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Marktheidenfeld
Zwischen Plausch und Beleidigungen: Was ein Verkehrsüberwacher in seinem Berufsalltag in Marktheidenfeld erlebt
Marcel Ködderitzsch kontrolliert unter anderem, ob Autos richtig abgestellt und die Parkscheiben korrekt eingestellt sind. Diese Fallstricke gibt es beim Parken und Halten.
Eine Parkscheibe muss immer auf die nächste halbe Stunde nach der Ankunft eingestellt werden. Die Pfeilspitze muss dabei immer auf einen schwarzen Strich zeigen. Die Parkscheibe hinter dieser Windschutzscheibe liegt zwar auf dem Armaturenbrett, der Pfeil zeigt jedoch zwischen 8.30 und 9 Uhr.  Korrekt wäre in diesem Fall 8.30 Uhr. Deshalb stellt Verkehrsüberwacher Marcel Ködderitzsch ein Knöllchen aus.
Foto: Johannes Kiefer | Eine Parkscheibe muss immer auf die nächste halbe Stunde nach der Ankunft eingestellt werden. Die Pfeilspitze muss dabei immer auf einen schwarzen Strich zeigen.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 18:26 Uhr

Marcel Ködderitzsch schaut auf seine Armbanduhr. Es ist 8 Uhr. Diesen Blick wiederholt er an seinen Arbeitstagen unzählige Male. Er muss wissen, ob auf den Parkplätzen, auf denen man nur eine bestimmte Zeit lang stehen darf, die Parkscheiben richtig eingestellt sind. Ködderitzsch ist Verkehrsüberwacher des Zweckverbands Kommunale Verkehrsüberwachung Untermain mit Sitz in Laufach und im Auftrag der Stadt Marktheidenfeld unterwegs.

Am alten Festplatz blickt Ködderitzsch in die Fahrzeuge auf die Parkscheiben. Alles ist korrekt. Er wird jetzt für einige Stunde durch die Innenstadt patrouillieren. Der 33-Jährige ist in mehrere Schichten dicke Kleidung eingepackt, trägt feste Schuhe, hat Mütze und Handschuhe dabei. Die Temperatur liegt an diesem Morgen knapp über dem Gefrierpunkt.

Parkscheiben müssen zwingend blau sein

"Eine Parkscheibe muss nicht zwingend an der Windschutzscheibe liegen", erklärt Ködderitzsch. Sie müsse nur von außen gut lesbar sein. Erlaubt sind allerdings nur blaue Scheiben im Ton der "Aufsichtsfarben für Verkehrszeichen" gemäß DIN 6171, heißt es sperrig im Bußgeldkatalog. Alle anderen Farben oder Aufdrucke sind für Parkscheiben verboten, ein Zettel mit der Ankunftszeit reicht nicht aus.

Marcel Ködderitzsch prüft auf einem Parkplatz in Marktheidenfeld mit einem Blick auf seine Armbanduhr, ob die Parkscheibe die korrekte Ankunftszeit anzeigt.
Foto: Johannes Kiefer | Marcel Ködderitzsch prüft auf einem Parkplatz in Marktheidenfeld mit einem Blick auf seine Armbanduhr, ob die Parkscheibe die korrekte Ankunftszeit anzeigt.

Es gibt in Marktheidenfeld rund 400 Parkplätze, auf denen mit Parkscheibe zeitlich begrenzt geparkt werden kann, heißt es aus dem Ordnungsamt der Stadt. Und wo wird kontrolliert? "Besonderes Augenmerk legen die Kolleginnen und Kollegen auf die verkehrsberuhigten Zonen in der Altstadt", so Pressesprecher Marcus Meier.

Pfeilspitze der Parkscheibe muss auf einen schwarzen Strich zeigen

Ködderitzsch schaut auf seine Armbanduhr. Es ist 8.10 Uhr. Er entdeckt den ersten Falschparker dieses Tages in der unteren Baumhofstraße. Die Parkscheibe liegt auf dem Armaturenbrett, der Pfeil zeigt zwischen 8.30 und 9 Uhr. Doch eine Parkscheibe muss immer auf die nächste halbe Stunde nach der Ankunft eingestellt werden, die Pfeilspitze auf einen schwarzen Strich zeigen. Er sagt: "Korrekt wäre in diesem Fall 8.30 Uhr."

Mit seinem Mobiltelefon erfasst Verkehrsüberwacher Marcel Ködderitzsch die Daten des falschparkenden Autos und macht Fotos, um die Ordnungswidrigkeit beweisen zu können.
Foto: Johannes Kiefer | Mit seinem Mobiltelefon erfasst Verkehrsüberwacher Marcel Ködderitzsch die Daten des falschparkenden Autos und macht Fotos, um die Ordnungswidrigkeit beweisen zu können.

Der Kontrolleur macht mit seinem Mobiltelefon je ein Foto vom Kennzeichen, von der Frontscheibe mit der Parkscheibe und eine Nahaufnahme der Parkscheibe. Dann tippt er die Daten ein, aus denen das Knöllchen, das im offiziellen Sprachgebrauch "Verwarnung" heißt, generiert wird. Die Zahlungsaufforderung über 20 Euro klemmt er unter den Scheibenwischer.

"Die meisten zahlen anstandslos", sagt Ködderitzsch. Das Schwierige an seiner Arbeit sei es, die Beweise ordnungsgemäß zu führen, damit bei Nachfragen belegt werden könne, dass er tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit festgestellt habe. Wer fristgerecht innerhalb einer Woche zahlt, für den ist das Verfahren ohne zusätzliche Kosten beendet.

Fahrzeuge abschleppen lassen darf nur das Ordnungsamt und die Polizei

"Ich darf keine Fahrzeuge von öffentlichem Grund abschleppen lassen", sagt er. Das sei der Stadtverwaltung und der Polizei vorbehalten. Kommt Ködderitzsch zu einem Fahrzeug, das er bereits als ordnungswidrig geparkt erfasst hat und das die Parkzeit weiter überschreitet, werden jeweils weitere fünf Euro pro halber Stunde fällig. Steht ein Auto also beispielsweise mehr als drei Stunden auf einem Parkplatz ohne Parkscheibe, beläuft sich das Verwarnungsgeld auf 40 Euro.

Dieser Falschparker erhält von Verkehrsüberwacher Marcel Ködderitzsch ein Knöllchen. Er muss 20 Euro Verwarnungsgeld zahlen.
Foto: Johannes Kiefer | Dieser Falschparker erhält von Verkehrsüberwacher Marcel Ködderitzsch ein Knöllchen. Er muss 20 Euro Verwarnungsgeld zahlen.

Ködderitzsch schaut auf seine Armbanduhr. Es ist 8.22 Uhr. Die Autos auf den Stellplätzen in der Luitpoldstraße vor dem früheren Kaufhaus Lermann parken korrekt. Dem erwachsenen Radfahrer auf dem Gehweg weicht Ködderitzsch aus. Auch wenn der dort nicht fahren darf: "Wir sind nur für den sogenannten ruhenden Verkehr zuständig. Ich darf keine Radfahrer oder Autos anhalten." Weiter geht die Tour zum Brombacher Platz, auch dort hat alles seine Richtigkeit.

Verkehrsüberwacher Marcel Ködderitzsch will durch seine Kompetenz überzeugen

Zweimal habe Ködderitzsch vor Gericht ausgesagt, einmal wurde ein Beschuldigter wegen Beleidigung ihm gegenüber zu 1650 Euro verurteilt. "Die Ordnungswidrigkeit wäre ihm wesentlich günstiger gekommen", so der 33-Jährige. Meistens schütze ihn jedoch seine Uniform vor aggressiv gestimmten Menschen und verleihe ihm Autorität.

Ihm ist es wichtig, anderen immer ruhig und freundlich zu begegnen, sagt er. "Ich weiß nie, was sie gerade erlebt haben, ob sie vielleicht schlechte Nachrichten bekommen haben oder sich über etwas ärgern." Und er überzeuge gerne durch seine Kompetenz. "Die einen wollen wissen, was der Fahrer falsch gemacht hat, die anderen wollen wissen, wie sie sich richtig verhalten sollen." Auch wenn er nach dem Weg zur nächsten Poststelle oder dem Rathaus gefragt wird, gibt er gerne Auskunft. Überhaupt seien viele derjenigen, die ihm begegnen, zum Plaudern aufgelegt.

Es ist 9.10 Uhr. Auf diesem Parkplatz zwischen Baumhof- und Heubrunnenstraße darf man an Werktagen maximal zwei Stunden parken. Der Fahrer dieses Autos hat mit seiner Parkscheibe angegeben, er sei um 10 Uhr dort angekommen.
Foto: Johannes Kiefer | Es ist 9.10 Uhr. Auf diesem Parkplatz zwischen Baumhof- und Heubrunnenstraße darf man an Werktagen maximal zwei Stunden parken.

Vom Einzelhandel zur Verkehrsüberwachung

Ködderitzsch schaut auf seine Armbanduhr. Es ist 9.10 Uhr. In einem Auto auf dem Parkplatz zwischen Baumhofstraße und Heubrunnenstraße liegt eine Parkscheibe, die 10 Uhr anzeigt. Er stellt ein Knöllchen aus. Die Route, die er läuft, folge keinen Vorgaben, sagt er. Auch an welchen Tagen er arbeitet, kann er sich frei einteilen. "Ich mag es sehr, dass ich in meinem Beruf flexibel bin." Seinen Dienstplan kann er – im Rahmen der Vorgaben der Stadtverwaltung – frei gestalten.

Er ist seit sechs Jahren als Verkehrsüberwacher tätig, zuvor war er im Lebensmittelhandel. "Entspannt auf Weihnachten vorbereiten, das gab es jahrelang nicht", erzählt er. Auch die ständige Bewegung an der frischen Luft tue ihm gut.

Die Verkehrsüberwachung drückt auch mal ein Auge zu

Ködderitzsch schaut auf seine Armbanduhr. Es ist 9.36 Uhr. An der Ecke Kreuzbergstraße/Friedensstraße parkt ein Auto auf dem Gehweg. Der Handwerker, der Ködderitzsch aus dem Fenster kommen hat sehen, sagt, wegen der gesperrten Würzburger Straße würden hier derzeit viele Autos fahren. Er habe den Verkehr so wenig wie möglich behindern wollen und deshalb so weit wie möglich rechts geparkt, entschuldigt er sich.

Stattdessen habe er den Fußgängerverkehr behindert, sagt Ködderitzsch, erklärt ihm das Vergehen und verzichtet auf ein Verwarnungsgeld. 55 Euro werden fällig, wenn man verbotswidrig auf dem Gehweg parkt. "Es gilt das sogenannte Opportunitätsprinzip", sagt der Kontrolleur. Das heißt, er hat einen gewissen Handlungsspielraum innerhalb des rechtlichen Rahmens. "Anders als viele vielleicht glauben, bekomme ich keine Erfolgsprämie", klärt er auf. Er müsse auch nicht eine bestimmte Quote an Verwarnungen ausstellen.

Marcel Ködderitzsch trägt an kalten Wintertagen mehrere Kleidungsschichten übereinander. Die Rundgänge durch die Marktheidenfelder Innenstadt dauern in der Regel mehrere Stunden.
Foto: Johannes Kiefer | Marcel Ködderitzsch trägt an kalten Wintertagen mehrere Kleidungsschichten übereinander. Die Rundgänge durch die Marktheidenfelder Innenstadt dauern in der Regel mehrere Stunden.

Von Januar bis September 2023 wurden im Marktheidenfelder Stadtgebiet insgesamt 2800 Verwarnungen ausgestellt, teilt das Ordnungsamt auf Anfrage mit. Das bedeutet Einnahmen von rund 70.000 Euro. Dem gegenüber stehen Kosten von 67.000 Euro. "Wir würden gerne auf die Überwachung verzichten. Sie ist notwendig, um die Verkehrsregeln durchzusetzen und so ein gutes Miteinander der Verkehrsteilnehmenden zu ermöglichen", sagt Pressesprecher Marcus Meier. Gerade wenn viel los sei, sei die Verkehrsüberwachung gefordert, um ein ungestörtes Miteinander zu ermöglichen, etwa in den Tagen vor Weihnachten oder zur Laurenzi-Messe.

Kontrolle auch auf den Parkplätzen der Edeka-Supermärkte

Ködderitzsch schaut auf seine Armbanduhr. Es ist 9.48 Uhr. In der Kreuzbergstraße steht an einem der Parkplätze entlang der Straße ein Auto in falscher Richtung. Gerade kommt ein älteres Ehepaar aus der Physiopraxis gegenüber, der Mann stützt die Frau, hilft ihr auf den Beifahrersitz. Ködderitzsch will ihm erklären, was er falsch gemacht hat. Doch der Mann hat es sehr eilig, sich hinters Steuer zu setzen und wegzufahren. "Auch das erlebe ich öfters", sagt Ködderitzsch und zuckt mit den Schultern.

Für ihn geht die Route weiter zu einem der Edeka-Supermärkte. Er und seine Kollegen kontrollieren auch, ob die vorgeschriebene Parkzeiten eingehalten werden. Dort gelten andere Regeln als im öffentlichen Straßenverkehr. Weil es sich um Privatgrund handelt, können Zuwiderhandlungen mit Vertragsstrafen belegt werden oder Fahrzeuge sogar abgeschleppt werden.

 
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  • Heidi Weidhaas
    Danke dem intelligenten Gesetzgeber.
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