Hochseriös sitzt er da, das weiße Hemd sauber in die Hose gesteckt, die Smartwatch am Handgelenk und die Brille auf der Nase: Sam Elflein sieht aus, wie man sich einen Vertriebler gemeinhin vorstellen könnte. Im Entwicklungszentrum seines Arbeitgebers Jopp in Bad Neustadt muss man im Gespräch nicht zwingend darauf kommen, dass es nach Feierabend auch einen ganz anderen Sam Elflein gibt.
Nämlich den Musiker. Den Bassisten, den harten Kerl, der zwischen Feuerfontänen und meist in Schwarz gekleidet mit seiner Band Stahlzeit die Lieder der Rockgiganten von Rammstein covert - und das ausgesprochen erfolgreich. Stahlzeit ist weit mehr als Rammstein für Arme.
Die Band imitiert nicht nur die Songs, sondern auch die spektakuläre Bühnenshow ihrer Vorbilder nahezu detailgetreu und gilt mit jährlich rund 70 Auftritten im In- und Ausland als erfolgreichste Rammstein-Tribute-Band in Deutschland. Am Freitag, 21. Juli, spielt Stahlzeit beim Streutal-Festival in Mellrichstadt.
Für Sam Elflein wird das Konzert gewissermaßen ein Heimspiel. Der 52-Jährige arbeitet nicht nur in Bad Neustadt, seit seinem Wechsel zum Automobilzulieferer Jopp lebt er seit fünf Jahren auch gleich nebenan in Mühlbach. "Ich fühle mich hier sehr heimisch", sagt er. Und: "Man ist immer ein bisschen aufgeregter, wenn man in der Heimat spielt. Wir fahren ja bis an die Küste, waren jetzt auch in Holland. Aber egal wo du bist, du bist nie so aufgeregt, wie wenn es zuhause ist."
Sam Elflein vergleicht ein Stahlzeit-Konzert vor der Haustüre mit dem ersten Date
Alleine im Arbeitsalltag spreche er bestimmt zehn Mal am Tag über das Konzert. "Es kommen viele, die ich neu kennengelernt habe und auch alte Freunde aus der Bamberger Richtung." Elflein stammt aus Ebern. "Alle sind da, jeder will etwas mit dir trinken und ich vertrage genau ein Bier. Das Kribbeln ist schon da. Es ist ein bisschen wie beim ersten Date: Man will, dass alles perfekt ist, dass alles klappt und dass man super aussieht." Zwei Tage vor dem Konzert geht er noch einmal zum Friseur, erzählt er. Die Vorfreude ist im Gespräch mit dem Musiker in jeder Minute zu spüren.
Von Kindesbeinen an macht Sam Elflein Musik. Zuerst spielte er Klavier, bis er, wie er sagt, "etwas Cooles" machen wollte. Es wurde der E-Bass, weil seine Schwester schon die E-Gitarre beansprucht hatte: "Das ging dann also auch nicht", erzählt er und lacht. Seit seinem zwölften Lebensjahr, also 40 Jahren, ist das Instrument jetzt ständiger Begleiter. Über verschiedene Bandprojekte ist er 2019 fest bei Stahlzeit gelandet, wo er vorher schon ausgeholfen hatte.
Stahlzeit steht in keinem persönlichen Kontakt zu den Mitgliedern von Rammstein
Bei der Coverband, die durch die Missbrauchsvorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann selbst unfreiwillig in die Schlagzeilen geraten war. "Das tut einem schon weh", so Elflein, der wie seine Bandkollegen nie in einem persönlichen Kontakt zu Lindemann oder Rammstein stand.
Stahlzeit hat sich in einem Statement zu den Vorwürfen gegen Till Lindemann geäußert: Man habe von den Vorwürfen nichts geahnt und könne sich als Außenstehende zu diesen nicht äußern, heißt es dort. Das Management betont, dass es eine Aufarbeitung der Fakten abzuwarten gelte. Bei der "Rammstein Tribute Show" zolle die Band dem "künstlerischen Bühnenwerk" Respekt.
Musik und Beruf bekommt Elflein gut unter einen Hut
Elflein könnte, wie er verrät, im Zweifel von der Musik leben. Der Job in der Automobil-Branche gebe ihm dafür aber zu viel. Als sein "Yin und Yang" bezeichnet er Beruf und Leidenschaft, die sich für ihn perfekt ergänzen würden. Auch, wenn es nicht immer ganz einfach ist, wie Elflein zugibt. "Es ist schon manchmal anstrengend. Aber inzwischen haben wir einen Stand als Band erreicht, dass wir Leute beschäftigen, die uns viel abnehmen. Früher haben wir zum Beispiel schon in den frühen Morgenstunden den Bus beladen und waren abends beim Auftritt fast schon müde."
Das falle wie vieles anderes inzwischen weg. Was bleibt, sind mitunter sehr weite Strecken und sehr viele Auftritte. Priorität habe im Zweifel die Arbeit, in Bad Neustadt würde er aber Freiheiten wie teilweise Mobiles Arbeiten genießen, die ihm sein "Doppelleben" ermöglichen.
Büro oder Pyro? Ins Schwitzen bringe ihn beides, sagt Sam Elflein und lacht. Wenn auch auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Ein Bürotag könne schon anstrengend werden. Körperlich dafür schlauche eine Show, bei der durch die zahlreichen Feuerelemente teils um die 70 Grad für die Musiker auf der Bühne herrschen, natürlich deutlich mehr. "Das fühlt sich an wie einige Saunagänge nacheinander ohne sich abzukühlen", sagt Elflein. Für sein Heimspiel wird er das wieder einmal gerne in Kauf nehmen.