
Das grellblaue Fachwerk, direkt an der vielbefahrenen Hauptstraße, sticht heraus. Für die einen ist es ein echter Hingucker, für andere gewöhnungsbedürftig oder gar unpassend für eine Fachwerkfassade. Über kein Gebäude im Streutal wurde in den vergangenen zwei Jahren mehr gesprochen und diskutiert als über das blaue Haus in Nordheim. Und die Geschichte ist noch nicht zu Ende.
Die Anfänge sind bekannt: Als Nordheims Bürgermeister Thomas Fischer 2021 von seinem Pfingsturlaub zurückkehrte, erwartete ihn eine direkt ins Auge springende Überraschung. Das Fachwerkhaus an der B 285, mitten im Ort, war saniert und neu gestrichen worden.
Mehrere Verstöße gegen die Gestaltungssatzung
Wenn alte Häuser im Ortskern hergerichtet werden, wird das in der Regel von den Gemeindevertretern gern gesehen. Nicht so in diesem Fall: Denn die neue Farbe der Balken in einem leuchtenden Blauton und die weiße Wandfassade sind in der Gemeinde Nordheim laut Gestaltungssatzung nicht erlaubt. Ebenso wie das dunkel gedeckte Dach des Hauses.
Auch wenn diese Satzung aus dem Jahr 1978 stammt, ist sie uneingeschränkt gültig – und auch für Gebäude bindend, die wie in diesem Fall nicht unter Denkmalschutz stehen. Das hatte die Gemeinde über das Landratsamt prüfen lassen. Daraufhin positionierte sich der Gemeinderat einstimmig: "Der Farbanstrich muss entfernt werden."
Hausbesitzer wollten Balken nicht umstreichen
In puncto Hausfassade und Dacheindeckung hätte die Gemeinde sogar ein Auge zugedrückt, so Bürgermeister Fischer auf Anfrage dieser Redaktion. Obwohl es entsprechende Vorgaben gibt. "Es ist klar geregelt, dass die Dachziegel rot und die Wandfassaden getönt sein müssen. Für die Balken ist ein dunkler Farbton definiert", erläutert Fischer.
Der Gemeindechef suchte das Gespräch mit den Hausbesitzern, um eine gütliche Einigung zu finden. Er bat das Ehepaar, die grell blaue Farbe der Balken gegen einen Farbton zu ersetzen, der der Gestaltungssatzung entspricht. Dieser Bitte kamen die Hauseigentümer nicht nach, mehrere Fristen zur Umgestaltung ließen sie verstreichen.
Vermittlungsversuch im Landratsamt gescheitert
Statt dessen wandte sich das Paar an das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Die Behörde wiederum holte eine Stellungnahme beim Landratsamt Rhön-Grabfeld ein. Das Ergebnis: "Die Aufforderung des Bürgermeisters ist nicht zu beanstanden", so die Schlussfolgerung des Staatsministeriums. Dazu der Hinweis, dass die Entscheidung, ob diese Ordnungswidrigkeit verfolgt werde, Sache der Gemeinde Nordheim sei.

Darauf verzichtete die Gemeinde, pochte jedoch weiterhin auf die Einhaltung der Gestaltungssatzung. Die Hauseigentümer weigerten sich. Ein Vermittlungsversuch von Landrat Thomas Habermann, der die Eigentümer zum Gespräch ins Landratsamt eingeladen hatte, blieb erfolglos.
Die Fronten waren verhärtet
Der Bauherr habe dabei angeführt, dass er das Wohnhaus in einer anderen Farbe gestrichen hätte, wenn seitens der Gemeinde rechtzeitig, also vor Abschluss der Arbeiten, Bedenken oder Verbesserungsvorschläge geäußert worden wären, listete der Bürgermeister in der Chronologie auf. Die Gemeinde hingegen argumentierte, dass die Hausbesitzer im Vorfeld der Arbeiten nicht bei der Gemeinde nachgefragt hatten, ob es Vorgaben bei der Hausgestaltung gebe. "Wir hätten sogar einen Zuschuss für die Fachwerksanierung gegeben", sagt Thomas Fischer.
Die Situation war festgefahren. Die Eigentümer beauftragten eine Anwaltskanzlei und legten Widerspruch gegen die Entscheidung des Gemeinderats ein, der die beantragten Befreiungen von der Satzung nicht erteilen wollte.
Rechtsstreit in letzter Minute abgewendet
Während die Gemeinde laut Bürgermeister auf ein Ordnungswidrigkeitenverfahren verzichtete, "um Dampf aus dem Kessel zu nehmen", ließen die Bauherren die Gültigkeit der Nordheimer Gestaltungssatzung rechtlich auf den Prüfstand stellen. Das stieß mehreren Gemeinderatsmitgliedern sauer auf, die sich an dieser Vorgehensweise störten.
Es schien, als würde der Zwist um das blaue Haus zu guter Letzt vor Gericht entschieden. So weit wird es nun allerdings nicht kommen. "Die Gemeinde ist im Recht", teilt Thomas Fischer auf Anfrage dieser Redaktion mit. Wie er sagt, hätten die Hauseigentümer daher ihren Widerspruch zurückgenommen.
Beide Parteien gehen aufeinander zu
Laut Fischer wird ihnen nun eine Frist bis 31. Mai gesetzt. In dieser Zeit soll das Umstreichen der Balken erfolgen. Das hätten die Eigentümer bereits über ihren Anwalt zugesagt, so der Bürgermeister. Die Hausbesitzer selbst schweigen dazu. "Unsere Mandantschaft möchte sich nicht äußern", lautet die Auskunft ihres Rechtsanwalts nach einer entsprechenden Anfrage dieser Redaktion.
Die Gemeinde will den Eigentümern aber auch entgegenkommen: Ein Antrag auf eine nachträgliche Befreiung von den Festsetzungen der Gestaltungssatzung ist in der Verwaltung eingetroffen. Es wird erwartet, dass der Gemeinderat diese Befreiungen hinsichtlich der Farbe der Hausfassade und der Dacheindeckung in der Sitzung am 23. März erteilen wird.
Eigentümer wollen Haus in Nordheim verkaufen
Damit zeichnet sich das Ende eines langen Streits um das blaue Haus in Nordheim ab, über den auch Fernsehsender berichtet hatten und das zufällig das Geburtshaus von Bürgermeister Thomas Fischer ist. Eine Rolle habe dies aber zu keiner Zeit in der Diskussion im Gemeinderat gespielt. "Für mich war das ein Projekt wie jedes andere und mit keinerlei Emotionen verbunden", stellt er klar. "Es wurde rein nach Satzung gehandelt und entschieden."
Ob die Eigentümer weiterhin in dem Haus wohnen werden, ist derweil ungewiss. Unter anderem auf der Plattform Ebay Kleinanzeigen wird das Haus zum Verkauf angeboten.
Ob der Inhalt der Satzung noch zeitgemäß ist, ist eine andere Frage. Darüber kann man diskutieren, allerdings im dafür vorgesehenen Verfahren - und nicht ad hoc in einem Fall, bei dem das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
Ebf. eine andere Frage ist, ob es „besser“ wäre, wenn solche Häuser gar nicht saniert werden würden. Das ist es natürlich nicht, geht aber am Thema vorbei.
Nochmal: Ich halte nichts davon, dass jemandem eine Extrawurst gebraten wird, wenn er auch noch so dreist ist und vollendete Tatsachen schafft.
Die Gemeinde Nordheim ist den Eigentümern mehr als ausreichend entgegen gekommen - und selbst das sollte eigentlich nicht sein (…).
Es sieht wunderschön und gepflegt aus.
Es gibt so viele Häuser die in Ortschaften ungeliebt vor sich hingammeln.
Da ist das doch 1000x schöner anzuschauen
Soweit ich den Artikel in Erinnerung habe, sah der Bgm. das erst, als er aus dem Urlaub kam...
Würde mich interessieren, wieviele der Schreiber hier denn vor Ort waren und jeder der anderen Häuser das in einer grell- oder bunten Farbe angestrichen hätte, wie das dann aussehen würde. Und weiter Richtung innerort s, beim Aufgang zur Kirche, gibt es schöne Beispiele, wo die Satzung der Gemeindeverwaltung berücksichtigt wurde.
Eigentlich würde das nur Nordheimer etwas angehen...
Kein Wunder das engagierte Leute immer weniger tun, weil ja nur noch Bürokraten
usw. das Sagen haben !
Speziell wenn es ein Haus mit Bezug zu Lokalpolitikern ist!
Andererseits entspricht es nicht der Gestaltungssatzung. Da das Haus nicht versteckt steht könnte hätte man den unwissenden Bauherrn schon sofort am Anfang der Arbeiten dringlichst auf die Vergehen hinweisen können.
Zwar schützt Unwissenheit nicht vor Strafe aber warum ist das nicht geschehen? Man lässt doch niemanden eiskalt ins Messer laufen? So ein Haus streicht sich nicht an einem Tag von selbst und auch das Tag war nicht innerhalb von zehn Minuten gedeckt.
Als engagierter Gemeinderat oder Bürgermeister interessiere ich mich doch von Amtswegen vorab für so eine tolle Sanierung. Da ist man doch auch neugierig und fragt mal nach bzw. spricht sein Lob dafür aus, dass so eine Sanierung in Angriff genommen wird.
Hier haben alle Seiten versagt aber die eine Seite pocht auf ihr Recht.