"Bei uns traut sich keiner rein und keiner raus", sagt Claus Engel und lacht. Auf einer nicht ganz ernst gemeinten Ebene beschreibt dieser Satz die Truppe, der er seit fast neun Jahren angehört, ganz gut. Engel singt, spielt die kleine Trommel und bildet mit neun anderen Männern aus Fellen die Feierschwer Kapell'n. Dass sich bei der privat sehr sympathischen, gut gelaunten Freundesgruppe niemand rein- oder raustrauen sollte, scheint im ersten Moment schwer vorstellbar. Erlebt man das Gespann aber auf der Bühne, in voller Montur und mit provokantem Wortwitz, zeigt die Feierschwer ein anderes Gesicht.
komme her aus Fell'n,
tun euch was erzähl'n."
Seit 2016 ist die Gruppe rund um den "Kommandanten" Michael Schnall zur Faschingszeit auf der Bühne zu sehen. In altehrwürdigen Monturen, inklusive Helmen der ehemaligen Aktiven der Feuerwehr Fellen, übernimmt die Mannschaft das Zepter auf bunten und närrischen Abenden. Immer mit dabei: Kleine und große Trommel, Akkordeon, Trompete, Horn, Tuba und ein paar Notenständer. "Alle, die bei uns Instrumente spielen, waren schon vorher Vollblutmusiker", sagt Simon Gerlach, der das Ensemble stimmlich unterstützt.
Keine Angst vor dem Altneihauser Original
Weder die Idee noch der Name der Feierschwer Kapell'n sind durch Zufall entstanden. Neun Oberpfälzer sehen den Fellenern in ihren Bühnenoutfits zum Verwechseln ähnlich und sind nicht ganz unbeteiligt an deren Entstehung. Die Altneihauser Feierwehrkapell'n tourt schon lange im großen Stil durch die Festzelte und -hallen in ganz Bayern. Um auch namentlich die perfekte Persiflage zum Original abzubilden, nannte die Feierschwer sich anfangs noch "Althäüser Feierschwer Kapell'n".
Vor den Ersten ihrer Art wolle man sich aber keineswegs verstecken. "Wir haben keine Angst vor der großen Konkurrenz. Manchmal sagen wir spaßeshalber, dass wir eigentlich das Original sind", verrät Schnall und verweist auf einen Auftritt der Altneihauser auf der Veitshöchheimer Fastnacht in Franken, bei dem sie zwei Lieder spielten, die ihr Pendant aus Fellen schon vorher im Programm hatte.
doch die Oberpfälzer Abziehbilder,
die sind nun mal nur zweite Wahl,
wir sind das Fellner Or'ginal."
Im Gegensatz zur unterfränkischen Feierschwer kümmert sich bei den Oberpfälzern mit Kabarettist Norbert Neugirg eine Person hauptberuflich um die Texte. "Allerdings reden wir in unserer Freizeit extrem viel Blödsinn, also machen wir das eigentlich auch alle hauptberuflich", stellt Gerlach fest. Die Fellener Truppe aus selbstständigen Unternehmern, Angestellten, einem Lehrer und reichlich Schichtdienstleistenden zusammenzutrommeln, bleibt aber ein schwieriges Unterfangen. "Heute haben wir einen Auftritt und es gab noch keine Probe, bei der alle da waren", sagt Engel.
Outfit hilft, um in die Rolle zu finden
Nach acht Jahren ist aber genug Routine drin, um Ausfälle in den Proben zu verschmerzen. Und so schmeißen sich die Fellener Mal für Mal in ihre Uniform, schmieren sich schwarzen Ruß ins Gesicht und lassen mit Zahnschwarz Zähne "ausfallen". Als "grobe, garstige Kerle, die den ganzen Tag Bier trinken" würde Christoph Althaus, der musikalische Leiter und Mann am Akkordeon, sich und seine Kollegen dann beschreiben. Tatsächlich bestreitet die Feierschwer keinen Auftritt ohne den eigenen Kasten Bier. Das schmeckt bekanntlich am besten und es könnte ja zu wenig geben.
Komplett nüchtern geht nur der Kommandant selbst von der Bühne. Irgendjemand müsse ja schließlich die Contenance wahren, so Schnall. "Um unsere Rolle zu verkörpern, hilft uns das Outfit mit der schwarzen Farbe und den Zähnen natürlich. Das deckt sich dann auch mit unseren Texten, die eher frech und provokant sind", erklärt Althaus.
Nie beleidigende oder diffamierende Texte
Die Leidtragenden besagter Provokationen sind meist Nachbargemeinden oder Vertreter der Kommunalpolitik. Auf zu dünnes Eis begeben sich Michael Schnall, der im ersten Leben Geschäftsleiter der Verwaltungsgemeinschaft Burgsinn ist, und seine Kameraden aber nur selten. "Wir frotzeln gerne rum und da bekommen hin und wieder Nachbargemeinden oder Politiker ihr Fett weg. Das passiert aber in einem sehr angemessenen Rahmen und ist nie beleidigend oder diffamierend", betont Gerlach.
oder gar ins Auto kotzen,
einmal vor und zurück,
wir fahrn um Rieneck rum zum Glück."
Auch wenn es textlich nie unter die Gürtellinie gehen darf, kommt Gerlach nicht umhin, zuzugeben, dass ihm nach einem Text über die Nachbargemeinde Aura schonmal "die Ohren lang gezogen" wurden. Das gehöre beim Fasching aber auch mit dazu.
Andere Texte der Feierschwer gehen weit über die Grenzen des Sinngrunds hinaus. Unter anderem wurden die Ampel-Koalition, der Zustand der Bundeswehr oder der Brexit behandelt. Bedenken, mit politischen Aussagen anzuecken, gibt es nicht. Gerlach dazu: "Wir sind nicht immer alle einer Meinung, aber das steckt dann jeder von uns auf der Bühne weg. Grundsätzlich zensieren oder pushen wir uns gegenseitig, also besprechen, ob ein Statement noch mehr Pfeffer vertragen könnte oder schon einen Ticken drüber ist."
Oberpfälzer Verse überschatteten Fastnacht in Franken
Apropos einen Ticken drüber: Zum humoristischen Grenzgang wurde der Auftritt des Altneihauser Originals bei der Fastnacht in Franken 2018. Sexistische Sprüche über Brigitte Macron, die Ehefrau des französischen Präsidenten, führten nicht nur zu betretenen Mienen beim Live-Publikum, sondern auch vor den Fernsehern in Fellen. "Sowas wie die Macron-Nummer hätten wir nicht geschrieben, das haben wir schon im Gespür", sagt Althaus. Natürlich ließ es sich die Feierschwer nicht nehmen, sich ins gemachte Nest zu setzen und dem Fehltritt der Oberpfälzer ein paar Zeilen zu widmen.
bei uns wird auch kein Sex besungen,
wir schimpfen auch nicht über Weiber,
wir präsentieren unsre Leiber,
mit Anmut, aber auch mit Stolz,
wir sind nunmal aus Spessart-Holz."
Die Texte der Feierschwer entstehen im Kreise einer vierköpfigen lyrischen Kernmannschaft, wenn man so will. Schnall, Gerlach, und die Brüder Althaus und Engel wechseln sich beim Reimen und Dichten in der Regel ab. "Zur Faschingszeit ist der übliche Vorgang, dass wir vier uns treffen und besprechen, welche Themen es gibt. Dann teilen wir die untereinander auf und jeder schreibt ein oder zwei Texte für den Auftritt", erklärt Althaus. So komme auch immer ein neuer Stil mit rein.
Gesungen wird auch mal zwei- oder dreistimmig
Das Grundschema ist immer gleich. Erst werden pro Thema ein oder zwei Strophen mit jeweils vier oder mehr Versen im Paarreim verlesen. Dann folgt zum gleichen Thema ein Lied, verstärkt durch den Einsatz der Instrumente. "Gesangstechnisch sind wir fit und auch mal zwei- oder dreistimmig unterwegs", meint Gerlach. Einprägsamer werden die Lieder, wenn es gelingt, die Texte mit der Melodie eines bekannten Songs zu verbinden. "Ich überlege dann, welches Lied passen könnte und dann fällt mir der Text dazu ein", sagt Schnall.
nicht am Nordkap und nicht am Ural
es liegt auch nicht an der Nordseeküste
doch ein Leuchtturm hab'n wir allemal."
Auch wenn eine große Tour mit vielen Terminen für die Feierschwer weder zeitlich machbar ist, noch dem eigenen Anspruch entsprechen würde: Auf ein paar größere Anfragen können die zehn Fellener schon zurückblicken. "Highlights waren der Auftritt bei TV Mainfranken 2019, die Gastspiele beim Landratsfasching und der Vorstellung des Landratsschoppens. Auch der Kitzinger Schlappmaulorden hatte uns angefragt", erzählt Schnall, der mit seinem Sohn Simon den Bogen vom ältesten zu einem der jüngsten Mitglieder der Feierschwer spannt.
Ende der Feierschwer noch lange nicht in Sicht
Die Motivation, weiter gemeinsam zu proben, aufzutreten und wenigstens den eigenen Durst zu löschen, scheint ungebrochen hoch. "Es ist nicht mehr dieses Kribbeln drin wie am Anfang, aber das, was wir machen, wird mit Routine noch schöner – auch, weil wir eine feste Größe im Fellener Fasching geworden sind", so Althaus. An eine "Übergabe" an die nächste Generation scheint die Truppe mit den zwei Gesichtern noch lange nicht zu denken, lässt Gerlach durchblicken: "Es wäre schon cool, wenn das mal so kommt, aber ob die so lange warten, bis wir keine Lust mehr haben...?"
Die Mitglieder der Feierschwer Kapell'n sind
Christoph Althaus (Akkordeon, Gesang, musikalische Gesamtleitung)
Simon Gerlach (Text, Gesang)
Claus Engel (Gesang, Requisiten, kleine Trommel)
Johannes Haas (Trompete)
Jörg Müller (Bombardon)
Florian Gerhard (Horn)
Simon Schnall (große Trommel)
Gabriel Hartmann (Inszenierung)
Lukas Palige (Inszenierung)