
Das Auto anmelden, den Personalausweis verlängern oder Pflegegeld beantragen – bis Ende 2023 sollen wir all diese Dinge komplett online erledigen können. Vor fünf Jahren ist das Onlinezugangsgesetz (OZG) in Kraft getreten. Bis zum 31. Dezember dieses Jahres sollen alle Leistungen von Behörden digitalisiert werden. Weil absehbar war, dass dies nicht zu schaffen ist, gewährt das im Juli verabschiedete Bayerische Digitalgesetz (BayDiG) eine Fristverlängerung bis Ende 2023.
Im Interview berichten Main-Spessarts Landrätin Sabine Sitter sowie Andreas Handel und Tobias Hirsch, die am Landratsamt für die Digitalisierung zuständig sind, über die Bedeutung dieser gesetzlichen Regelungen für die Behörde sowie für die Bürgerinnen und Bürger.
Sabine Sitter: Da gibt es einige...
Andreas Handel: Jeder Bürger aus Main-Spessart, der Kontakt zu einem Covid-19-Infizierten hatte, muss ein Formular ausfüllen. Per E-Mail wird ein Link zugeschickt, der auf unsere Internetseite führt. Dort kann man seine Daten eintragen. Es ist nicht notwendig, ein PDF auszudrucken und per Post zu versenden. Das ist datenschutzrechtlich einwandfrei und dem Gesundheitsamt stehen die Informationen sofort zur Verfügung.
Tobias Hirsch: Anderes Beispiel: Der derzeit laufende Führerscheintausch macht viel Arbeit. Den Ablauf möchten wir für die Bürger schneller gestalten. Es gibt bereits ein Online-Verfahren unseres Software-Anbieters. Es ist aber erst in zwei bayerischen Behörden im Echtbetrieb. Wir hoffen, dass es noch im Laufe des Jahres auch bei uns eingeführt werden kann.
Handel: Grundsätzlich sehen die Gesetze vor, dass jede Verwaltungsleistung für Bürger oder der Kontakt zu den Behörden vollumfänglich digital möglich sind. Vollumfänglich digital, das bedeutet, papierlos von A bis Z.
Hirsch: Es gibt jedoch Verfahren, bei denen das nicht möglich ist. Die Abholung der Restmülltonne ist zwar laut Definition eine Verwaltungsleistung, aber das übernimmt kein Computer.
Sitter: Die Digitalisierung ändert die Haltung der Behörde gegenüber dem Bürger. Wir sind darauf angewiesen, dass wir eine Resonanz von den Bürgern bekommen: Wie können wir Formulare so anpassen, dass man sie intuitiv nutzen kann? Wie können wir Verwaltungsabläufe vereinfachen?
Handel: Es ist wichtig, dass auch die Verwaltung kommunikativer wird und beispielsweise dem Bürger mitteilt, dass sein Anschreiben angekommen ist und bearbeitet wird. Das war früher nicht üblich. Im digitalen Prozess ist das einfach umzusetzen.
Sitter: Wir wollen eine moderne Verwaltung werden, das ist unser Anspruch und unser Ziel. Wir können uns noch in einigen Bereichen verbessern, zum Beispiel, wenn es um die Erreichbarkeit der Mitarbeiter geht. Oder wenn es darum geht, das richtige Formular online zu finden. Daran arbeiten wir. Aber: Wir sind kein Dienstleistungsunternehmen, sondern führen Recht aus.

Handel: Es gibt in Deutschland tausende Verwaltungsverfahren, die der Gesetzgeber (im OZG) in circa 575 Leistungsbündel zusammengestellt hat. Das Landratsamt ist nur für einen Teil davon zuständig. Knapp 60 davon sind bereits digitalisiert. Wir arbeiten gerade primär an der Digitalisierung jener Formulare, welche den Großteil der Bürgeranliegen in unserem Haus abdecken. Schwerpunkte sind etwa Führerscheinwesen oder Abfallrecht. Wenn wir diese demnächst in digitaler Form anbieten und die Bearbeitungszeit reduzieren, ist viel gewonnen. Im Bauwesen haben wir schon 2021 den digitalen Bauantrag eingeführt.
Hirsch: Bis ein Online-Verfahren eingerichtet ist, dauert es leider, weil die Umsetzung höchst unterschiedlich ist und individuell festgelegt wird.
Handel: Das Onlinezugangsgesetz definiert beispielsweise den Download eines PDFs, das ausgedruckt werden muss, explizit nicht als Online-Verfahren. Uns ist wichtig, dass das Ausfüllen eines Formulars zukünftig ohne einen solchen Medienbruch geschieht.
Sitter: Eines vorweg: Nicht alle Bürger wollen diesen reinen Online-Weg nutzen. Sie müssen keine Angst haben, dass sie in der Behörde keine Ansprechpartner mehr haben. Jeder Bürger hat nach wie vor das Recht und die Möglichkeit, vorbeizukommen oder anzurufen.
Hirsch: Mit den Online-Verfahren ist man zeitlich und räumlich nicht mehr an die Öffnungszeiten der Behörde gebunden, kann seine Anliegen von zu Hause oder unterwegs aus erledigen.
Online-Formulare sind responsiv gestaltet. Das bedeutet, sie reagieren auf die Eingabe. Formulare können wir so intelligent gestalten, dass zum Beispiel erkannt wird, ob eine E-Mail-Adresse richtig formatiert eingegeben wurde oder Angaben, die zwingend nötig sind, auch gemacht wurden.
Handel: Wir gehen davon aus, dass weniger Fehler passieren; auch nicht bei der Übertragung von Daten, wenn diese online bei der Behörde ankommen und intern weiterverarbeitet werden können.
Hirsch: Der Bürger wird seinen digitalen Antrag auf jeden Fall schneller los. In vielen Verfahren gibt es momentan noch einen Medienbruch, weil Daten vom Sachbearbeiter per Hand in das Verwaltungsprogramm übertragen werden. Wir wollen das jedoch ändern.
Sitter: Verfahren an sich werden in ihren Inhalten aufgrund zunehmend detaillierterer Gesetze sogar komplexer werden. Schneller werden die Verfahren, in denen andere Ämter eine Stellungnahme abgeben müssen. Bisher werden die Akten mit der Post verschickt, das dauert oft länger.
Sitter: Das Thema Digitalisierung steht auf unserer Agenda weit oben aus vielerlei Gründen. Zunächst mal ist das bürgerfreundlich in einem Flächenlandkreis wie unserem; es ist umweltfreundlich, nachhaltig und platzsparend – Stichwort: Aktenberge. Nicht zuletzt ist es unsere Pflicht als Behörde, geltendes Recht, in diesem Fall das OZG, umzusetzen. Wir haben mit Tobias Hirsch und Andreas Handel zwei Vollzeitstellen für die Digitalisierung und die Einführung der E-Akte besetzt. Aufgrund der Kombination ihrer Qualifikation (Verwaltung und IT) versprechen wir uns einen enormen Gewinn.
Sitter: Die Abteilung "Digitalisierung" berät die Mitarbeiter. So wie wir die Veränderungen den Bürgern nicht überstülpen wollen, tun wir das auch nicht bei den Mitarbeitern. Gemeinsam wird überlegt, wie Prozesse digital gestaltet werden können.
Hirsch: Eine Bereitschaft der Mitarbeiter für die Veränderung der Prozesse ist notwendig. Für viele ist das selbstverständlich, bei manchen müssen wir diese Bereitschaft erst wecken. Ich bin zuversichtlich, dass das klappt.
Sitter: Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass hier niemand sagen kann, er werde nicht mitgenommen und unterstützt. Wir haben Sachgebiete, in denen die Leitungen offen sind für Veränderungen und entsprechend viele Verfahren von sich aus bereits online gestaltet haben. Treibende Kräfte sind unter anderem die am Landratsamt angesiedelten Stellen, die von einer Bundesbehörde abhängig sind und die Digitalisierung vorgegeben bekommen, zum Beispiel Ausländeramt oder Jobcenter.
Handel: Wichtig ist die elektronische Akte, also eine nachvollziehbare, strukturierte digitale Ablage, die alle Dokumente enthält, die für die Behörde aktenrelevant sind. In den Bereichen, in denen die E-Akte genutzt wird, kann sich der Mitarbeiter um wichtige Angelegenheiten kümmern und muss sich nicht mit Datenübertragung, Kopien und Abheften aufhalten.
Hirsch: Die Plattform, mit der wir Online-Formulare erstellen, lässt sich selbstverständlich auch für hausinterne Prozesse nutzen. Seit einigen Wochen ist beispielsweise der Antrag auf Home Office von unseren Mitarbeitern als digitales Formular komplett papierlos nutzbar.
Sitter: Dieser Prozess wird nie abgeschlossen sein.
Handel: Wir müssen stetig nachjustieren. Es gibt in jedem Online-Verfahren immer noch etwas zu ergänzen und weiterzuentwickeln. Wir kommen kaum hinterher bei der Vielzahl an Möglichkeiten.
So siehts aus im LRA Main Spessart.