Für Rhön-Grabfeld sind die Pläne von Valeo, die Fertigung in Bad Neustadt zum Sommer 2024 zu schließen, ein Schock. 310 Stellen könnten in Bad Neustadt abgebaut werden. In Forschung und Entwicklung, hieß es jüngst auf einer Info-Veranstaltung von Seiten des Unternehmens, bleiben 200 Stellen erhalten. Wie man Kündigungen eventuell entgehen könnte und was man im Worst Case tun sollte, erklärt Elisa Härder. Die 34 Jahre alte Fachanwältin für Arbeitsrecht wohnt in Bad Neustadt und arbeitet in der Würzburger Kanzlei Steinbock und Partner, die auch in Bad Kissingen eine Zweigstelle hat. Sie hat sich unter anderem auf betriebsbedingte Kündigungen spezialisiert.
Elisa Härder: Die Betroffenen haben die Möglichkeit, sich bereits auf dem Arbeitsmarkt umzusehen. In einer solchen Situation sollte man jeden Vorgesetztenwechsel, jede Versetzung nutzen, um nach einem Zwischenzeugnis zu fragen. Ist eine betriebsbedingte Kündigung erst einmal ausgesprochen, wird der Arbeitgeber das Zeugnis meist nur noch zum Teil eines Gesamtpaketes machen, in dem möglicherweise zugleich um Abfindung oder rückständiges Entgelt gerungen wird. So eine Einigung kann sich über mehrere Wochen hinziehen. Ohne gutes Zeugnis sind die Bewerbungschancen erschwert.
Härder: Es ist für Arbeitnehmer immer wertvoll, aktiv möglichst viel über die eigenen Zukunftschancen im Unternehmen zu erfahren. Für den Arbeitgeber ist das Interesse des Arbeitnehmers in der Regel ein gutes Signal. Ziel solcher Gespräche könnten Versetzungen an andere Standorte sein oder Einzelvereinbarungen, im Sinne von: "Ich verzichte auf einen Teil meines Lohns, wenn ihr im Gegenzug für einen Zeitraum X auf meine Kündigung verzichtet." Die Frage ist aber natürlich: Wenn die Produktion insgesamt betroffen ist, inwieweit werden da noch individuelle Vereinbarungen getroffen.
Härder: Die Kündigung per se zu vermeiden, ist schwierig. Aber man kann dem Arbeitgeber die Kündigungsmöglichkeit erschweren. Typischerweise haben Betriebsräte oder Schwangere Sonderkündigungsschutz. Aber auch ein männlicher Arbeitnehmer kann prüfen, ob sein Nachwuchs und ein zum richtigen Zeitpunkt gestellter Antrag auf Elternzeit einen besonderen Kündigungsschutz begründet. Auch der Datenschutzbeauftragte ist nicht kündbar. Eine andere Option ist der Schwerbehindertenkündigungsschutz. Bei einem Grad der Behinderung mit 30 – ob die vorliegt, sollte man nach einer Erkrankung prüfen lassen – kann ich eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer beantragen und genieße dann auch den entsprechenden Kündigungsschutz.
Härder: Ich glaube, dass das ein möglicher Ansatzpunkt ist, Druck auf Valeo aufzubauen. Es geht ja um den guten Ruf als Arbeitgeber. Valeo kann es sich angesichts des Fachkräftemangels eigentlich nicht erlauben, Arbeitsplätze derart rücksichtslos zu streichen. Zu einer guten Reputation als Arbeitgeber zählt ein rücksichtsvoller Umgang mit Standortverlagerungen und der Verschiebung von Arbeitsplätzen. Öffentlichkeitswirksam und überregional Druck aufzubauen, kann durchaus helfen.
Härder: Im Falle betriebsbedingter Entlassungen rechne ich mit Abfindungslösungen, die seitens des Unternehmens unterbreitet werden. Wie hoch die Abfindung ausfällt, hängt dann von der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ab. Beide Seiten müssten sich über einen Interessensausgleich und Sozialplan verständigen. Die Abfindung richtet sich in der Regel nach Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, oft gibt es auch einen Boni-Zusatz für bestehende Schwerbehinderungen.
Härder: Wichtig zu wissen: Ab dem Zugang der Kündigung hat man nur drei Wochen Zeit, sich gerichtlich gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen. Verstreicht diese Zeit, ist die Kündigung wirksam. Unabhängig davon, ob man ein Aufhebungsangebot oder eine Kündigung vorgelegt bekommt, sollte man sich anwaltlichen Rat einholen. Nicht blindlings oder widerspruchslos etwas unterschreiben! Entscheidend ist prinzipiell, dass die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten wird und dass klar wird, dass es sich um eine arbeitgeberbedingte Beendigung handelt. Das ist wichtig für einen möglichen Arbeitslosengeldbezug. Und eine wichtige Frage ist: Kann ich noch mehr Honig herausziehen als das, was der Arbeitgeber anbietet?
Härder: Der Betriebsrat hat die Belegschaft als Ganzes, hat in diesem Fall mehrere hundert Betroffene gleichzeitig. Der Anwalt berät ganz individuell seinen Mandanten im Einzelfall. Im Falle einer Kündigung gibt es in der individuellen Situation zu viele Fallstricke, formale Mängel oder andere offene Flanken beim Arbeitgeber, da rate ich immer zu einem Anwalt. Sonst gehen leicht Vorteile verloren.
Härder: Pauschal beantworten kann man das nicht. Im Arbeitsrecht ist die Vergütung in großen Teilen durch den Gesetzgeber vorgeschrieben und sehr komplex ausgestaltet. Wir als Kanzlei handhaben es so, dass wir im Erstgespräch abklären, welche Kosten anfallen würden. Ist ein Arbeitnehmer rechtsschutzversichert, trägt diese die Kosten. Ist die nicht vorhanden, gilt es sorgfältig zu prüfen, inwiefern ein Vorgehen gegen die Kündigung aus wirtschaftlicher Sicht Sinn macht.
Härder: Das würde ich uneingeschränkt empfehlen. Was man aber berücksichtigen muss: Es gibt eine dreimonatige, je nach Versicherung auch eine sechsmonatige Wartezeit. Wird die Kündigung in dieser Zeit ausgesprochen, übernimmt die Versicherung noch nicht.
Härder: Wenn man nicht ausschließen kann, dass der Stellenabbau weitergeht, sollte man sich ein Zwischenzeugnis ausstellen lassen. Gerade in so einer Situation bietet es sich auch an, über eine Absicherung nachzudenken, auf den Arbeitgeber zuzugehen und individuelle Vereinbarungen zu schließen.
Härder: Wissen kann ich das als Arbeitnehmer nicht. Allgemeine Kriterien, die meiner Ansicht nach ein gut aufgestelltes Unternehmen ausmachen: Erfolgen im Unternehmen noch Einstellungen? Wird weiterhin ausgebildet? Habe ich eine ausgewogene Altersstruktur? Gibt es eine verlässliche und vertrauensbildende Geschäftsführung?
Die Betriebe werden als Feinde gesehen und immer mehr ausgepresst, dass die Unternehmen keine Lzst mehr auf Deutschland haben! Abwanderungen dahin wo die Bedingungen, Standortfaktoren, Arbeitskosten günstiger sind, ist doch logisch!
Do ein scheinheiliges Gejammere!
Auch das wird die Verlagerung ins Ausland nicht aufhalten, es werden dann dort schlechtere Bedingungen für die Arbeitnehmerschaft eingerichtet, die dann die Ablösungen für die deutschen gewerkschafler erwirtschaften dürfen.
St. Floriansprinzip.
Aus Gewerkschafter Sicht: Sehr solidarisch 😁