
Nach dem Angriff auf den Dresdner SPD-Politiker Matthias Ecke entbrannte eine Debatte über Gewalt gegenüber Politikern. Beim Plakatieren für die Europawahl wurde der SPD-Mann brutal zusammengeschlagen. Am selben Tag wurden, ebenfalls in Dresden, Wahlhelfer der Grünen angegriffen. Diese Ereignisse beschäftigen Kommunalpolitiker auch hier in der Region, denn auch in Rhön-Grabfeld gab es bereits Übergriffe. Prominente Opfer sind Hendungens Bürgermeister Florian Liening-Ewert und sein Stellvertreter.
Es ist schon einige Monate her, als Liening-Ewert bayernweit Schlagzeilen machte: Ein abgeschnittener Schweinekopf lag im März 2023 vor der Haustür des Bürgermeisters der Gemeinde mit knapp 850 Einwohnern. Bei seinem Stellvertreter wurde sogar ein abgetrennter Schweinekopf auf den Gartenzaun aufgespießt.
Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern beschäftigen auch den Deutschen Städte- und Gemeindebund, der gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt, dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Landkreistag ein kommunales Monitoring entwickelt hat. In der letzten Befragung im Herbst 2023 wurde ermittelt, dass 38 Prozent der Befragten im Zeitraum von Mai bis Oktober 2023 bereits Anfeindungen erlebt haben. Das belegt auch die diese Woche veröffentlichte Statistik des Bundeskriminalamts zur politischen Kriminalität. Demnach nahmen 2023 die Angriffe auf Amtsträger und Ehrenamtliche gegenüber dem Vorjahr um 29 Prozent zu.

SPD-Kreisrat Egon Friedel: "Lob findet man heutzutage selten"
Welche Erfahrungen haben andere Politiker im Landkreis gemacht? Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag von Rhön-Grabfeld Egon Friedel berichtet auf Nachfrage der Redaktion, dass sich Akzeptanz und Anerkennung für das kommunalpolitische Engagement in den letzten Jahren deutlich verschlechtert hätten.
"Lob findet man heutzutage selten", so der Kreisrat. Friedel berichtet, dass die Wahlplakate der Sozialdemokraten schon mal beschmiert oder zerrissen werden. Den Angriff auf seinen SPD-Kollegen Matthias Ecke verurteilt Friedel aufs Schärfste und hat kein Verständnis für die Täter. "Gewalt ist keine Lösung", findet Friedel.
Sabine Rhein, Grünen-Stadträtin aus Bad Königshofen und Vorsitzende des Kreisverbandes in Rhön-Grabfeld, erzählt, dass man sich in der Stadt kennt. "Die Hürde für Gewalt und Pöbelei liegt hier einfach höher als woanders", empfindet sie. Dass Passanten keine Werbematerialien annehmen wollen oder Sprüche, wie "Geh' mir weg mit den Grünen", kennt Rhein allerdings schon. Die große Gefahr sieht sie allerdings in den sozialen Netzwerken. Dort seien die Hürden aufgrund der Anonymität viel geringer.
38 Prozent der befragten Kommunalpolitiker haben bereits Anfeindungen erlebt
Bisher haben Vertreter der Freien Wähler und der FDP im Landkreis Rhön-Grabfeld keine negativen Erfahrungen gemacht. Michael Kraus, Bürgermeister der Stadt Mellrichstadt und aktiv bei den Freien Wählern, sagt: "Weder als Bürgermeister noch als Kreisrat habe ich Gewalt, wie beispielsweise Bedrohungen, in irgendeiner Weise erfahren", berichtet er. In den sozialen Netzwerken werde schon gerne mal flapsiger kommentiert, erzählt Kraus, doch auch dort gingen die User nicht unter die Gürtellinie. FDP-Kreisrat Karl Graf Stauffenberg berichtet Ähnliches: "Mir ist nichts bekannt, außer den üblichen Schmierereien."
Landrat Habermann sind keine Negativentwicklungen bekannt
CSU-Landrat Thomas Habermann berichtet auf Anfrage der Redaktion von "keinen Negativentwicklungen im Hinblick auf Gewalt gegenüber Mandatsträgerinnen und -trägern". Ihm sei jedoch bewusst, dass es "Themen gibt, die Bürgerinnen und Bürger bewegen, die auch gelegentlich für Unmut und Protestaktionen sorgen". Er verweist auf die Hochphase der Corona-Pandemie, als an seinem Wohnhaus ein unangemeldeter Demonstrationszug vorbeizog. "Gewalt, egal gegenüber wem und in welcher Form, ist aufs Schärfste zu verurteilen. Hier gilt Null-Toleranz", so der Landrat.
Noch heute, mehr als ein Jahr nach dem Vorfall mit Schweinekopf, fragt sich Liening-Ewert: "Was will man damit eigentlich erreichen? Das bewirkt doch nichts." Er beobachte eine "Verrohung, auch im direkten Umfeld".
Insbesondere eine Partei kritisiert Liening-Ewert, auch wenn er ihren Namen nicht explizit nennt. "Diese Partei hat das Sagbare in Deutschland verschoben. Einige Personen fühlen sich von dieser Partei heraus befähigt, solche Taten zu legitimieren", so Liening-Ewert. Der Hendunger Bürgermeister erlebte nach der Bedrohung mit dem abgetrennten Schweinekopf eine große Solidaritätswelle. Diese half ihm, das Geschehene zu verarbeiten.