat habe deshalb bereits im Jahr 2013 als eines der ersten Bundesländer eine eigene Bayerische Demenzstrategie beschlossen, die aktuell mit vielen Partnerinnen und Partnern des Bayerischen Demenzpaktes weiterentwickelt werde.

"Es ist wichtig, früh zu reagieren", sagt Schneider von der Augsburger Alzheimer Gesellschaft. Denn je früher man eine Diagnose stelle, desto besser könnten die Medikamente, die es derzeit gibt, wirken. Schneider, früher Apotheker, geht es aber längst nicht nur um eine medikamentöse Behandlung. Es gebe viele Faktoren, die das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen könnten. "Gutes Hören und Sehen ist besonders wichtig. Denn schlechtes Hören bedeutet ein Stück soziale Isolation, die Synapsen im Gehirn werden nicht mehr gefordert. So kann sich eine Demenz verschlechtern." Auch eine unbehandelte Depression wirke sich negativ aus, ebenso das Rauchen und fehlende Sozialkontakte.

Dass mit Studien zu neuen Medikamenten oft Hoffnungen geschürt werden, die dann wieder enttäuscht würden, ärgert ihn. "Oft werden schon Ergebnisse in der Laienpresse spektakulär dargestellt, wenn sich ein Medikament noch in einer Phase-1-Studie befindet, die Wirksamkeit bei vielen Patienten also noch gar nicht belegt ist." Aber natürlich, fährt Schneider fort, sei die klinische Forschung immens wichtig. "Der bisherige Stand ist aber leider ernüchternd. Ich wünsche mir, dass die Pharmaindustrie die Hoffnung nicht aufgibt."

 
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