
Der Schlüssel liegt plötzlich im Kühlschrank statt an seinem Platz im Flur. Ich komme einfach nicht mehr auf den Vornamen eines entfernten Verwandter. Oder stehe in der Speis und weiß auf einmal nicht mehr, was ich dort eigentlich holen wollte. Bin ich nur etwas vergesslich oder schon dement?
Dass sich diese Frage auch in Rhön-Grabfeld viele Menschen stellen, zeigt die große Resonanz auf das Demenz-Screening-Angebot im Landkreis. Dort konnten Interessierte von Experten des Digitalen Demenzregisters (digiDEM) Bayern überprüfen lassen, ob bei ihnen die Gefahr einer Demenz besteht.

"Wir führen heute in Bad Neustadt 60 Tests durch, in Bischofsheim 30 und in Bad Königshofen – den Testort mussten wir wegen der großen Nachfrage zusätzlich schaffen – noch einmal 30. Außerdem stehen noch 100 Personen auf der Warteliste", sagt Sabine Wenzel-Geier, Leiterin des Pflegestützpunktes am Landratsamt Rhön-Grabfeld. Eventuell wolle man zur bayerischen Demenzwoche im Herbst noch einmal Screenings anbieten. Interessierte können sich unter Tel. (09771) 94-129 an den Pflegestützpunkt wenden.
Wo verläuft die Grenze zwischen "einfach nur vergesslich" und dement?
"Wenn die Vergesslichkeit zu groß wird, vor allem aber, wenn man räumliche Orientierungsstörungen hat, die vorher nicht da waren, sollte man sich auf Demenz testen lassen", rät Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas (Neurologe und Leiter des Forschungsprojektes digiDEM). So zum Beispiel, wenn man den Weg vom Wirtshaus nach Hause nicht mehr findet, obwohl man nicht betrunken ist. Oder mit dem Auto unterwegs ist und bekannte Strecken plötzlich vergessen hat.
Warum ist es wichtig, sich bei einem Verdacht testen zu lassen?
"Die Erkenntnis, dass ich es habe, ist sehr wichtig", so Kolominsky-Rabas. Heilbar sei eine Demenz nicht. Doch je früher eine Diagnose vorliege, umso besser können man sie behandeln, zum Beispiel auch durch nicht-medikamentöse Verfahren wie Gruppentherapie oder kognitive Trainings. "Wenn ich schon in einem frühen Stadium von meiner Demenz weiß, kann ich außerdem rechtzeitig festlegen, wie ich gepflegt werden will, mein Testament machen und die finanziellen Angelegenheiten regeln", so der Experte.
Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich bei einem Angehörigen Demenz vermute?
Das digiDEM bietet auf seiner Webseite einen Frageboten an, mit dem Angehörige einschätzen können, ob bei einer Person eine Demenz vorliegen könnte. "Wenn sich daraus ein Verdacht ergibt, muss man versuchen, die Person einer vernünftigen ärztlichen Diagnose zuzuführen", so Kolominsky-Rabas. Wenn allerdings keine Krankheitseinsicht vorliege, sei das sehr schwierig. Da helfe nur, immer wieder nachzuhaken.
Was ist das Ziel der Demenz-Screenings?
In Deutschland gibt es laut Kolominsky-Rabas rund 1,8 Millionen diagnostizierte Demenzkranke, doch die Dunkelziffer sei viel höher. Die Gründe: Zu wenige Informationen über die Krankheit, Fachärztemangel und auch, dass bei vielen Menschen die Hemmschwelle groß sei, mit ihren Beschwerden zum Arzt zu gehen. Die Demenz-Screenings seien als niedrigschwelliges Angebot gedacht, um unentdeckte Demenzkranke zu entdecken und Hilfsangebote zu bieten.
Wie läuft ein Demenz-Screening ab?
Die Experten des digiDEM stellen den Testpersonen unterschiedlich schwere Aufgaben. Auch Gabi Gröschel, Stadträtin und Seniorenbeauftragte der Stadt Bad Neustadt, unterzog sich einem Demenz-Screening. Sie musste dabei zum Beispiel Zahlen und Buchstaben miteinander verbinden, eine Uhr zeichnen oder sich Wörter und Sätze merken. Zeigen sich bei solchen Tests Anzeichen auf eine Demenz, sollten Betroffene eine Gedächtnisambulanz – die nächsten sind in Würzburg, Coburg und Fulda –aufsuchen. Nur dort können Neurologen eine Diagnose stellen.