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WÜRZBURG
Stahlzeit: Wenn das Spiel mit dem Feuer süchtig macht
Feuerteufel auf der Bühne: Auch in Würzburg hat es die Neue-Deutsche-Härte-Band Stahlzeit mächtig krachen lassen.
Foto: Ulises Ruiz | Feuerteufel auf der Bühne: Auch in Würzburg hat es die Neue-Deutsche-Härte-Band Stahlzeit mächtig krachen lassen.
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:23 Uhr

Es zischt, es knallt, es lodert – wo die Jungs von Stahlzeit spielen, spielen sie immer auch mit dem Feuer. Ihre Auftritte sind mehr als Konzerte, sie sind pyromaner Wahnsinn. Über 2200 Fans wollten jüngst in der Würzburger Posthalle die fränkische Rammstein-Coverband hören – und vor allem sehen.

Und zu sehen gibt's eine Menge: Flammen schießen zur Decke, Feuer regnet zu Boden, ein Funkenvorhang verhüllt die Musiker, von denen schon mal einer im Kochtopf landet, der mit einem riesigen Bunsenbrenner angeheizt wird. Spektakel halt.

„Das sind schon einige Tausend Euro, die wir da in die Luft ballern“, sagt Helfried Heli Reißenweber. Er ist Sänger und Kopf von Stahlzeit. Deren Metier ist Neue Deutsche Härte, jene brachial-stumpfe Metal-Spielart, die Rammstein mitgeprägt und international salonfähig gemacht haben. Um nichts anderes dreht es sich bei Helis Cover-Combo: Es werden ausschließlich Rammstein-Songs gespielt und deren Show so detailgetreu wie möglich kopiert.

So detailgetreu es die örtlichen Gegebenheiten erlauben, jedenfalls. „Unsere Pyro-Crew muss die Shows immer erst der Gemeinde melden, die dann in der Halle prüft, was umsetzbar ist“, so Reißenweber. „Oft werden noch kurz vor Beginn Elemente gestrichen.“ Das Risiko ist bei viel Holz oder anderen leicht brennbaren Flächen zu groß. „In der Würzburger Posthalle war das auch nicht immer einfach“, sagt der 52-Jährige.

4000 bis 5000 Euro Feuerkosten

Doch diesmal haben die Verantwortlichen offenbar eineinhalb Augen zugedrückt. Denn was die sechs Franken, die seit elf Jahren zusammen touren, da abbrennen, ist aberwitzig. Die Hitze der Feuereffekte erreicht noch in der Mitte der Halle die Fans. Die natürlich nichts mitbekommen haben von den Vorarbeiten. Dass die Musiker selbst mit anpacken, etwa beim Abkleben der Sprinkleranlage. Die kann bei 60 Grad schon mal losschlagen – und Wasser ist das Letzte, was Stahlzeit brauchen.

70 bis 80 Shows im Jahr liefert die Band. Im Durchschnitt geht dabei Sprengstoff für 4000 bis 5000 Euro durch die Rohre. Nicht irgendeiner. Nein, Stahlzeit kaufen für ihre Zündelei überwiegend und beim gleichen Lieferanten dieselbe Substanz wie Rammstein: Lycopodium – gemahlene Bärlapp-Sporen, ein sauteures Zeug aus China. Elf bis zwölf Tonnen ernten die Chinesen im Jahr, Rammstein kaufen für eine Tour locker ein Drittel vom Weltmarkt weg.

Spielt gern mit dem Feuer: Helfried Heli Reißenweber, Sänger und Kopf der Rammstein-Coverband Stahlzeit.
Foto: Michael Bauer | Spielt gern mit dem Feuer: Helfried Heli Reißenweber, Sänger und Kopf der Rammstein-Coverband Stahlzeit.

„Wenn die touren, wird's noch teurer. Also kaufen wir in den Rammstein-Spielpausen auf Vorrat“, erzählt Reißenweber. „Dennoch sind das enorme Kosten. Kosten, die die Fans gerne unterschätzen. Speziell wir Franken sagen halt gerne: Mehr als neun Euro gebe ich für eine Coverband nicht aus.“ Da von den knapp 30 Songs am Abend gut 20 Pyro-Elemente enthalten, werden rund 25 Euro im Vorverkauf und 30 an der Abendkasse notwendig, um halbwegs auf einen grünen Zweig zu kommen, sagt Reißenweber.

Zwei Bandmitglieder sind Vollzeit-Musiker. Nicht so Heli, der hauptberuflich eine Kneipe in Kulmbach betreibt. Und in nahezu identischer Besetzung noch bei Maerzfeld singt. Maerzfeld spielen ebenfalls NDH, aber eigene Kompositionen.

Märzfeld? „Ja, ich weiß“, räumt Reißenweber eine gewisse Naivität bei der Wahl des Bandnamens ein – schließlich hatten die Nationalsozialisten in Nürnberg ein Aufmarschgelände gleichen Namens geplant. „Wir haben uns als Franken aber was richtig Fränkisches suchen wollen. Und da haben wir an die Heeresversammlung der fränkischen Merowinger gedacht. Ich bin schließlich stolz, Franke zu sein.“ Das Ausland habe ohnehin weniger Probleme mit dem Bandnamen, den man trotz der negativen Belegung des Begriffs hierzulande nicht mehr ändern wollte.

Martialisch sollte es halt klingen. Industriell. Wie eben auch Stahlzeit. Das Sextett hieß anfangs, für ein Konzert nur, Rammstahl. Da aber rief ganz geschwind das Rammstein-Management an und legte ob zu offensichtlicher Ähnlichkeit sein Veto ein.

Ansonsten hat das Original mit der Kopie, fraglos einer der besten im Lande, keine Probleme. Reißenweber: „Till Lindemann und Co haben uns schon gesagt, dass sie unsere Show mögen. Das Gros dessen, was wir kopieren, wird abgesegnet. Nur einzelne, individuelle Elemente erlauben sie uns nicht, weil das die Persönlichkeitsrechte der Musiker verletzen würde.“

Eine Äußerlichkeit gab den Anstoß

Aber beim Song „Rammstein“ darf selbstverständlich der brennende Mantel getragen werden. Und die analen Obszönitäten bei „Bück dich“ dürfen ebenso sein wie die makabere Kanibalismus-Show bei „Mein Teil“, wenn der aus Schweinfurt stammende Keyboarder Thilo Weber von Metzgermeister Heli in den Kochtopf gejagt wird.

„Unsere Auftritte leben zu 50 Prozent von Theater und Pyro“, sagt Reißenweber. „Ohne würden wir uns nackt fühlen auf der Bühne.“ Da ist verschmerzbar, dass er sich nicht nur einmal die Hand verbrannt hat. Bei den Konzerten sei ständiger Augenkontakt mit den Pyrotechnikern unverzichtbar. „Es knallt ja aus allen Ecken, wir verlassen uns da voll auf unser Team. Man darf eines nie verlieren: Den Respekt vor dem Feuer. Denn eines ist klar: Das Spiel mit dem Feuer macht süchtig.“ Gesteuert werden die Sequenzen zwar über Computer, doch gestartet wird per Hand.

Den Anstoß, als Kopie durch die Lande zu tingeln, gab zunächst einmal eine Äußerlichkeit. Schließlich ist Reißenweber selbst eine zum verwechseln ähnliche Kopie von Rammstein-Boss Till Lindemann. „So kamen wir überhaupt auf die Idee. Bei einer kleinen Festival-Show haben wir mal paar Rammstein-Nummern gespielt. Und da haben die Leute gemeint, ich würde fast genauso singen und ähnlich aussehen. Der Rest ergab sich bei ein paar Bierchen.“

Kein Wunder allerdings, dass der 52-Jährige privat inzwischen kaum noch Rammstein hören kann, zumal er eher vom traditionellen Rock herkommt. Den Shows jedoch ist er auch persönlich dankbar: „Die halten fit. Zweieinhalb Stunden im Feuer auf der Bühne herumturnen, das zehrt. Da musst du fit sein.“ Der Würzburger Auftritt zeigt: Reißenweber ist es.

Feuerteufel auf der Bühne: Auch in Würzburg hat es die Neue-Deutsche-Härte-Band Stahlzeit mächtig krachen lassen.
Foto: Ulises Ruiz | Feuerteufel auf der Bühne: Auch in Würzburg hat es die Neue-Deutsche-Härte-Band Stahlzeit mächtig krachen lassen.
 
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