zurück
Nordheim
Das blaue Haus in Nordheim in der Rhön: Im Streit zwischen Gemeinde und Besitzern zeichnet sich eine Einigung ab
Fachwerk in grellblau? Das widerspricht der Gestaltungssatzung in Nordheim. Sehr zum Ärger der Hauseigentümer. Über einen Streit, der vielleicht bald ein Ende hat.
Die grellblaue Farbgestaltung eines Fachwerkhauses in Nordheim verstößt gegen die Gestaltungssatzung der Gemeinde Nordheim.  
Foto: Simone Stock | Die grellblaue Farbgestaltung eines Fachwerkhauses in Nordheim verstößt gegen die Gestaltungssatzung der Gemeinde Nordheim.  
Simone Stock
 |  aktualisiert: 09.02.2024 11:47 Uhr

Das grellblaue Fachwerk, direkt an der vielbefahrenen Hauptstraße, sticht heraus. Für die einen ist es ein echter Hingucker, für andere gewöhnungsbedürftig oder gar unpassend für eine Fachwerkfassade. Über kein Gebäude im Streutal wurde in den vergangenen zwei Jahren mehr gesprochen und diskutiert als über das blaue Haus in Nordheim. Und die Geschichte ist noch nicht zu Ende.

Die Anfänge sind bekannt: Als Nordheims Bürgermeister Thomas Fischer 2021 von seinem Pfingsturlaub zurückkehrte, erwartete ihn eine direkt ins Auge springende Überraschung. Das Fachwerkhaus an der B 285, mitten im Ort, war saniert und neu gestrichen worden.

Mehrere Verstöße gegen die Gestaltungssatzung

Wenn alte Häuser im Ortskern hergerichtet werden, wird das in der Regel von den Gemeindevertretern gern gesehen. Nicht so in diesem Fall: Denn die neue Farbe der Balken in einem leuchtenden Blauton und die weiße Wandfassade sind in der Gemeinde Nordheim laut Gestaltungssatzung nicht erlaubt. Ebenso wie das dunkel gedeckte Dach des Hauses.

Auch wenn diese Satzung aus dem Jahr 1978 stammt, ist sie uneingeschränkt gültig – und auch für Gebäude bindend, die wie in diesem Fall nicht unter Denkmalschutz stehen. Das hatte die Gemeinde über das Landratsamt prüfen lassen. Daraufhin positionierte sich der Gemeinderat einstimmig: "Der Farbanstrich muss entfernt werden."

Hausbesitzer wollten Balken nicht umstreichen

In puncto Hausfassade und Dacheindeckung hätte die Gemeinde sogar ein Auge zugedrückt, so Bürgermeister Fischer auf Anfrage dieser Redaktion. Obwohl es entsprechende Vorgaben gibt. "Es ist klar geregelt, dass die Dachziegel rot und die Wandfassaden getönt sein müssen. Für die Balken ist ein dunkler Farbton definiert", erläutert Fischer.

Der Gemeindechef suchte das Gespräch mit den Hausbesitzern, um eine gütliche Einigung zu finden. Er bat das Ehepaar, die grell blaue Farbe der Balken gegen einen Farbton zu ersetzen, der der Gestaltungssatzung entspricht. Dieser Bitte kamen die Hauseigentümer nicht nach, mehrere Fristen zur Umgestaltung ließen sie verstreichen.

Vermittlungsversuch im Landratsamt gescheitert

Statt dessen wandte sich das Paar an das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Die Behörde wiederum holte eine Stellungnahme beim Landratsamt Rhön-Grabfeld ein. Das Ergebnis: "Die Aufforderung des Bürgermeisters ist nicht zu beanstanden", so die Schlussfolgerung des Staatsministeriums. Dazu der Hinweis, dass die Entscheidung, ob diese Ordnungswidrigkeit verfolgt werde, Sache der Gemeinde Nordheim sei.

Bald Geschichte? Das Fachwerk des Hauses in Nordheim soll bis Ende Mai umgestrichen werden.
Foto: Simone Stock | Bald Geschichte? Das Fachwerk des Hauses in Nordheim soll bis Ende Mai umgestrichen werden.

Darauf verzichtete die Gemeinde, pochte jedoch weiterhin auf die Einhaltung der Gestaltungssatzung. Die Hauseigentümer weigerten sich. Ein Vermittlungsversuch von Landrat Thomas Habermann, der die Eigentümer zum Gespräch ins Landratsamt eingeladen hatte, blieb erfolglos.

Die Fronten waren verhärtet

Der Bauherr habe dabei angeführt, dass er das Wohnhaus in einer anderen Farbe gestrichen hätte, wenn seitens der Gemeinde rechtzeitig, also vor Abschluss der Arbeiten, Bedenken oder Verbesserungsvorschläge geäußert worden wären, listete der Bürgermeister in der Chronologie auf. Die Gemeinde hingegen argumentierte, dass die Hausbesitzer im Vorfeld der Arbeiten nicht bei der Gemeinde nachgefragt hatten, ob es Vorgaben bei der Hausgestaltung gebe. "Wir hätten sogar einen Zuschuss für die Fachwerksanierung gegeben", sagt Thomas Fischer.

Die Situation war festgefahren. Die Eigentümer beauftragten eine Anwaltskanzlei und legten Widerspruch gegen die Entscheidung des Gemeinderats ein, der die beantragten Befreiungen von der Satzung nicht erteilen wollte.

Rechtsstreit in letzter Minute abgewendet

Während die Gemeinde laut Bürgermeister auf ein Ordnungswidrigkeitenverfahren verzichtete, "um Dampf aus dem Kessel zu nehmen", ließen die Bauherren die Gültigkeit der Nordheimer Gestaltungssatzung rechtlich auf den Prüfstand stellen. Das stieß mehreren Gemeinderatsmitgliedern sauer auf, die sich an dieser Vorgehensweise störten.

Es schien, als würde der Zwist um das blaue Haus zu guter Letzt vor Gericht entschieden. So weit wird es nun allerdings nicht kommen. "Die Gemeinde ist im Recht", teilt Thomas Fischer auf Anfrage dieser Redaktion mit. Wie er sagt, hätten die Hauseigentümer daher ihren Widerspruch zurückgenommen.

Beide Parteien gehen aufeinander zu

Laut Fischer wird ihnen nun eine Frist bis 31. Mai gesetzt. In dieser Zeit soll das Umstreichen der Balken erfolgen. Das hätten die Eigentümer bereits über ihren Anwalt zugesagt, so der Bürgermeister. Die Hausbesitzer selbst schweigen dazu. "Unsere Mandantschaft möchte sich nicht äußern", lautet die Auskunft ihres Rechtsanwalts nach einer entsprechenden Anfrage dieser Redaktion.

Die Gemeinde will den Eigentümern aber auch entgegenkommen: Ein Antrag auf eine nachträgliche Befreiung von den Festsetzungen der Gestaltungssatzung ist in der Verwaltung eingetroffen. Es wird erwartet, dass der Gemeinderat diese Befreiungen hinsichtlich der Farbe der Hausfassade und der Dacheindeckung in der Sitzung am 23. März erteilen wird.

Eigentümer wollen Haus in Nordheim verkaufen

Damit zeichnet sich das Ende eines langen Streits um das blaue Haus in Nordheim ab, über den auch Fernsehsender berichtet hatten und das zufällig das Geburtshaus von Bürgermeister Thomas Fischer ist. Eine Rolle habe dies aber zu keiner Zeit in der Diskussion im Gemeinderat gespielt. "Für mich war das ein Projekt wie jedes andere und mit keinerlei Emotionen verbunden", stellt er klar. "Es wurde rein nach Satzung gehandelt und entschieden."

Ob die Eigentümer weiterhin in dem Haus wohnen werden, ist derweil ungewiss. Unter anderem auf der Plattform Ebay Kleinanzeigen wird das Haus zum Verkauf angeboten.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Nordheim
Simone Stock
Balken
Bürgermeister und Oberbürgermeister
Hauseigentümer
Rechtsstreits
Stadträte und Gemeinderäte
Thomas Fischer
Thomas Habermann
eBay
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • L. S.
    Genau elmer, das sind die bayer. Landesfarben weiß und blau.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. K.
    Weiß-Blau, das sollte doch in Bayern über jeden Zweifel erhaben sein zwinkern
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • F. K.
    (…) Denn wenn man dem Einen eine Ausnahme gewährt, kommt später der Nächste und sagt: „Bei dem habt Ihr‘s doch auch durchgehen lassen!“ V.a. wenn man bedenkt, dass man erst die Arbeiten durchführt, anstatt sich vorher zu informieren, welche bauordnungsrechtlichen Regeln gelten (das ist v.a. bei einem Fachwerkhaus naheliegend). Allerdings wäre es natürlich interessant zu wissen, inwiefern die 1978 erlassene Satzung öfftl. einsehbar war (Gemeinde-Homepage?).

    Ob der Inhalt der Satzung noch zeitgemäß ist, ist eine andere Frage. Darüber kann man diskutieren, allerdings im dafür vorgesehenen Verfahren - und nicht ad hoc in einem Fall, bei dem das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

    Ebf. eine andere Frage ist, ob es „besser“ wäre, wenn solche Häuser gar nicht saniert werden würden. Das ist es natürlich nicht, geht aber am Thema vorbei.

    Nochmal: Ich halte nichts davon, dass jemandem eine Extrawurst gebraten wird, wenn er auch noch so dreist ist und vollendete Tatsachen schafft.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • F. K.
    Also ich verstehe wirklich nicht, warum hier so viele Leute die Bauherren in Schutz nehmen und von „Bürokratie“, „Amtsschimmel“, usw. palavern. Das Recht (= die Satzung) ist dazu da, eingehalten zu werden. Alle Anderen müssen sich schließlich auch daran halten. Außerdem wurde die Satzung seinerzeit durch das hierfür zuständige und durch Wahlen demokratisch legitimierte Gremium, das aus einem Querschnitt der Gemeindebürger besteht, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise erlassen. Es kann nicht angehen, dass man jeden Bürger ausdrücklich auf bestimmte geltende Vorschriften hinweisen soll - jeder ist für sein Tun (oder Unterlassen) selbst verantwortlich. Schließlich kann sich auch ein Autofahrer, der einem anderen die Vorfahrt nimmt, nicht damit herausreden, er habe die entsprechende Beschilderung übersehen.
    Die Gemeinde Nordheim ist den Eigentümern mehr als ausreichend entgegen gekommen - und selbst das sollte eigentlich nicht sein (…).
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. T.
    Wie schade das das Haus umgestrichen werden soll, weil die Satzung lieber Einheitslook möchte.

    Es sieht wunderschön und gepflegt aus.

    Es gibt so viele Häuser die in Ortschaften ungeliebt vor sich hingammeln.
    Da ist das doch 1000x schöner anzuschauen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. B.
    Wäre die Farbe des Fachwerks weniger grell, hätte sich vermutlich keiner aufgeregt. Und was das mit dem örtlichen Lokalpolitiker zu tun haben soll, nur weil da mal seine Eltern gewohnt haben, verstehe ich auch nicht. Sah aber damals auf jeden Fall schöner aus. Es entsprach der Satzung, auch wenn der Bgm. damals noch ein Kind war.

    Soweit ich den Artikel in Erinnerung habe, sah der Bgm. das erst, als er aus dem Urlaub kam...

    Würde mich interessieren, wieviele der Schreiber hier denn vor Ort waren und jeder der anderen Häuser das in einer grell- oder bunten Farbe angestrichen hätte, wie das dann aussehen würde. Und weiter Richtung innerort s, beim Aufgang zur Kirche, gibt es schöne Beispiele, wo die Satzung der Gemeindeverwaltung berücksichtigt wurde.

    Eigentlich würde das nur Nordheimer etwas angehen...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • T. D.
    Und der Amtschimmel und die Bürokratie haben wieder mal gesiegt !
    Kein Wunder das engagierte Leute immer weniger tun, weil ja nur noch Bürokraten
    usw. das Sagen haben !
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Diese verstaubten Verordnungen gehören zumindest bei nicht unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden endlich abgeschafft! Wenn man sich Neubaugebiete mit dem derzeit modischen Schuhschachtel-Einerlei anschaut, könnte sich jede Gemeinde über so ein hübsches blaues Haus freuen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. S.
    Lieber das Haus gammelig lassen! Hoffe jeder hat daraus gelernt!
    Speziell wenn es ein Haus mit Bezug zu Lokalpolitikern ist!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. B.
    Was soll das Haus denn Kosten? Gibt's einen Link?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. S.
    180 Tsd. - einfach bei Ebay Kleinanzeigen unter dem Begriff Nordheim bei Immobilien suchen. Ist sicher nicht schwer. Wird im Artikel aber auch so gesagt!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. S.
    Verstehen kann man beide Seiten! Das Haus ist wunderschön saniert, da können sich zahreiche andere ähnliche "Gammelhäuser" mit vorgeschriebenen roten Dach und braun gestrichenen Balken was abschauen.

    Andererseits entspricht es nicht der Gestaltungssatzung. Da das Haus nicht versteckt steht könnte hätte man den unwissenden Bauherrn schon sofort am Anfang der Arbeiten dringlichst auf die Vergehen hinweisen können.

    Zwar schützt Unwissenheit nicht vor Strafe aber warum ist das nicht geschehen? Man lässt doch niemanden eiskalt ins Messer laufen? So ein Haus streicht sich nicht an einem Tag von selbst und auch das Tag war nicht innerhalb von zehn Minuten gedeckt.

    Als engagierter Gemeinderat oder Bürgermeister interessiere ich mich doch von Amtswegen vorab für so eine tolle Sanierung. Da ist man doch auch neugierig und fragt mal nach bzw. spricht sein Lob dafür aus, dass so eine Sanierung in Angriff genommen wird.

    Hier haben alle Seiten versagt aber die eine Seite pocht auf ihr Recht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten